„Piz! Piz!“ Das waren die ersten Worten des Pablo Picasso, Erfinder des Kubismus und als solcher einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts. „Piz“ steht für das spanische Wort „lápiz“, zu deutsch: Bleistift. Der kleine Pablo, der so vehement ein Malutensil fordert, wollte die Tauben zeichnen, die im Hause Picasso umherflatterten, von seinem Vater – auch er war Maler – als fliegende Modelle betrachtet. Später entstehen Kinderzeichnungen jener Tauben, die das sagenhafte Talent des jungen Picasso eindrucksvoll belegen.
Aus dem Wunderkind wird schnell ein anerkannter Künstler. Neben seinem künstlerischen Können, das später so bekannte Gemälde wie „Guernica“ (1937) und so geniale Skulpturen wie die „Ziege“ (1950) hervorbringt, lässt die Biographie des Exzentrikers Picasso aufhorchen. Sie unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von der anderer berühmter Maler. Insbesondere dadurch, dass Picasso – etwa im Gegensatz van Gogh oder Gauguin – die Früchte seiner Arbeit zu Lebzeiten genießen konnte, denn er vermarktete sich konsequent und kam so zu sehr viel Geld. Als einzigem Künstler widmete ihm der Louvre in Paris 1971 schon zu Lebzeiten eine Sonderausstellung. Ein alles in allem perfektes Leben, das nur durch einige unglückliche Beziehungen zu Frauen phasenweise etwas getrübt zu werden scheint.
Doch Picasso lebte stets auch haarscharf am Rande des Abgrunds. Picasso trug eine schizophrene Psychose in sich, die nicht zum Ausbruch kam, sondern künstlerisch umgesetzt wurde, in einer neuen Stilrichtung, die eine neue Sicht auf die Welt ermöglichte: dem Kubismus. Fragmentarische Bilder, die das Abgebildete durch ineinander verschachtelte Darstellung aus verschiedenen Blickwinkeln analysieren, gemalt von einer gespaltenen Persönlichkeit, die diese unterschiedlichen Perspektiven gleichzeitig wahrnimmt – so lässt sich die Entstehung des Kubismus verkürzt beschreiben, den Picasso 1907 mit dem Gemälde „Les Demoiselles d’Avignon“ einführte.
Diese Psychose führte dazu, dass er Bilder im Kopf hatte, die nur er so sah, wie er sie sah. Er sah in einem Pferdekopf mehr Leid als andere in einer Folterung. Nur so ist die Eindringlichkeit eines Gemäldes wie „Guernica“ zu erklären.
Außerdem hatte er viele Gedanken im Kopf und verband sie in raschen Assoziationen zu abstrusem Neuen. Die üblichen Filtermechanismen eines „gesunden“ Gehirns, die den Menschen vor dem Herstellen abwegiger gedanklicher Brücken und allzu gewagter Schlussfolgerungen bewahren sollen, funktionierten bei Picasso ebenso wenig wie bei Menschen mit schizophrenen Psychosen. Offenbar unterschied ihn jedoch vom klinisch behandlungsbedürftigen Kranken die Gnade, trotz der geringen latenten Inhibition und der damit verbundenen Hypomanie nicht wahnsinnig zu werden, sondern die genauere Wahrnehmung der Umwelt produktiv zu nutzen, in immer neuen, wunderbaren Kunstwerken.
Des weiteren lebte Picasso in der zweiten Lebenshälfte im Exil. Seit 1934 ist er nie mehr in Spanien gewesen. Seine Heimat war von General Franco in Beschlag genommen worden, kein Platz für Picasso. Die Diktatur überdauerte den Künstler – Rückkehr ausgeschlossen.
Exil hieß, keine Ruhe zu finden, Exil hieß Einsamkeit. Picassos Einsamkeit, so schreibt John Berger 1965 in Glanz und Elend des Malers Pablo Picasso, sei die Einsamkeit eines „Wahnsinnigen“, eines „Menschen, der sich selbst genügt“. Eine Einsamkeit, die hinter rastloser Geschäftigkeit ein Leben lang verborgen blieb. „Piz!“ statt „Paz.“ war wohl so etwas wie ein Lebensmotto Picassos.
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Kommentare zu diesem Text
Graeculus (69)
(24.05.16)
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