D(o)u glaubst es nicht

Text zum Thema Allzu Menschliches

von  Sylvia

»Bärchen, holst du heute die Getränke für meine Feier am Freitag?«
»Ja, Engel, natürlich.«
Wilfried freut sich auf den Einkauf, weil er die Gelegenheit bekommt, für Manuela ein Geburtstagsgeschenk zu kaufen. Eigentlich empfindet er es als reine Geldverschwendung.

Ihr Geburtstag im letzten Jahr endete in einem Desaster, erinnert er sich. Das war ihm eine Lehre und er schwor, sich zu bessern. Damals fiel ihr Ehrentag ausgerechnet mit dem EM Finalspiel zusammen. Seinen Fernsehverzicht würdigte sie kein bisschen. Im Gegenteil, sie scheuchte ihn durch Haus und Garten, um unsinnige Arbeiten zu erledigen. Kein Mensch achtete darauf, ob der Rasen gemäht, das Unkraut entfernt oder die Stühle geputzt waren. Gut, sicherlich stand es ihr zu, etwas ungehalten ihm gegenüber zu sein. Er hätte das Geschenk wirklich dekorieren müssen. Doch wer verpackt einen Autowäsche-Gutschein? Niemand, und da schließt er sich jawohl nicht aus. Wortlos knallte sie ihm ihre kleine Hand ins Gesicht und rauschte empört zu ihrer Freundin. Zwei Wochen blieb sie bei Katja, um sie als Schutzschild zu benutzen. 'Wilfriedabwehr' nannte er es im Stillen. Naja, das war einmal. Heute ist er klüger. Sein Telefonat mit Katja war aufschlussreich.
»Katja Wilkens. Hallo.«
»Wilfried hier. Sag mal, Katja, was kann ich Manuela zum Geburtstag schenken?«
»Hm, kaufe ihr was Schönes bei Douglas.«
»Wer ist Douglas?«
»Nicht wer, sondern was ist Douglas? Es ist eine Parfümerie. In der Holzstraße findest du das Geschäft.«
»Ach so, na dann, vielen Dank.«

Zum ersten Mal in seinem Leben betritt er eine Parfümerie. Der Geruch stört ihn ebenso, wie das Licht. Dennoch schaut er sich tapfer um. Erschreckt bemerkt er die fehlenden Gesichtszüge der Verkäuferinnen. Selbst bei genauerem Hinsehen, entdeckt er kein Fältchen. Am liebsten würde er sofort von Dannen ziehen. Hinter ihm postiert sich ein gesichtsloses Wesen.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?«, erkundigt sie sich höflich, mit einem aufgesetzten Lächeln.
Alles hier wirkt künstlich, denkt er. Diese Erkenntnis behindert seine Atmung. Nein, so will er seine Manuela nicht!
»Äh, ich schaue mich mal eben etwas alleine um«, japst er.
Schweiß rinnt ihm die Stirn herunter. Was mach ich nur, fragt er sich hektisch. Die unterschiedlichen, komischen Gerüche benebeln ihn. Blind greift zum ersten Gegenstand, den seine Finger ertasten. Eilig drückt er dem hilfsbereiten Geschöpf irgendwas in die Hand.
»Packen Sie das bitte ein. Es ist ein Geschenk«, raunt er.
»Wie Sie wünschen«, entgegnet sie.
Sie sieht etwas erstaunt aus, findet er. Nein, das kann nicht sein, beruhigt er sich, das bilde ich mir ein. Diese Gesichter bewegen sich nicht. Rasch begleicht er die Rechnung, schnappt sich das Präsent und stürmt ins Freie. Nach ein paar tiefen, hustenden Atemzügen, schwört er sich, so ein Geschäft nie wieder zu betreten.

Drei Tage später küsst Wilfried seine Herzensdame ausgiebig. Widerwillig löst er sich von ihr. Stolz überreicht er sein Geschenk. Manuela erkennt an der Verpackung das Markenzeichen und ist zutiefst gerührt. Genüsslich entblättert sie das Paket. Als sie zwei blaue Herrenbadelatschen in die Höhe hält, entgleiten ihr sämtliche Gesichtszüge. Wilfried fühlt sich an die Verkäuferinnen erinnert.

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Kommentare zu diesem Text

JowennaHolunder (59)
(23.05.08)
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 Sylvia meinte dazu am 24.05.08:
Hallöle Wally...Fluchtreflex...was für ein schönes Wort....es freut mich, das du diese Gedanken nachvollziehen kannst...lächelnde Sylviagrüße
Symphonie (73)
(30.05.08)
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 Sylvia antwortete darauf am 30.05.08:
..lach dich an...danke für dein "boah"...Tagesgrüße Sylvia
Meltem (14)
(13.06.08)
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 Sylvia schrieb daraufhin am 13.06.08:
Ich danke dir sehr für dein aufmerksames Lesen....es freut mich, wenn mein Text wahr genommen wird....hab einen schönen Abend, Sylvia
steyk. (55)
(12.10.09)
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 Sylvia äußerte darauf am 14.10.09:
Huhu Stefan,

klar können wir Damen viel....schmunzel....vor allem überraschen.:)

Danke dir,
liebgrüßt
Sylvia
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