Alle 225 Textkommentare von Willibald

17.01.19 - Kommentar zum Text  Narrative Kälte in Thomas Manns "Doktor Faustus" von  Bergmann: "Salute, kurz zu diesem Erzähler im Joseph und der Art des Diskurses in einer Textpassage zu Abraham, dann der Diskurs bei Joseph: (1) Stufenkommentar eines Tricksters Die Überlieferung will wissen, daß ihm sein Gott, der Gott, an dessen Wesensbild sein Geist arbeitete, der Höchste unter den anderen, dem ganz allein zu dienen er aus Stolz und Liebe entschlossen war, der Gott der Äonen,(….) Das ist mit Vorsicht aufzunehmen oder jedenfalls recht zu verstehen. Es handelt sich um späte und zweckvolle Eintragungen, die der Absicht dienen, politische Machtverhältnisse, die sich auf kriegerischem Wege hergestellt, in frühesten Gottesabsichten rechtlich zu befestigen. In Wirklichkeit war das Gemüt des Mondwanderers auf keine Weise geschaffen, politische Verheißungen zu empfangen oder hervorzubringen. (….) Was ihn in Bewegung gesetzt hatte, war geistliche Unruhe, war Gottesnot gewesen, und wenn ihm Verkündigungen zuteil wurden, woran gar kein Zweifel statthaft ist, so bezogen sich diese auf die Ausstrahlungen seines neuartig-persönlichen Gotteserlebnisses, (….) Nicht umsonst, so vernahm er von dem neuerschauten Gott, soll deine Qual und Unrast gewesen sein: Sie wird viele Seelen befruchten, wird Proselyten zeugen, zahlreich wie der Sand am Meer, und den Anstoß geben zu Lebensweitläufigkeiten, die keimweise in ihr beschlossen sind, – mit einem Worte, du sollst ein Segen sein. Ein Segen? Mann, Thomas: Joseph und seine Brüder. Vier Romane in einem Band. Frankfurt a.M: Fischer 2008; S.10-11. Ein Erzähler mit Rückschau und Überschau, in seinem Standpunkttransport (axiologische Perspektive) recht ein Trickster: Ein Hinweis auf die Nichtverbindlichkeit der „Überlieferung“, nicht massiv. Ausstrahlung auf „sein Gott“, konnotativ ein „ideosynkratischer Gott“ bei Abraham. Dann eine Vorsichtsforderung für den Leser gegenüber theistischen Interpretationen mittels realpolitischer und utilitaristischer Erklärungsmuster; dann ein Verbindlichkeitshinweis zur Ehrenrettung durch „woran kein Zweifel statthaft ist“, aber unter der Hand auch verstehbar, dass die Mythosverwalter solche Zweifel nicht gestatten. Der „neuerschaute“ Gott in der vorletzten Passage liefert eine Prophezeiung, welche die Frustration von Qual und Unrast ausgleicht und gleichsam transzendiert. Schließlich noch eine „wörtliche Rede Gottes“ („du sollst ein Segen sein“). Im nächsten Satz zurückgenommen durch die verblose Frage. In ihr präsentiert sich der Erzähler mit Gott, naja, „auf Augenhöhe“. Und als ein „Ich bin, der ich bin“. Ein ironisch-professorales humorvoll-wärmendes (?)Sprechen, das naiven Glauben nicht verletzt, aber naiv Gläubige ins Leere laufen lässt. Eine eher modern-wissenschaftliche Denk- und Sehweise, ein freudorientiertes Narrativ der schelmischen Art. Für Intellektuelle, ein geistreiches Spiel. (2) Soziobiologische Perspektive bei Joseph Und später dann beim Lobpreis des androgyn schönen siebzehnjährigen Joseph explizit die genesisferne evolutionsbiologische Modellierung: "seit der Mensch nicht mehr das Amphibium oder Reptil spielt" Und gleichzeitig eine wärmende Behandlung der homoerotischen Aspekte im soziokulturellen Umfeld - Einverständnis erheischend, keinerlei Predigton oder wissenschaftlicher Diskurs - auf das Erleben und die Erlebniswelt hin verortet. So war es mit Rahels Sohn, und darum heißt es, daß er der Schönste war unter den Menschenkindern. Das war eine übertreibende Lobpreisung, denn seinesgleichen gab und gibt es die Menge, und seit der Mensch nicht mehr das Amphibium oder Reptil spielt, sondern seinen Weg zum Körperlich-Göttlichen schon recht weitgehend verfolgt hat, ist es nichts Ungewöhnliches, daß ein Siebzehnjähriger so schlanke Beine und schmale Hüften (…) Mann, Thomas: Joseph und seine Brüder. Vier Romane in einem Band. Frankfurt a.M: Fischer 2008; S. 288f. Soziobiologie als Synthese von Darwin, Freud und anderen hat entsprechend ihre Gedanken weiter entwickelt und so Religion als Adaptionsleistung zu erklären versucht, zu erklären gewusst. Für Interessierte ein Beispiel: Eckart Voland (google books): Voland, Eckart: Homo naturaliter religiosus. Umrisse des soziobiologischen Argumentes. In: Bierl, Anton/Braungart, Wolfgang (Hrsg.): Gewalt und Opfer. Im Dialog mit Walter Burkert. Berlin: De Gruyter 2010, S. 293-315. https://bit.ly/2RuVe10 Vale ww Kommentar geändert am 17.01.2019 um 16:54 Uhr Kommentar geändert am 17.01.2019 um 16:55 Uhr"

