Blindblick

Gedicht zum Thema Besessenheit

von  Saira

Er weiß, was wahr ist Tag für Tag,
verkündet’s laut – weil’s keiner fragt.
Im eignen Echo wohlgeborgen,
verkauft er gestern schon als morgen.

 

Er misst die Welt mit Löffelmaß,
rührt Wut zu Brei, serviert sie blass.
Und nennt das dann – man glaubt es kaum –
den heil’gen Klang vom „Wahrheitstraum“.

 

Sein Spiegelbild, das spendet Beifall,
der Rest bleibt stumm – welch schöner Schall.
Denn wer sich selbst so laut zitiert,
merkt selten, dass er sich blamiert.

 

Er frisst aus Kellen, ruft: „Ich seh!“ –
doch schaut nur in sein Eigenweh.
Die Welt ist rund, sein Denken flach,
und jeder Zweifel macht ihn schwach.

 

So läuft er Kreise Jahr für Jahr,
die Wahrheit längst nur Deko war.
Er ruft nach Klarheit, blind vor Glanz,
im Takt der eignen Ignoranz.

 

 

 

© Sigrun Al-Badri / 2025



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Kommentare zu diesem Text


 TassoTuwas (03.11.25, 14:26)
Moin Sigi,

fällt mir dazu Einer ein oder ganz Viele  :D  ?

Liebe Grüße
TT

 Saira meinte dazu am 03.11.25 um 14:35:
Moin Tasso,

ach, sagen wir: genug, dass man den Chor nicht mehr zählen kann  :D

Herzliche Grüße
Sigi

 Didi.Costaire (03.11.25, 15:34)
Hallo Sigi,

ich hoffe, dass du dich nicht zu sehr hineinsteigerst und es dich am Ende so mitnimmt, dass du dich auch hier abmeldest. Das wäre ein großer Verlust, lyrisch, aber vor allem menschlich.

Liebe Grüße,
Dirk

 Saira antwortete darauf am 03.11.25 um 16:21:
Lieber Dirk,

deine Worte haben mich erreicht – still, aber spürbar. Danke dafür.

Mach dir keine Sorgen: Ich verliere mich nicht in dem, was ich schreibe. Im Gegenteil – das Schreiben ist meine Art, klarzubleiben, Ordnung zu finden, wo das Außen zu grell wird.

Gewiss, manches geht nicht spurlos an mir vorbei. Wer wirklich hinsieht, bleibt nie unberührt.

Und ja, ich bleibe. Auch, weil es hier Menschen wie dich gibt, die noch zuhören – und die etwas zu sagen haben: Wortakrobaten, Lyriker, Geschichtenerzähler, all jene, die schreiben, weil sie Worte nicht missbrauchen, sondern weil sie einen Ort suchen, an dem sie sich auf ihre Weise wahrhaft mitteilen können.

Herzliche Grüße
Sigi

 plotzn (03.11.25, 17:13)
Servus Sigi,

es ist so schade. Man kann seine begrenzte Lebenszeit mit Wut füllen oder mit angenehmen Dingen. Die sozialen Meiden befeuern ersteres. Bei Leuten, denne es wirklich schlecht geht, kann ich die Wut verstehen, geht doch die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Aber nach meiner persönlichen kleine Stichprobe, geraten momentan immer mehr Leute, denen es zumindest finanziell nicht schlecht geht, in einen Sog aus Wut und Hass.

Liebe Grüße
Stefan

 Saira schrieb daraufhin am 03.11.25 um 21:23:
Servus Stefan,

ja, Wut ist ansteckend. Aber was mich mehr erschreckt als die Wut selbst, ist ihre Selbstzufriedenheit.

„Blindblick“ spricht nicht von denen, die wütend sind, weil sie leiden, sondern von jenen, die Wut zum Weltbild machen. Die das eigene Echo für Wahrheit halten und den Zweifel für Schwäche.


Die Empörung hat viele Gesichter ... gefährlich wird sie erst, wenn sie glaubt, sie sei Erkenntnis.

Herzliche Grüße
Sigi

 Tula äußerte darauf am 03.11.25 um 21:24:
Hallo Sigi und Stefan
Diesem Kommentar kann ich nur zustimmen. Es gibt die einen, die wollen sich spaßhaft unterhalten. Bei anderen habe ich nicht selten den Eindruck, dass sie irgendeinen Groll mit sich herumtragen und den online ablassen müssen. Genau genommen in einer sich stetig wiederholenden Auf- und Entladungsschleife.

LG Tula

 Saira ergänzte dazu am 03.11.25 um 21:32:
Hallo Tula,

das trifft es ... eine ewige Schleife aus Aufwallung und Entladung.

Ich glaube, viele verwechseln Bewegung mit Lebendigkeit. Sie rauschen, um das Schweigen nicht zu hören.

Das Traurige ist: Je lauter sie kreisen, desto weniger Sprache bleibt ihnen. Nur noch Echo.

Liebe Grüße
Sigi

 Hannes meinte dazu am 03.11.25 um 22:09:
Liebe Saira,
lass dich nicht kirre machen.
Deine letzten drei Texte.....manches berührt und beschäftigt einen halt sehr. Und dann muß es raus.
Aber wenn es so fließt und in Worte gekleidet ist, wie du es zur Sprache bringst
und wenn ich deine Antworten lese, keine Gefahr.
Der Hannes

 Saira meinte dazu am 03.11.25 um 23:02:
Lieber Hannes,

wie schön, dass du das so siehst.


Manchmal drängt etwas nach außen, nicht aus Zorn, sondern weil es atmen will.


Solange man noch Worte findet – und Menschen, die sie verstehen –, ist alles gut.

 
Herzliche Grüße
Saira
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