Das Konzentrationslager und die Poesie - Nachruf auf Reich-Ranicki

Gedicht zum Thema Literatur

von  toltec-head

In jener Zeit lasen wir keine Romane mehr.
Wenn es wahrscheinlich ist, dass du morgen erschossen wirst,
Liest du keine Romane mehr.
Wir lasen uns, wenn, dann, meine Frau und ich, Gedichte vor.
So der bundesrepublikanische Großkritiker bundesrepublikanischer Großautoren.
Aber war das nicht der Fehler aller bundesrepublikanischer Autoren und Kritiker
Zu meinen: Wir seien aus dem Konzentrationslager draußen
Und hätten deshalb Zeit Romane zu lesen?
Wenn du morgen nicht erschossen wirst, heißt das nicht, dass du heute schon lebst.
Wenn auf dem Eingangstor zu einem Park nicht steht, dass Arbeit frei macht,
So heißt das nicht, dass nicht Arbeit und nur Arbeit frei macht.
Hätte ich eine Frau oder einen Freund, könnten wir uns Gedichte vorlesen.
Ich habe aber keine Frau oder einen Freund.
Alles was mir bleibt, ist manchmal ein Gedicht
In einem Internetliteraturforum zu posten.

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Kommentare zu diesem Text

GabrielSiegmann (35)
(02.10.13)
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 EkkehartMittelberg (02.10.13)
Ich weiß nicht, ob das ein Gedicht ist. In diesem Falle ist mir das auch nicht so wichtig. Aber dem Gedanken stimme ich zu.
LG
Ekki

 toltec-head meinte dazu am 02.10.13:
Ich weiß nicht, ob dieser Text einen Gedanken enthält, dem man zustimmen könnte. Dies könnte die Definition von Gedicht sein. Also wird es sich bei diesem Text um ein Gedicht handeln. Alles natürlich nur vielleicht. Aber Danke.
asche.und.zimt (24)
(02.10.13)
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 toltec-head antwortete darauf am 02.10.13:
Mein Text ist eigentlich die Umkehrung des Adorno-Diktums vom Gedichteschreiben. In einem Ghetto oder Konzentrationslager, in einer Situation des totalen Prekariats liest und schreibt man keine Roman, aber - und vielleicht gerade dort! - Gedichte. Wie kommst du darauf, meine Texte seien sonst witzig? Glaubst du mein Gedicht über den jungen Mann, der in den 90ern aus Berlin in einen Vorort zog, um an AIDS zu sterben, sei witzig? Meine Texte sind eigentlich immer traurig. Ich glaube, du liest nicht richtig.
asche.und.zimt (24) schrieb daraufhin am 03.10.13:
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 toltec-head äußerte darauf am 04.10.13:
Noch schlimmer.

 Dieter Wal (02.10.13)
"In ein Internetliteraturforum reinzustellen."

-> in ein Internetliteraturforum zu stellen.


"In jener Zeit lasen wir keine Romane mehr.
Wenn es wahrscheinlich ist, dass du morgen erschossen wirst,
Liest du keine Romane mehr.
Wir lasen uns, wenn, dann, meine Frau und ich, Gedichte vor.
So der bundesrepublikanische Großkritiker bundesrepublikanischer Großautoren."

Gelungen.


"Aber war das nicht der Fehler aller bundesrepublikanischer Autoren und Kritiker
Zu meinen: Wir seien aus dem Konzentrationslager draußen
Und hätten deshalb Zeit Romane zu lesen?"

Die Übertragung von Menschen, die das Warschauer Ghetto oder ein KZ überlebten, auf Menschen, die das nicht erleiden mussten, ist wenig sinnvoll bis vollkommen ahnungslos, wenn man sich näher mit Traumata beschäftigte.

Daher ist der Gedanke an sich auf "Normalos" angewandt nicht rational nachvollziehbar, logisch nicht verankert, assoziativ sprunghaft und nur geringfügig sinnvoll, nicht zu sagen: völlig blödsinnig.