17.01.19 - Kommentar zum Text  Im Taumel der Stille von  Bergmann: "ein feine unheilge Allianz sonor zwischen Lesenden und Rezipienten parlierend, interagierend, progressiv infizierend und erhebend. Komische Fallhöhe. Aside: Kafka hat einen feinen Lesungsbericht gegeben, bleibt dabei unangesteckt und empathisch-trocken: Bernhard Kellermann hat vorgelesen: einiges ungedruckte aus meiner Feder, so fieng er an. Scheinbar ein lieber Mensch, fast graues stehendes Haar, mit Mühe glatt rasiert, spitze Nase, über die Backenknochen geht das Wangenfleisch oft wie eine Welle auf und ab. Er ist ein mittelmässiger Schriftsteller mit guten Stellen (ein Mann geht auf den Korridor hinaus, hustet und sieht herum, ob niemand da ist) auch ein ehrlicher Mensch, der lesen will, was er versprochen hat, aber das Publikum liess ihn nicht, aus Schrecken über die erste Nervenheilanstaltgeschichte, aus Langweile über die Art des Vorlesens giengen die Leute trotz schlechter Spannungen der Geschichte immerfort einzeln weg mit einem Eifer, als ob nebenan vorgelesen werde. Als er nach dem 1/3 der Geschichte ein wenig Mineralwasser trank, gieng eine ganze Menge Leute weg. Er erschrak. Es ist gleich fertig, log er einfach. Als er fertig war, stand alles auf, es gab etwas Beifall, der so klang als wäre mitten unter allen den stehenden Menschen einer sitzen geblieben und klatschte für sich. Nun wollte aber Kellermann noch weiterlesen eine andere Geschichte, vielleicht noch mehrere. Gegen den Aufbruch öffnete er nur den Mund. Endlich nachdem er beraten worden war sagte er: Ich möchte noch gerne ein kleines Märchen vorlesen, das nur 15 Minuten dauert. Ich mache 5 Minuten Pause. Einige blieben noch, worauf er ein Märchen vorlas, das Stellen hatte, die jeden berechtigt hätten, von der äussersten Stelle des Saales mitten durch und über alle Zuhörer hinauszurennen. Tagebucheintrag vom 27. November 1910, in: Franz Kafka, Tagebücher, hrsg. von Hans-Gerd Koch, Michael Müller und Malcolm Pasley, Frankfurt am Main (S.Fischer) 1990, S. 127f. greetse ww"

16.01.19 - Kommentar zum Text  Narrative Kälte in Thomas Manns "Doktor Faustus" von  Bergmann: "Mit dem schreibenden Bergmann in das erinnerte Haus, ein chronotopisches Gefilde, darin kartografiert die musikalischen und literarischen Laufwege. Aufhellen des distanzierten Erzähltones bei Mann, sein Demontieren und Dämonisieren atonaler Musik. Mythos und Humor im Joseph? Wow. greetse ww"

14.01.19 - Kommentar zum Text  Unterrichtsstunde für die 6. Jahrgangsstufe - Sklaverei im antiken Rom: Sachanalyse von  Matthias_B: "also jetztatla nochmal: Die "1. Sachanalyse" - wenn man denn das ernst nimmt - bräuchte noch eine didaktische Reduktion. Und dann wäre das Stundenkonzept intressant. Ächz. Und man mag über Lehrprobenstunden lästern. Die Konzeption von solchen Schaustunden ist nun mal gefordert. Dann ist so eine Art von mehr oder weniger gutem Musterbeispiel relevant für Didaktik-Aficionados. greetse ww"

13.01.19 - Kommentar zum Text  Unterrichtsstunde für die 6. Jahrgangsstufe - Sklaverei im antiken Rom: Sachanalyse von  Matthias_B: "WoW! Darf man sich auf den praktischen Teil mit der "Stundeninszenierung" und oder der Stundensequenz freuen? greetse ww"

11.01.19 - Kommentar zum Text  Ende einer Beziehung von  niemand: "Artistisch und mit allen poetischen Gangarten von diesem alten Ross. Levitierend komisch. Hach! greetse ww"

11.01.19 - Kommentar zum Text  Schießen von  Oskar: "Feines, formidables Texten und Flechten. In der Erzählperspektive und in Details. Vielleicht doch - immanente Logik -" verteidigen zu können"(statt "verteidigen zu müssen")? greetse ww"

10.01.19 - Kommentar zum Text  Epochentypische Gedichte. Symbolismus. Rainer Maria Rilke: Der Panther von  EkkehartMittelberg: "Habe den obigen Kommentar, angeregt von Ekkehards Interpretation zum "Dingsymbol" Panther und angeregt von den Reaktionen seiner Leser, überarbeitet und eigens eingestellt. Als "Panthersachen bei Rilke". greetse ww Kommentar geändert am 10.01.2019 um 10:38 Uhr Kommentar geändert am 10.01.2019 um 14:58 Uhr"

02.11.18 - Kommentar zum Text  Der Kanzlerin zum Wohle? aktual. von  Horst: "Grottig, vor allem in der Textur."

15.10.18 - Kommentar zum Text  Richtigstellung 2 - Luther von  tueichler: "Nun denn, wenn tueichler Recht hat, so verdient sein (vorerst?) letzter Kommentar von der Syntax her, von der trockenen Lakonik her und von der Überzeugungskraft her eine glatte Eins. greetse ww"

Diese Liste umfasst nur eigenständige Textkommentare von Willibald. Threads, in denen sich Willibald an der Diskussion zu Textkommentaren anderer Leser mit Antworten bzw. Beiträgen beteiligt hat, findest Du  hier.

 
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Willibald hat übrigens nicht nur Kommentare zu Texten geschrieben, sondern auch  5 Kommentare zu Autoren,  2 Gästebucheinträge,  55 Kommentare zu Teamkolumnen und  einen Kolumnenkommentar verfasst.

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