III.
 Inhalt 
V. 

IV.

Erzählung zum Thema Abrechnung

von  Lala

IV.

Nun waren nach Kurts Tod mehr als Monate ins Land gegangen und sie hatte nicht nur ihre Pflicht erfüllt und funktioniert, nein, sie hatte einen Verbündeten gefunden, für den Ästhetik, Schönheit und Kunst nicht nur Worthülsen sondern Elixiere des Lebens und der Vernunft waren. Sie merkte nicht, dass sie frischer und lebendiger wirkte, als je zuvor und wenn sie jemand darauf aufmerksam gemacht hätte, dann hätte sie wohl nur den Kopf geschüttelt, weil sie so eine dusslige Feststellung für nicht der Rede wert gehalten hätte.

Gerne verbrachte sie ihre Tage im Wechsel zwischen Blumenladen, Grab und Café Metropol, das gegenüber Briegels Blumenladen lag und tipptopp Marmor-, Zitronen und Blaubeerkuchen im Programm hatte. Der Kaffee, war eine Wucht, wie Friederike fand. Sie verbrachte ihre blaue Stunde jetzt öfters im Café; genoss, zwischen Nippen, Quartetten, Klaviermusik, Terzetten und einem Irish Coffee, die neuesten Blumenarrangements im Schaufenster gegenüber.


An einem Sonntag, als Friederike mit sich haderte, ob sie Kurts Grab besuchen oder sich einen gemütlichen Vormittag bereiten sollte und dergestalt unentschlossen nichts richtig begonnen, geschweige denn zu Ende gebracht hatte, passierte es, dass sie noch gegen Mittag im Schlafanzug in der Küche saß und mit einem male Hunger bekam. Zum Bäcker wollte und konnte sie nicht in ihrem Aufzug. Deshalb war sie froh, dass sie noch Brötchen im Froster fand. Sonntagsbrötchen stand auf der Packung. Eigentlich holte sie sich diese immer frisch vom Bäcker. Eigentlich. Heute wollte sie darauf verzichten und in ihrem Toast und Grill Apparat, den Kurt vor langer Zeit mal angeschafft hatte und den sie bis dato noch nicht einmal benutzt hatte, aufbacken.

Friederike legte das Brötchen auf den Grillaufsatz, schob den Schieber nach unten und erschrak fürchterlich.
„Küss mich“ schepperte es blechern aus dem Toaster, als sie den Schieberegler gerade über die Mitte gedrückt hatte.
Entsetzt riss Friederike ihre Hand hoch, der Schieber schnalzte zurück und der Toaster war wieder stumm. Friederike atmete tief durch, sah an sich herunter und vergegenwärtigte sich ihr Mantra: Lass Dich nicht gehen, bleib stark und pflege dich! Friederike ging duschen.

Nach einer guten halben Stunde, stand sie wieder in der Küche und schmunzelte über sich selbst. „Da hast Du Dich schön ins Bockshorn jagen lassen“, dachte Sie und wiederholte lachend, während sie den Küchentisch für ein ordentliches Frühstück eindeckte, die Liebesbotschaft ihres Toasters: „Küss mich.“ Sie betonte es übertrieben tief und rauchig und amüsierte sich prächtig, behielt den Aufbackautomaten aber stets, wenn auch verstohlen, im Blick. Der Tisch war bald gedeckt, der Kaffee durch und eingeschenkt - es fehlte nur das Brötchen.

„So, du Blechtrottel, wag es noch mal mein Don Juan de Toast zu sein.“ dachte sie, während sie den Hebel zitternd, aber dennoch kräftig herunterdrückte.
Der Hebel rastete ein und die Heizspiralen begannen unmittelbar darauf zu glühen.
„Na, siehste. Geht doch.“, murmelte Friederike, setzte sich auf ihren Küchenstuhl und schlürfte mit Genuss ihren Kaffee.

Zehn Minuten werden lang, wenn man still auf sein Brötchen warten muss. Nach dem Erlebnis von vorhin, hörte Friederike das Knacken jeden Krümels und schrak jedes Mal zusammen, wenn ein Geräusch aus Richtung des Toasters kam. Trotz oder wegen ihrer Schreckhaftigkeit, ärgerte sie sich über ihre Feigheit, den Automaten nicht gleich nach der Dusche, wieder in Betrieb genommen zu haben, denn dann hätte sie das Brötchen schon auf dem Teller und würde jetzt nicht das Gras wachsen hören. Sie war dem Problem ausgewichen und das war kindisch gewesen.

