Sallys Haus (9)

Erzählung zum Thema Geister

von  Prinky

Indira ging voraus.
Draußen im Flur nahm Pater Francis seine Bibel aus der kleinen Ledertasche, die er mitführte. Er legte sie auf eine Kommode, die rechts von ihm an der langgezogenen Wand stand, und begann ruhig und gefasst in seiner Tasche einen weiteren Gegenstand zu suchen.
"Was suchen sie," meinte Indira gespannt zu ihm.
"Ich suche ein Kreuz, das wir an die Wand schlagen können," entgegnete er, "ach apropos, könnten sie einen Hammer und einen Nagel besorgen?" Er schaute Myles an, und ärgerte sich, da er selber nicht daran gedacht hatte grad diese Utensilien mitzunehmen.
Myles bejahte, und ging runter in den Keller. Es war ihm bewußt das Samantha und Kyle in ihrem vorherigen Zuhause ihr Werkzeug eben auch dort, an selbigem Ort, aufbewahrten.
"Ahja, da ist ja das gute Weihwasser," meinte der Geistliche plötzlich, "gut das wenigstens ich daran gedacht habe. So, nun wird es ernst! Ich denke, wir werden einen gewissen Herrn ziemlich erzürnen...müssen!"
Plötzlich schrie Samantha, die sich wohl in den oberen Räumen befand. Jedenfalls schien ihre Stimme von oben zu schallen.
"Du bleibst hier Indira," rief Karen zu ihrer Enkelin, während sie die Treppe in Angriff nahm. Sie hatte ein Alter erreicht, in dem man solch eine große Treppe nicht mehr im Dauerlauf hinaufhechten konnte.
Pater Francis ließ die Tasche fallen, und folgte ihr schnellen Schrittes. "Myles...Myles," rief er laut, während er Karen nachfolgte, "kommen sie schnell. Wir haben oben jemanden schreien gehört!"

Als Karen ins Schlafzimmer der Eltern trat, sah sie, wie Samantha regungslos vor ihrem Ehebett kniete, und mit offenem Mund an die Decke starrte. Sie sah hinauf, und bemerkte das Kyle sich in einer Art durchsichtigem Kokon befand, der sich mit einer Menge Blut gefüllt hatte.
Die Blicke aller richteten sich gegen den Kokon. Zu seltsam und unangenehm war jenes Bild, welches sich den überraschten Personen bot. Sekundenlang herrschte eine Totenstille, als es plötzlich am Fenster angsteinflößend knirschte. Plötzlich schrieb eine unsichtbare Macht etliche Buchstaben an die Wand. Diese waren aber nicht zu lesen, da sie sich in wildem Durcheinander manifestierten. Karen schien wie gebannt, als sie der Pater anstupste.
"Hallo, alles klar mit ihnen?"
"Was ist mit meiner Frau," meinte Myles, der im gleichen Augenblick ins Zimmer trat.
Karen schien wie aus einer Art Trance zu erwachen.
"Nichts, nichts," meinte sie mit seltsam ruhiger Stimme. " Schaut nur, schaut dort an der Wand!"
Die wild zusammengewürfelten Buchstaben hatten sich zu dem Wort VERSCHWINDET zusammengefügt, das nun fast allen Beteiligten ins Auge stieß. Und mit einem Mal donnerte dasselbe Wort mit unglaublich dunkler Stimme durch den Raum. Karen hatte sich Myles ängstlich angenähert.
"Sam...Sam, " wo ist das Kind, meinte er, als er sich plötzlich erschrocken umsah. "Sam ist bei mir," rief Indira von unten. "Gut," erwiderte Myles erleichtert. "Schaffe ihn raus, geht raus, raus ins Freie. Da seid ihr sicher. Schaffe ihn raus, hörst du Indira?"
"Ja," rief sie nach oben, packte sich ihren Bruder und verließ mit ihm eiligst das Haus.

"Du wirst uns hier nicht vertreiben, du nicht," brüllte Pater Francis laut in den Raum. " Du nicht, ich werde dir einen Weg in deine Hölle ebnen, denn nur dort gehörst du hin. Sally hingegen werde ich in den Himmel führen. Weit, weit weg, auf das du sie nie mehr quälen kannst."
NIE WIRST DU DAS, donnerte es durch den Raum. NIEMALS, und mit einem Mal löste sich der Kokon von der Decke, und fiel auf das Bett, wo er in ganzer Länge aufplatzte. Das ganze Blut, in welchem Kyle sich befand, verteilte sich allüberall im Raum, und spritzte jede Person von oben bis unten voll. Samantha schien aus ihrer Starre zu erwachen, denn sie besah sich, und fing mit einem mal fürchterlich an zu schreien.
Karen beruhigte Samantha, in dem sie ihre Hände in ihre nahm. "Psst, alles wird gut! Komm, ganz ruhig!" Karens ruhige Art begann Wirkung zu zeigen. "Was ist mit Kyle," meinte sie nun deutlich gefasst. Sie strich ihrem bewußtlosen Mann über die blutende Stirn, und begann erneut schrecklich zu weinen.
Da knallte das alte Eichenfenster mit einer unvorstellbaren Macht weit auf. Ein unglaublich starker Wind verteilte sich in dem Raum, und veranlasste die Personen das Schlafzimmer wie eine geschlagene Armee zu verlassen. Kyle lag draußen auf dem hölzernen Flur, und Samantha versuchte ihn wieder zu Bewußtsein zu führen, doch es gelang ihr einfach nicht.
Pater Francis stand vor der Schlafzimmertüre, und riss sie mit all seiner Kraft auf. "Hier, das ist für dich. Weiche...Dämon!"
Er spritze das Weihwasserfläschen in den Raum, das jedoch postwendend zurück in den Flur spritzte, und auf seinem Gesicht wie ätzende Säure wirkte. Vor Schmerzen krümmend sank er nieder, während Myles es gerade so schaffte die Türe zum Schlafzimmer wieder zu schließen. Pater Francis Augen schienen erblindet, und apathisch rief er nach Gott. Jener jedoch schien weiter weg als jeder Dämon dieser Erde.

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