"Wenn du morgen nicht erschossen wirst, heißt das nicht, dass du heute schon lebst.
Wenn auf dem Eingangstor zu einem Park nicht steht, dass Arbeit frei macht,
So heißt das nicht, dass nicht Arbeit und nur Arbeit frei macht."

Auch hier krankt die Aussage am eigentlich Unvergleichbaren.

Es ist inhaltlich nicht vollkommen falsch, aber macht wenig Sinn, es so im Gesamtzusammenhang formuliert zu haben. Zeugt von geringem Empathievermögen, was verständlich wäre, falls der Autor bisher noch keinen Shoaopfern begegnete und mit ihnen darüber kommunizierte. Der Autor wirkt auf mich dabei vollkommen ahnungslos, wovon er eigentlich schreibt.



"Hätte ich eine Frau oder einen Freund, könnten wir uns Gedichte vorlesen.
Ich habe aber keine Frau oder einen Freund.
Alles was mir bleibt, ist manchmal ein Gedicht
In ein Internetliteraturforum reinzustellen."

Gelungen.

 toltec-head ergänzte dazu am 02.10.13:
Hab das letzte Wort auf deine Anregung hin geändert. Man muss Konzentrationslager in einem weiteren Sinne verstehen. Ich kann an dieser Stelle nur auf die Bücher von Giorgio Agamben verweisen, insbesondere Homo Sacer I. Wikipedia Eintrag zum Autor ist guter Einstieg. Es ist naiv anzunehmen, dass es Konzentrationslager irgendwann einmal in der ersten Hälfte des vorherigen Jahrhunderts gegeben hat und dass der Geist, aus dem heraus sie entstanden, sich dann in Luft aufgelöst hat.

 Dieter Wal meinte dazu am 02.10.13:
Ein nichtempathischer, kritikresistenter Intellektueller. Meine Fresse! Ich wollte nicht gleich die Nazikeule schwingen, aber der Text ist auch als Verharmlosung des Holocaust interpretierbar. Versuch den Scheiß bei der Blauen Narzisse unterzubringen. Die stehen auf sowas.

 toltec-head meinte dazu am 02.10.13:
So schnell lässt sich Agamben nicht lesen. Mach deine Hausaufgaben und wir sehen weiter.

 Dieter Wal meinte dazu am 02.10.13:
Die aus dem NPD-Rhetorikseminar für politische Aktivisten in Norditalien schwafeln danach ähnlich. Der Text ist an den bemängelten Stellen völlig misslungen.
(Antwort korrigiert am 02.10.2013)
GabrielSiegmann (35) meinte dazu am 02.10.13:
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 toltec-head meinte dazu am 02.10.13:
Ich habe mal die Themenangabe geändert, die den Text tatsächlich in einem vielleicht falschem Licht erscheinen lässt. Im Übrigen ist dein NPD-Vergleich aber wirklich vollkommen neben der Sache, Dieter. Für mich auch persönlich enttäuschend, da du auch meine anderen Texte kennst. Da du ganz offenbar nicht gewillt bist, meinem Literaturhinweis nachzugehen, hier ein längeres Zitat aus Wikipedia zu Agamben:

1995 (in deutscher Übersetzung 2002) erschien das Buch Homo sacer. Es bildete den Auftakt eines auf insgesamt vier Bände angelegten Werkes. Erschienen sind inzwischen die Bände
I: Homo sacer,II/1: Ausnahmezustand,II/2: Herrschaft und HerrlichkeitII/3: Das Sakrament der Sprache undIII: Was von Auschwitz bleibt.IV/1: Höchste Armut. Ordensregeln und Lebensform
Agamben geht aus von einer rechtlich verfassten Spaltung der Identität in ein vergesellschaftetes Wesen (bίos politikós) und das bloße Leben (nuda vita). Diese Spaltung führt er auf Aristoteles' folgenreiche Unterscheidung zwischen bios und zoé in der Nikomachischen Ethik zurück; sie kennzeichne das politische Denken des Westens bis heute (Homo sacer, S. 11f.).

