Erziehungsmaßnahmen

Geschichte zum Thema Gut und Böse

von  Lala

Erziehung


Es sollten noch viele Regeln folgen, die Constantin sammelte und sorgfältig in ein
kleines Oktavheft übertrug und auch später noch immer bei sich trug. Er, Oswald und der dritte Mann, Javier aus Havanna, trafen sich häufiger. So lange Constantin ein niedlicher Junge war, war er ein idealer Lockvogel und bald auch ein flinker, unauffälliger Taschendieb. Oswald und Javier zeigten Tino eine Welt voller Menschen, die nur darauf warteten, beschissen und wie Gänse ausgenommen zu werden. Je reicher und klüger sie aussahen umso gieriger waren sie. Einen Moment sah es für ihn so aus, dass über den Jungfernstieg nicht Menschen sondern offene Brieftaschen flanierten. Es war wie mit den Kisten der Holsten
Brauerei: Überall stand klau mich drauf.
Es gab drei Dinge, auf die Oswald bei Tino achtete. Tino musste lesen, schreiben und rechnen können. Oswald schwor auf diese Tugenden und den Dreisatz. Wenn Du den kapiert hast, kannst Du Geschäfte machen und Du musst das Geschäft im Kopf ausrechnen können. Wenn Du auf der Straße den Taschenrechner zückst, bist Du nicht nur ein Trottel, du zeigst dem anderen auch noch, dass du ihm nicht traust. Das muss im Kopf geschehen – und es muss schnell geschehen. Darauf folgten zwei neue Regeln: Nummer siebzehn: Ein Geschäft mit einem Idioten ist ein gutes Geschäft. Nummer 18: Lerne, dass Du nicht der Idiot bist.
Drogen - auch Alkohol - verbot Oswald Constantin. Oswald selbst war kein Heiliger.
Er kokste – nicht übermäßig aber regelmäßig – und nicht selten kippte er auch Schnäpse. Er fand dass hier und da ein „g“ in der Nase, den Druck erträglicher machte. Niemals aber im Beisein des Jungen. Er hielt die Fassade aufrecht, um seinen Neffen zu beeindrucken und anzutreiben. Und er sollte noch mehr und anderen Sport machen als nur mit der Pille rumzuditschen.

Als Tino vierzehn Jahre wurde, kam Kollege Javier – der gelernte Langfinger und Beutelschneider ihrer Gruppe - vorbei und holte ihn im Auftrag Oswalds ab, um Constantin Og Ma vorzustellen. Og Ma sollte den Kleinen in der Technik des Muay Boran ausbilden. Sein Onkel, der Javier und seinen Neffen, vor einem ausnahmsweise nicht mit Sexschildchen bepflasterten Wohnhaus in der Schmuckstraße erwartete, empfing Constantin mit den Worten: Mach mir jetzt keinen Ärger und benimm Dich anständig. Ich werde Dich jetzt zu Deiner Lehrerin bringen. Constantin war enttäuscht. Og Ma war also eine Frau. Tino wusste, dass er Privatunterricht in irgendeiner Kampfsportart kriegen sollte, aber er hatte nicht gewusst, dass sein Lehrer eine Lehrerin sein würde. Wie sollte das gehen?, fragte er sich. Als er dann oben
angekommen war, war er vollends davon überzeugt, dass sein Onkel den Verstand
verloren haben musste, oder ihn zum Geburtstag veräppeln wollte. Die Frau war mindestens vierzig Jahre alt, schätzte Constantin, und sie würde bei dem Versuch, etwas wie Karate zu machen, auseinanderbrechen. Oswald ließ sich aber nicht beirren. Er ging zu Og Ma, verneigte sich ganz tief vor ihr und trat mit der stummen Aufforderung an seinen Neffen es ihm gleichzutun, zur Seite. Der aber ging nur näher, inspizierte die Dame missmutig von oben bis unten und meinte dann nur: Schwachsinn.

Auch wenn Constantin hätte mehr sagen wollen, er wäre nicht mehr dazu gekommen. Er empfand kurz einen fürchterlichen Schmerz und dann war bei ihm das Licht ausgegangen. Die alte Schachtel hatte ihm in affenartiger Geschwindigkeit mit ihrem Fuß sein freches Mundwerk gestopft. Als Constantin sich vom KO erholt hatte, stand er auf und verbeugte sich nun auch vor der knapp sechzigjährigen Og Ma.

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Kommentare zu diesem Text


 Sylvia (20.04.10)
Huhu Lala...
es liest sich weiter flüssig und spannend lesen...
Etwas ungünstig und unglücklich finde ich die wechselhaften Constantin-Tino Passagen. Es verwirrt. Vielleicht wäre es leichter, sich genau festzulegen, in welchen Abschnitten reinweg Constantin ist und in welchen reinweg Tino

lieben Gruß
Sylvia

 Lala meinte dazu am 20.04.10:
Hallo Sylvia,

erstmal Danke für den Hinweis zum vorigen Kapitel. Ja der Name, der verfolgt mich. Ich hatte sogar Passagen vor der Einstellung auf kV gefunden wo ich Konsttantin und Constantin wechselte. Ich hglaube ich hätte mir noch einen Spitznamen ausdenken sollen, der ganz anders gelagert ist. Aber auch beim Schreiben hatte ich schon das Gefühl, dass die Verwendung des Namens nicht unproblematisch ist.

Gruß

Lala

 styraxx (22.04.10)
Ah, eine neue Figur kommt ins Spiel, nämlich die der sechzigjährigen Og Ma, die Tino in die Kampfkunst einführen soll. Die Geschichte nimmt ihren Lauf und besagter Faden reißt nicht ab. LG
(Kommentar korrigiert am 22.04.2010)

 Lala antwortete darauf am 23.04.10:
Hallo styraxx,

schön dass Du am Ball geblieben bist und den Faden nicht verloren hast. Ich es hält noch ein Weilchen an.

Gruß

Lala
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