Vernichtung

Expressionistisches Gedicht zum Thema Abendstimmung

von  Isaban

Der Himmel trug sich selbst zu Grabe.
So liegt er aufgebahrt und schweigt,
aus seiner dunklen Gruft entsteigt
gespenstisch flimmerndes Gestirn.

Es ist zu still! Ein letzter Rabe
entfliegt, getarnt, im Trauerkleide,
der nachtverschluckten, alten Weide
und aus der Sicht. Sein Flügelschwirrn

versinkt im Samt der schwarzen Ranken.
Der Blick nach draußen gibt nichts her;
ein Etwas saugt die Welt ganz leer,

frisst Landschaft, Licht und die Gedanken:
Gewiss scheint nicht und nimmermehr
des Altvertrauten Wiederkehr.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 styraxx (18.01.08)
Die erste Zeile hat bei mir schon mal voll eingeschlagen. Den Einstieg habe ich akopolyptisch gedeutet. Doch dann stellt sich heraus, es ist die Nacht die hereinbricht, nicht mehr und nicht weniger. Toll was du aus dieser selbstverständlichen Gegebenheit machst und wie du es sprachlich heraus arbeitest.
Mir gefällt es; ein Gedicht über die Nacht, die das Ungewisse verkörpert. Sehr stimmig die Bilder. Dunkle Romantik, gespensterhaft. Aber gerade das gefällt mir an diesen Zeilen.

Liebe Grüsse

 Isaban meinte dazu am 18.01.08:
Lieber Cornel,
im Prinzip ist doch jeder Nachtanbruch eine kleine Apokalypse, die bekannte Tageswelt geht unter, bekommt zumindest einen neuen Anstrich, der alles ein wenig unkenntlich, unbekannt macht.
Hier bot sich eine schöne Gelegenheit, die herannahende Nacht mit den Ängsten zu verbinden, die vermutlich mit jedem Ende, jeder Veränderung einhergehen, ob es nun große oder kleine Schritte sind, der Tod, das Ende einer Liebe, Freundschaft, ein Umbruch, Umzug, eine Reise, mit oder ohne Wiederkehr - alles, was uns aus dem Gewohnten reißt und für uns Unbekanntes und Ungewisses bedeutet.
Hab vielen Dank für deine Rückmeldung, deine Auseinandersetzung mit meinem Text und dein Lob.

Liebe Grüße,
Sabine

 Erebus (18.01.08)
Liebe Sabine.

verflixt!
Das ist so wunderbar düster, gekonnt, expressiv in dunklen Bildern gedichtet, dass ich es bei einem "Absolut Gelungen!" bewenden lassen könnte.

Mir hat es die nachtverschluckte Weide angetan!
Und: "ein Etwas saugt die Welt ganz leer,"

Jedoch, es muss sein: die Erbsen.
Zu Beginn der Strophe 2 ist es, im Gegensatz zum Schweigen des Himmels, "sonst" ganz still. Das fällt natürlich auf.
Der Rabe wäre mir lieber als "geahnt"/"verwischt"/"finster" etc. nicht "getarnt", denn dieses impliziert, das der Rabe sich selbstständig tarnt, schöner fände ich, wenn auch ihm etwas "widerfährt".
Nicht ganz ins Bild passen m.E. die "Ranken", sie ließen mich auf ein anderes Gewächs - konkret: Efeu - umschwenken, erst nachträglich kaum ich wieder zur Trauerweide und fand es machbar.
..und etwas störte der Wiedereinstieg, als ich bemerkte: Oh, schon fertig? Ach nein, da unten geht's noch weiter.
Die Conclusio geht dann aber vorzüglich geht, nur bedarf sie nicht der Deutlichkeit des 2-zeiligen Absetzens, das wirkt ein wenig notgelöst -jedenfalls bleibt mir die Notwendigkeit verborgen.

Dein Reimschema ist raffiniert - hat es einen Namen? Wäre da nicht Reim C, so hätte ich ein Sonett unterstellt.
Aber, unterm Strich: klasse!

Lieber Gruß
Ulrich

Quatsch, wie komme ich auf "Aber"?
(Kommentar korrigiert am 18.01.2008)

 Isaban antwortete darauf am 18.01.08:
Lieber Ulrich,
die schwarzen Ranken, das ist für mich auf oberster Ebene die um sich greifende, sich verdichtende, also vielleicht bildlich rankende Dunkelheit.
Beim "sonst" hast du recht, das werde ich gleich ändern.

Der Rabe aber ist im Dunklen tarnfarben, von Natur aus - eben schwarz. Ich glaube, das kann ich so stehen lassen. Ich wollte den Anschein erwecken, als hätte jenes Federtier versucht, so gerade eben noch einmal der Bedrohung durch das schleichende Nichts, dem rankenden Nachtschwarz, das schon seinen Nistplatz, nämlich die alte Weide, erobert hatte zu entkommen - sein kurzer Auftritt/Fluchtweg endet aber, eingefangen im Samt der oben zitierten schwarzen Ranken.

Ach ja, diesmal piekst du mit deinem Finger in eine kleine Wunde. Ich hatte die beiden letzten Verse abseits gestellt, weil ich zu sehr in Versuchung war, die 14 Zeilen trotz Reimschema abbc- abbc- deed-ee und Vierhebigkeit sonettig in zwei Quartette und zwei Terzette aufzuteilen, also mehr eine Trotzreaktion mir selbst gegenüber, die eigentlich kein Sonett schreiben wollte und dann die Worte doch der Melodie überlassen hat.

Hab vielen Dank für dein Lob, deine konstruktive Kritik und deine Gedankenanregungen.

Liebe Grüße,
Sabine

 AZU20 (18.01.08)
Super, einfach gut. LG

 Isaban schrieb daraufhin am 20.01.08:
Danke Armin!
Viele liebe Grüße,
Sabine
schneerosenkind (38)
(18.01.08)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Isaban äußerte darauf am 20.01.08:
Es freut mich, dass dich mein Gedicht berühren konnte, liebe Sandy.
Herzlichen Dank für's Lesen und kommentieren.
Liebe Grüße,
Sabine
scalidoro (58)
(19.01.08)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Isaban ergänzte dazu am 20.01.08:
Die Rettung naht nicht einfach so von außen, lieber Scal.
Sie wird - und dessen ist sich das LI nicht ganz gewiss - hoffentlich mit dem Morgen kommen. Ich freue mich sehr, dass es dir gefällt.
Danke für deine Rückmeldung.
Herzliche Grüße,
Sabine

 Ingmar (08.02.08)
ein herrliches gedicht! abgründiger hab ich selten eine derart düstere weltuntergangsstimmung beschrieben gelesen.

lg,
ingmar

 Isaban meinte dazu am 08.02.08:
Joah, wenn ich mal mies drauf bin, dann richtig.
Danke, Ingmar, ich bin nicht sicher, ob ich schreiben sollte, dass ich mich freue, dass meine Weltuntergangsstimmung dich berühren konnte, aber es freut mich zumindest, dass dir meine Zeilen gefallen.
Liebe Grüße,
Sabine
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram