Erstarrtes Betroffenheitsritual

Groteske zum Thema Trauer/Traurigkeit

von  loslosch

Requiem aeternam dona eis, Domine; et lux perpetua luceat eis (Formel aus der katholischen Messe, insbesondere Totenmesse - missa pro defunctis). Herr, schenke  ihnen die ewige Ruhe; und das ewige Licht leuchte ihnen.

Wenn hunderte oder gar tausende Tote nach einer Naturkatastrophe und anschließendem GAU uno actu zu beerdigen sind, scheint die lateinische Formel der katholischen Kirche wohlfeil und der Notlage angemessen. Anrufungen im adäquaten Plural ("schenke ihnen die ewige Ruhe", später dann weniger prätentiös "gib ihnen die ewige Ruhe"), ohne jedes - weil nicht erwartbares - Echo des Herrn. Nur das Bild vom ewigen Licht will nicht so ganz stimmig erscheinen. Die Halbwertszeit strahlenden, radioaktiven Materials zählt nach Jahrhunderten, Jahrtausenden. Also strahlt das unsichtbare ewige Licht bereits hienieden, in den Skeletten der Toten.

Abstrakte Erörterung. Den Japanern ist dieser christliche, Trost spendende wie Trost suggerierende Ritus weitgehend fremd.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (18.03.11)
"Die Halbwertszeit strahlenden, radioaktiven Materials zählt nach Jahrhunderten, Jahrtausenden. Also strahlt das unsichtbare ewige Licht bereits hienieden, in den Skeletten der Toten." Diese Aussage könnte einigen deiner Leser- je nach Glauben- als zynisch, wenn nicht gar als sarkastisch erscheinen. Ich sehe das anders. Der Sarkasmus wird für mich durch die Hybris jener erzeugt, die KKW für sicher erklären.
LG Ekki

 loslosch meinte dazu am 18.03.11:
Ein lammfrommer Christ könnte sowas nicht texten, klar. Es ist ja noch die Kritik an der Übersetzungspraxis eingepackt. Donare gleich schenken. Ich höre noch den Priester meiner Jugendzeit beten "Herr, gib ihm die ewige Ruhe". Schenken hat er sich geschenkt. Andererseits: Dona nobis pacem: Schenke uns den [Deinen] Frieden. Da war man wieder exakt am lat. Text.

Zur Kernkraft. Seit meiner Jugend weiß ich, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Desasters äußerst gering ist. Gilt auch für die Windkraft. Rasiert ein Jahrhundertsturm die Windanlagen, sterben womöglich einige Wartungsarbeiter. Nach 1 Jahr stehen die Räder wieder. Und bei der Kernkraft? Die gelernte Physikerin Merkel weiß das besser als ich. Danke fürs Einschätzen, Ekki. Lothar
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