Die Türglocke bimmelte unmotiviert, als das Paar den Laden betrat. Ich schreckte kurz zusammen, erholte mich aber einigermaßen schnell wieder. Sie war der Typ Frau, bei welchem ich verstehe, dass er sich auswärts etwas Schöneres holt. Er war ihr idealer Partner; er würde beim besten Willen nichts Schöneres bekommen. Ihre strähnigen Haare überdeckten Teile des Gesichts. Nicht ganz klar war mir dabei, ob es sich um herunterhängendes Haupthaar oder hochwachsenden Damenbart handelte. Ich hielt es sogar für möglich, dass die Haare gar nicht ihre eigenen waren. Es könnten auch am übertriebenen Makeup festklebende Fremdhaare gewesen sein. Vielleicht seine letzten.
Ihren fülligen Oberkörper hatte sie in eine weisse Renaultbluse mit Schweißranddekor gepackt.
Renaultbluse? Eine Bluse, welche es zwischen den Knöpfen rhombenförmig auseinanderzieht – das Renaultzeichen eben. Selten hübsch anzusehen. Aber weit verbreitet. Die Leggins , welche sich um ihre Schenkel dehnten, ebenfalls grenzwertig nah an der Belastungsgrenze.
Das Problem mit der Mode ist, dass die Mode von heute erst in 25 Jahren wieder Mode ist. Naja, ganz offensichtlich war sie vor 25 Jahren mit der Mode gegangen!
Ihre Füße steckten (wie könnte es bei meinem Glück schon anders sein) in Ballerinas. Jedenfalls der Teil, der reinkam. Und mir viel auf, dass es schlimmeres gibt, als Ballerinas. Hallux in Ballerinas ...
Er war ein Bild von einem Mann! Ich glaube, wenn sie mit ihm zusammen die Geisterbahn verlässt, wird sie verhaftet unter dringendem Tatverdacht, Dekorelemente stehlen zu wollen.
Er war offensichtlich ein Mann von Welt; sein „Hard Rock Cafe Bangkok“ T-Shirt belegte dies eindrücklich. Er hatte einen Waschbrettbauch mit Schwabbelüberzug, welchen er sich in einer großen Rundumfalte über den Gürtel stülpte (falls er wirklich einen eingezogen hatte).
Er trug eine Bundfaltenhose. In Grau. Glänzend. Lila glänzend. Auch das trug man vor 25 Jahren. Im Gegensatz zu den Leggins waren diese Hosen aber nie Mode. Nur verbreitet. Und in Verbindung mit einer schmalen (weißen) Lederkrawatte zu tragen. Seine Füße steckten in Sandalen und Hornhaut; schwer zu erkennen – ich mochte auch gar nicht hinsehen!
Nach längerem im Laden herumschlurfen, wandten sich die beiden an mich. Sie suchten die Kosmetikabteilung. Im Dorfladen. Klar. Als Abteilung kann man es kaum bezeichnen, aber natürlich gibt es Kosmetikprodukte. Ich zeigte ihnen das Regal und ließ das Paar alleine.
Wenig später sprach sie mich erneut an und wollte wissen, ob es die neue Hautpflege einer bestimmten Marke bei uns auch geben würde. Ich kannte das Produkt nicht, und fragte deshalb, was es den bewirken sollte. Sie erklärte es mir lang und breit. Ja, sie schwärmte. Seidige Haut, pflegend in der Nacht, schützend am Tag. Das Beste, was es derzeit geben würde. Ich hörte mir die Schwärmerei lange an. Sie würde das Produkt schon mehrere Jahre verwenden. Und außerdem wäre es sehr Preiswert.
Ich drückte mich lange, doch schließlich musste ich meine Frage doch los werden: „Und sie wollen nun die Firma verklagen, weil es nicht hilft?“
Er grinste diskret hinter ihr. Sie veränderte ihre Gesichtsfarbe und verließ den Laden. Diesmal bimmelte die Türglocke übermütig.
Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass sie nichts gekauft hat und nie mehr im Dorfladen aufgetaucht ist? Schade eigentlich ...
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Anmerkung von Wortsucht:
Eine böse Dorfladengeschichte ...
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