Töchter der Erinnerung

Lyrischer Prosatext zum Thema Verwandlung

von  LotharAtzert

"Close the blind and shut the Door,
You don't need other things anymore."
Dido

Mnemosyne und Lethe - Erinnerung und Vergessen - gehörten nach altgriechischem Verständnis zur Kategorie der sogenannten Titanen. Diese sind, im Verhältnis zu den Göttern etwa, wesentlich gebundener an ihren Umraum, respektive ihre Tätigkeit. Auch wenn Mnemosyne oft als die Sanfteste unter diesen meist rohen Naturkräften beschrieben wird, so bleibt Erinnerung doch stets in Abhängigkeit titanischer Kreisläufe.

Zeus, der Göttervater, oder wie er ab den vorsokratischen Denkern um Empedokles genannt wurde, das "bewirkende Prinzip" zeugte mit Mnemosyne neun Töchter, die sogenannten Musen, die gebunden und frei zugleich gedacht sind. Gebunden mütterlicherseits und frei durch den Vater. Oder fürs heutige Verständnis: erinnernd des Urssprünglichen - und frei im Wirkprinzip.
(Wie bereits in "Empedokles" dargestellt: Zeus und Hera gleich Feuer und Luft stehen für's bewirkende Prinzip; Hades und Persephone als Erde und Wasser für den erleidenden Teil)

Ohne Muse, deren innerstes Wesen Klang ist, gibt es keine Inspiration. Musik ist ihr Seufzen nach dem letzten Ziele der Vision von Nondualität. Es ist schwer, das in leicht verständliche Worte zu fassen, da der sogenannte Verstand heute meist durch den ordnenden Logos blockiert wird und den chaotisch-fruchtbaren Mythos verdrängt. Damit wird zugleich aber die Herkunft verdrängt, ohne die man ursprungslos bleibt.

Das Wesen der Muse ist einerseits sexuell-sinnlich, andererseits rein geistig. Zwischen diesen Abgründen zieht es den sie Verehrenden aus dem Irdischen heraus, hin zur Vision, zur Kunst, als Versuch, Unvereinbares zu integrieren: dem Kunstwerk. Daß dabei ein Scheitern immer in Reichweite bleibt, braucht kaum erwähnt zu werden, da Erfahrung niemals ohne die Gefahr des Scheiterns erlangt werden kann. Darin liegt zugleich das Bedeutsame jeder Fahrt, jeder Fährte. Gefahr UND Erfahrung als Folge verkörpert die Muse dem Mann als Gefährtin.

Ihre Namen klingen süß, verraten dem Verehrer ihr Wesen:
KLEIO, die Rühmende.
EUTERPE, die Erfreuende.
THALEIA, die Festliche.
MELPOMENE, die Singende.
TERPSICHORE, die tanzende Leierspielerin
ERATO, die Sehnsuchterweckende.
POLYHYMNIA, die Hymnenreiche.
URANIA, die Himmlische.
KALLIOPE, die mit der schönen Stimme.

9 ist die Zahl des Frühlingsgottes Ares, (lat. Mars=März) der vielleicht noch bekannter ist als Gott des Krieges. Tatsächlich handelt es sich um die Kraft des Austreibens, die nicht fragt, sondern eben das austreibt, was latent im Keim oder schlafend vorhanden ist.
Rechnet man vom 21. März, dem Frühlingsbeginn aus neun Monate weiter, so landet man bei der Wintersonnenwende. Rechnet man 9 Monate gegen den Jahreskreis, gelangt man auf den Tag der Sommersonnenwende.

Schlafend vorhanden ist die Vision im Mann (und auch in der Frau - die Muse wurde ebenso auch als männlich von Frauen verehrt, doch verständlicherweise weniger häufig dargestellt ...) und nur durch die musisch-geistige Entwicklung ist die Wende oder Wandlung zur Befreiung aus ewig gleicher Wiederkehr möglich.
... hin zu dem, wovon einstige Orakel kündeten: "Erkenne dich selbst - werde, der du bist!"


Für Fehler in der Darstellung sind nicht Mnemosynes Töchter verantwortlich, sondern ganz allein ich, Lothar Atzert, dessen Erinnerungsvermögen nicht eben gut ist ...

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Kommentare zu diesem Text

Pocahontas (54)
(26.11.13)
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 LotharAtzert meinte dazu am 27.11.13:
Die Sehnsucht erweckende Erato führte die Hand eines Dichters, als er schrieb:
"Kein Feuer, keine Flamme, kann brennen so heiß,
als heimliche Liebe, von der niemand nichts weiß."

Die Gefahr steckt darin, daß man eine persona vergöttlicht und dann die zwangsläufig folgende Enttäuschung in einer Tragödie endet.
Ein Mensch ist unvollkommen und muß es auch sein dürfen. Unsere Liebe aber macht das Geliebte durchlässig, so daß Göttliches daraus sprechen kann, für den, der's empfängt.
"Durch Verehrung" so sagen die Tibeter " bringt man selbst einen Hundeknochen zum leuchten."

Ganz liebe Grüße an meine einzige Kommentatorin
Lothar
Festil (59)
(12.08.16)
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 LotharAtzert antwortete darauf am 13.08.16:
Ach ja, Sigrun, auch diese Illusion muß ich dir nehmen, Festil - sie hat sich danach von mir abgewand, weil ich in einem Zusammenhang, der längst vergessen ist, einmal "Möse" sagte und Ekkehart kritisierte, den (***-) heiligen Ekkehart.
Aber danke für’s Lesen und ... ich habs auch noch mal gelesen, ja damals war ich noch Feuer und Flamme ...
Gruß
Lothar

 harzgebirgler (28.01.19)
wenn erst mal das gedächtnis weicht
ist kaum der mensch noch mensch vielleicht.

abendgruß
henning

 LotharAtzert schrieb daraufhin am 29.01.19:
Ja, lieber als die Lethe,
ist uns meist Hänsels Grete.
Zusammen mit dem Knusperhaus,
kommt manchmal etwas Süßes raus.

Mittagsdankesgruß
Lothar
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