Einprozenter

Kurzgeschichte zum Thema Alltag

von  Wortsucht

Ich liebe meine Kunden … zumindest die Meisten. Und in jedem Laden gibt es eine Anzahl Kunden, welche man nicht mag. So etwa einer von Hundert. Also 1 Prozent. Diese Kunden fallen dadurch auf, dass man sie vom ersten Tag an kennt und sie immer wieder kommen. Was eigentlich nicht schlecht wäre … grundsätzlich … aber eben.

Genau so ein Kunde hat mir kürzlich den Tag verdorben. Er ist vermutlich bereits in Rente. Trotzdem erscheint er immer in Krawatte. Da drängt sich doch wieder mal der Witz auf: Was unterscheidet den Kuhschwanz von einer Krawatte? Der Kuhschwanz verdeckt das ganze Arschloch … Naja, im Fall meines Kunden würde es eine gigantische Krawatte brauchen.

Jeden Tag muss er nörgeln, sucht verfallene Artikel um diese vergünstigt oder gar kostenlos zu erhalten. Er hat nichts Besseres zu tun. Und sollte mal etwas schieflaufen oder ein Artikel, welchen er nur zum halben Preis kauft, gerade ausgegangen sein, so kann er sich lauthals bei jeder Verkäuferin beschweren. Schlussendlich landet er immer wieder bei mir. Und zwischenzeitlich hat er sämtliche Kunden vollgelabert. Ein übler Zeitgenosse.

Niemand mag ihn. Und auch in der Gemeinde soll er schon negativ aufgefallen sein. Nur profitieren, nur nörgeln, aber nie etwas bringen …

Als er diesmal vor mir stand (er ist wesentlich kleiner als ich und bestimmt nicht halb so schwer), sein Blutdruck gegen 200 schnellte und mir irgendetwas zublökte (wer mich kennt, weiss, dass ich solchen Menschen nie zuhöre), holte ich tief Luft und fragte mit ruhiger stimme: „Darf ich sie einmal etwas ganz Persönliches fragen?“ Er war verblüfft, schwieg und nickte.

„Ich glaube, sie als Intelligenzabstinentler (er lächelte mich an, somit wusste ich, dass er nicht verstand, was ich sagte), können mir bestimmt eine Antwort geben! Wenn ich bei einem Menschen unbeliebt bin, so denke ich: Naja, der hat wohl ein Problem mit mir … kratzt mich nicht weiter. Wenn drei bis fünf Menschen mich nicht leiden können, so denke ich: Vielleicht hat es doch etwas mit mir zu tun? Vielleicht mache ich etwas falsch?“ Er nickte mich verständnisvoll an. „Wie fühlt man sich, wenn man, wie in ihrem Fall, von allen Menschen in einem Dorf gehasst wird? Würde man sich da nicht lieber die Kugel geben?“ Er sah mich an. Er wurde blass (bisher hatte er es nicht verstanden), sein Kopf wurde rot (er schien zu verstehen). Er stellte den Korb ab und bewegte sich zur Türe. Ich öffnete und er ging raus … ich habe ihn nie mehr gesehen seither … aber eine Antwort habe ich bis jetzt immer noch nicht … Zum Glück habe ich ein paar Hundert Kunden und somit noch ein paar weitere Einprozenter ...

(c) 2009 Urs Jenni aus der Serie: Der Dorfladen

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Kommentare zu diesem Text


 Martina (28.06.09)
Ohje....da ist jemand an einer Stelle, wo ich nicht unbedingt sein möchte =)
Irgendwie tut er mir nun doch leid.......
Gern gelesen....Lg Tina

 tueichler (29.06.09)
Meine Mutter hatte eine Drogerie. Gelegentlich habe ich aushelfen müssen und, was soll ich sagen, JJJJA!!!!
Die Einprozenter gibt es, und nicht nur beim Einkaufen ....

Gefällt mir,

Schöne Grüße aus Rheinhessen,

Tom :)
Elvarryn (36)
(29.06.09)
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Misanthrop (31) meinte dazu am 29.06.09:
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Naoko (23) antwortete darauf am 03.07.09:
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