Augenzeuge versus Ohrenzeuge

Glosse zum Thema Beobachtungen

von  loslosch

Iniuriam aures facilius quam oculi ferunt (Publilius Syrus, 1. Jh. v. Chr.; Sententiae). Unrecht ertragen die Ohren leichter als die Augen.

Auf den ersten Blick ein richtiger Gedanke. Bin ich Augenzeuge eines schweren Verbrechens, kann ich womöglich intervenieren, zumindest Hilfe anfordern. Höre ich nur von solchem, erfahre ich es also vom Hörensagen, so weiß ich um die unabänderlichen Fakten, bin selbst nicht mehr unmittelbar gefordert.

Im Fernsehzeitalter wirkt die alte Sentenz auf merkwürdige Weise verschwommen, unklar. Der am Zeitgeschehen Interessierte verfolgt die Ereignisse aus dem Sessel - per Ton und Bild. In der Überzahl sind es Meldungen von Katastrophen oder Konflikten. Der Redakteur versteht was von seinem Geschäft, weiß, was ankommt und was nicht. Bad news is good news and good news is bad news. Wir wollen uns nicht beklagen.

Was leidet mehr, das Auge oder das Ohr?

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Kommentare zu diesem Text

Nimbus (37)
(18.05.13)
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 niemand (18.05.13)
Ja, stimmt, wenn man beides trennt, denn wenn beides zusammenkommt: Schmerzbild/Schmerzschrei, erträgt man es doppelt schlecht. Hört man hingegen nur einen Schrei, dann könnte man, nebst Schmerz, auch noch anderes hineininterpretieren wie: Da streitet jemand lauthals, da lebt einer hörbar seine Lust aus (wie auch immer, vielleicht sogar sado-maso etc.) das Ohr ist betrügbarer
als das Auge, weil es Fantasie zulässt, gute, wie schlechte.
Wobei ich nicht sagen will, dass das Auge, welches auch nur subjektiv handelt, alles richtig wahrnimmt. Man denke hier an Zeugen eines Geschehens und ihre oft widersprüchlichen Aussagen. Aber das Auge ist dann doch etwas mehr an der Realität orientiert. LG niemand
(Kommentar korrigiert am 18.05.2013)

 loslosch meinte dazu am 18.05.13:
natürlich sind beide sinnesorgane subjektiv beeinflusst. worauf es mir ankam: in der antike war der satz in etwa zutreffend, heute, im medienzeitalter, nicht mehr.

zeugenaussagen sind oft widersprüchlich, weil interessengeleitet. dann gIbt es die menschen, die mehr räumlich denken/ erinnern, und die, die mehr optisch speichern. lo

 Bergmann (18.05.13)
Wenn das Geräusch des Unfalls, der Qual, der Gewalt etc. zu hören wäre, wäre das möglicherweise/partiell noch schlimmer als der optische Eindruck. Das Ohr ist unser feinstes Sinnesorgan und direkt mit unserer Seele verbunden.
ttU

 loslosch antwortete darauf am 18.05.13:
du meinst ja SEELE nicht wörtlich, sondern als metapher. es ist wohl unterschiedlich. ich selbst arbeite mit einem stark räumlichen gedächtnis und sehe es notwendig etwas anders.

wie sieht es gert mittring? t.t. lo
baerin (53)
(18.05.13)
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 loslosch schrieb daraufhin am 18.05.13:
nein, der text verwechselt das nicht. denk an die bedeutung der medien vor über 2.000 jahren.

zu bergmann: ja. man kann leichter wegsehen als weghören. lo

 niemand äußerte darauf am 18.05.13:
@ baerin
Du darfst mir widersprechen, ich widerspreche Dir jedoch ebenso. Das Gehör weiß oft nicht mal aus welcher Entfernung die Töne/Stimmen kommen, z.B. bei uns in der 2. Etage hört man wenn Leute vor dem Haus stehen diese so laut, dass man glaubt sie stünden neben einem und schreien, dabei unterhalten sie sich nur in piano, dieses merkt man dann erst wenn man hinuntergeht, so dass man oft versucht ist nach unten zu rufen: Ruhe! und den sich Unterhaltenden somit was Falsches unterstellt. Das Ohr ist schon nicht besonders zuverlässig, das sage ich aus Erfahrung. Ein falsches Lächeln bemerke ich hingegen sofort, ich kann nämlich mit der Mikromimik des Menschen sehr viel anfangen, aber vielleicht kann man da keine Norm aufstellen. Es gibt übrigens Ohren die absolut fein sind und welche, die man sogar mit dem Presslufthammer nicht schrecken kann
baerin (53) ergänzte dazu am 18.05.13:
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baerin (53) meinte dazu am 18.05.13:
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 EkkehartMittelberg (18.05.13)
In den Anfängen der Bildberichterstattung konnte man sich auf seine Augen noch weitgehend verlassen. Heute sind die Möglichkeiten, Bilder zu fälschen, immens, sodass man bei Nachrichtensendungen gut beraten ist, weder seinen Augen noch seinen Ohren zu trauen und sich möglichst vielfältig zu informieren, wenn einem daran liegt, eine verifizierbare Nachricht zu erhalten.
(Kommentar korrigiert am 18.05.2013)

 loslosch meinte dazu am 18.05.13:
der 1. satz wie die einleitung zu deiner dissertation, ekki. und er stimmt. fälschungen sind heute aber auch riskanter. nach dem umsatzplus droht der absturz; denn die konkurrenz steigt ein. lo

 Dieter_Rotmund (18.09.18)
Nun ja, nur bei einem kleinen Teil der Nachrichten geht es um Recht oder Unrecht.
Und ich glaube nicht, dass dieser Publilius Syrus einen Kommentar zur römischen Medienlandschaft abgeben wollte, oder?
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