Agamben greift in dem „Homo sacer“-Projekt dezidiert politische und staatsrechtliche Fragen auf. Ständige Bezugspunkte sind dabei die Theorien von Walter Benjamin, Carl Schmitt, Martin Heidegger, Hannah Arendt und Michel Foucault. Agamben zeichnet ein Bild der heutigen Menschen und ihrer Lebensformen in einer globalisierten Welt. Im Zentrum der jüngeren Schriften steht dabei eine Kulturgeschichte der politischen Gefangennahme im Sinne einer Einschließung sowie der Ausschließung als soziale Ausgrenzung. Die Kritik einer Tendenz, die in permanenter Intensitätssteigerung rechtsfreie Räume schafft und den Menschen auf sein „nacktes Leben“ reduziert, ist das zentrale Thema des „Homo sacer“-Projektes.

Als Beleg für die Entwicklung seiner Thesen dienen Agamben vor allem die nationalsozialistischen Konzentrationslager: Demnach streben die Machthaber seit der Antike nicht nur die Kontrolle der Individuen als gesellschaftliche Wesen an, sondern auch die Vereinnahmung ihres biologischen Lebens. Die Folge ist eine latente, für ständig wachsende Teile der Weltbevölkerung auch offene, staatsrechtlich erzwungene Spaltung der Existenz in Mensch und Zugehörigkeit. Wie vor ihm Benjamin, Jacob Taubes und Jacques Derrida erkennt Agamben die konsequente Ausformung im Freund-Feind-Denken Carl Schmitts.

Die Figur des Homo sacer aus dem römischen Recht dient der Unterscheidung zwischen bios und zoé. Agamben geht aus von dem Doppelsinn des Worts sacer: heilig und ausgestoßen („gebannt“), nämlich „vogelfrei“. So sieht er in diesem Konzept einen Raum jenseits von Recht und Kultus, der nicht erst mit der Ausstoßung bzw. Verbannung des bloßen, des fremden und des anderen Lebens beginnt, sondern in die Geschichte der westlichen Selbsterfahrung eingeschrieben ist.

Diese Entwicklung bezeichnet Agamben in Anlehnung an Foucault als Biopolitik (Homo sacer, S. 127f.).: Es entsteht ein totalitärer Zugriff auf jeden Einzelnen, wovor auch Demokratien nicht gefeit sind. Im Gegenteil: Als Antwort auf globale Fluchtbewegungen und Terror werden Grund- und Freiheitsrechte außer Kraft gesetzt. Als Beispiel dafür sieht Agamben die Flüchtlingscamps in der Europäischen Union und das US-amerikanische Gefangenenlager in der Guantánamo-Bucht auf Kuba. Der Ausnahmezustand wird zum neuen Paradigma des Regierens. Er wird in diesem Schreckensszenario neben Staat, Territorium und Nation zum vierten Element der politischen Ordnung.

 Dieter Wal meinte dazu am 04.10.13:
Schlechte Begründung zur Vermeidung dringend nötiger Textoptimierung, besseres Argument, um zu erklären, weshalb meine Mutmaßung, die depperten Vergleiche sollten neonational blubbern und den Holocaust verharmlosen, möglicherweise falsch sein könnten.

Schlag mir immer noch mit der flachen Hand an die Platte, wie man mit so geistreichen Autoren wie Agamben so flohähnlich "intelligent"-gehüpfte Übertragungen in einem Text erbringen kann, aber vielleicht leidest du auch gerade unter meiner Grippe. Die zieht mental runter. Das versteh ich.

 toltec-head meinte dazu am 04.10.13:
Gute Besserung.

 Dieter Wal meinte dazu am 16.10.13:
Danke. :)
Menschenkind (29)
(02.10.13)
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miltaSvartvis (29)
(03.10.13)
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