„Wie hältst Du das eigentlich aus?“
„Gar nicht.“ antwortete Friederike spontan, hielt aber sofort inne und stellte ganz langsam wieder ihre Kaffeetasse ab. Sie hatte Mühe, Luft zu bekommen und starrte mit großen Augen zum Toaster. Es war zweifellos der Toaster gewesen, der sie gefragt hatte, wie sie es aushalten würde. Aber das, sie war erwachsen, konnte beim besten Willen nicht sein.
„Wie meinst Du Das?“, hakte der Brotgrill ungeniert nach.
„Ich bin verrückt geworden.“, flüsterte Friederike. Ihr Herz pochte wie verrückt und sie ließ den Toaster keinen Augenblick aus den Augen.
„Alte Schachteln mit aufdringlichem Parfüm, blauen Haaren, rot geschminkten Lippen, Leguanhälsen und faltigen Fingerchen und angepinselten Fingernägeln? Wie meine ich das wohl?“, insistierte der Apparat und Friederike wiederholte spontan den letzten Satz in Gedanken und es entging ihr nicht, dass der Automat immer anders klang, mal männlich wie anfangs, als er einen Kuss haben wollte, mal weiblich, als er wissen wollte, wie sie es aushalte.
Friederike kniff ihre Augen zusammen. Es musste eine Erklärung für diesen Unfug geben. Es muss ein Schabernack sein, dachte sie und fand diesen Gedanken weitaus beruhigender, weil er nicht danach klang, eine verrückte, alte Schachtel zu sein.
„Ich halte gar nichts aus. Die Omas bringen Umsatz - das ist alles. Na gut: sie bringen sehr viel Geld.“, sagte das Haushaltsgerät im Tonfall des Mannes und Friederike meinte, trotz der schlechten Qualität, die Stimme erkannt zu haben, was ihre Laune nicht verbesserte. Die Feder schnalzte zurück, die Brötchen waren unten angebrannt und die Übertragung war beendet.

Friederike erhob sich, öffnete eine Schublade, nahm Stift und Zettel heraus, setzte sich wieder an den Küchentisch und schrieb sorgfältig alles auf, was die Brotröstungsmaschine ihr gesagt hatte. An Frühstück war ihr nicht mehr gelegen.
Als sie alles zu Papier gebracht hatte, nahm sie sich den Toaster und seine Erzeugnisse wieder vor. Nach einem kurzen Befühlen der Konsistenz, einer Überprüfung des Geruches, schmiss sie die Brötchen in den Abfall. Essen würde sie das angebrannte Zeug im Leben nicht. Unschlüssig stand sie in der Küche. Kein Zweifel, sie hatte Piet Briegel gehört. Ihren hauseigenen Poeten. Und nicht nur das, sie hatte mitbekommen Piet war nicht Piet sondern ein Betrüger. Er tat nur so als ob. „Funktioniert das Ding auch ohne Brötchen?“, dachte Friederike kurz und bevor sie für und wider abgewogen hatte, drückte sie mit einem innerlichen „Was soll’ s?“ den Schieber wieder nach unten.

Statt einem Dialog hörte die alte Dame nur Fetzen, Rückkopplungen und Knarzen. Alle Geräusche taten fürchterlich in ihren Ohren weh und so zog sie kurzerhand den Stecker und die Geräusche brachen ab. Wieder trat die alt gewohnte Stille ein, in dem nur ihr inneres Geräusche produzierte, so als sei sie in einem Raumanzug und durchquerte ohne Nabelschnur das Weltall.

„Vielleicht ist es wie beim Fernseher“, dachte Friederike, „und ich muss nur die Antenne, den Toaster etwas verrücken um einen besseren Ton zu erhalten?“
Misstrauisch wie sie war, schob sie vorsichtig ein Papier unter den Automaten, fixierte es und umrahmte das Gerät, um die Position, die zumindest einmal Empfang geboten hatte, nicht zu verlieren.

Die Stunden verflogen nur so an diesem Sonntag und Friederike stellte um, markierte, probierte, wartete und notierte das Ergebnis. Alle Versuche schlugen fehl und gegen Abend, erinnerte sie sich, dass sie dringend trinken müsse und ärgerte sich, dass ihr nicht früher eingefallen war, dass es Sonntag und der Herr Poet vielleicht längst schon seinen Laden verlassen hatte. Als sie ihre Küchenplatte ansah, die übersät war mit Markierungen und an die vielen Notizen dachte, war Friederike fürs Erste bedient. „Dieser elende Knilch“, zischte Friederike, löschte das Licht und ging zu Bett. Es war ein Rückzug - keine Kapitulation.

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