Lebensart

Beschreibung zum Thema Individualismus

von  tulpenrot

Als Wolken kamen, hast du gejammert, dich versteckt, als Regen fiel, und gesungen, als die Erde dampfte, geschimpft, sobald es hagelte. Du wolltest dich nicht beugen lassen. Den Vögeln gleich sollte dein Leben sein: leicht, beschwingt, beweglich, aber auch zerbrechlich.

Unter dem Regenbogen hast du der Amsel Federn ausgebreitet. Sie kleidete sich damit, trank und badete im Nass. In der Abendsonne vor dem Dunkel der Nacht flötete sie ihr Abschiedslied, bevor sie neben dir her flatterte, als du deinen Weg bergab ins Dorf gingst. Doch du verscheuchtest sie, während du unverhofft wieder hinauf zu den Felsen und Spalten stiegst. Dort verharrtest du stumm im Versteck mit Fledermäusen und Falken, bis ein Sturm dich hinausblies wie ein Gauner den Getriebenen.

Kieselsteine knirschten unter deinen Füßen und sprangen in den Bach. Der Schlaf floh vor dir.

Am Morgen bautest du ein Boot aus Grashalmen, einfach so, und setztest es aufs Wasser. Es trieb neben dir her, als du über Steine stolpertest.

Tag für Tag und Nacht für Nacht bist du vor Kälte zitternd auf der Wanderschaft auf Wegen, die dir nichts bedeuten, zu Zielen, die unterwegs ihren Wert verlieren. Du willst es so.

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (14.04.16)
Diese Lebensart gefällt mir, gern gelesen. LG

 tulpenrot meinte dazu am 14.04.16:
Danke! und LG
Angelika

 niemand (14.04.16)
Den Individualismus gut in ein Bild gepackt, wobei der letzte Absatz von Einsamkeit spricht. Es scheint mir hier übrigens ein Idividualismus um seiner selber Willen zu sein. Eine Trotzigkeit
nur um speziell zu sein? LG Irene

 tulpenrot antwortete darauf am 14.04.16:
So, wie du es beschreibst, kann man das durchaus sehen. Danke für deine Gedanken, deine Interpretation dazu. Und für das Sternchen.
LG
Angelika
Jonathan (59)
(14.04.16)
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 tulpenrot schrieb daraufhin am 14.04.16:
Nicht jeder Mensch lebt sein Leben in geordneten, vorgezeichneten Bahnen. Und manch einer kommt ganz schön ins Stolpern - nicht nur beim Lesen solcher Texte .
Danke aber, dass du dennoch etwas Gutes daran fandest.
LG
Angelika

 Jorge (14.04.16)
Einer der interessantesten Texte aus deiner Feder.
Der Protagonist ist trotzig und besonders.
LG
Jorge

 tulpenrot äußerte darauf am 14.04.16:
Hallo Jorge,
deine Einschätzung freut mich. Danke.
LG
Angelika
ues (34)
(14.04.16)
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 tulpenrot ergänzte dazu am 14.04.16:
Das ist ein feines Lob - freut mich richtig, auch dein Stern. Danke.
LG
Angelika

 TassoTuwas (15.04.16)
Lass Andere sich an die Stirn tippen.
Lebensart wird Lebens-Art, wenn du was daraus machst.
Liebe Grüße
TT

 tulpenrot meinte dazu am 15.04.16:
Vielen Dank für diesen Rat. Ich beherzige ihn schon lange, sage ihn aber gerne dem LyrDu weiter. Damit der Schluss-satz ein anderer wird.
Danke auch für die Empfehlung und liebe Grüße
Angelika

 EkkehartMittelberg (15.04.16)
Liebe Tulpi,
man ist versucht, jemanden, der so eigenwillig lebt, als Egomanen zu bezeichnen. Aber man sollte die Passage mit der Amsel nicht überlesen. Ihr hat der "Egomane" etwas gegeben, auch wenn es vermutlich in Schmerz mündete.
Die Metapher vom Sturm als Gauner erschließt sich mir nicht.
LG
Ekki

 tulpenrot meinte dazu am 15.04.16:
Lieber Ekki,
Danke, dass du dir trotz allem ein Sternchen abringen konntest und mir einen Kommentar geschrieben hast.
Ich dachte, man könne die Unerbittlichkeit des Sturmes unterstreichen, wenn man sein Verhalten mit dem eines Gauners vergleicht, der jemanden jagt.
Dieses LyrDu ist schon ein schwer zu durchschauendes Wesen, mehrschichtig, unzumutbar - aber ich wollte einmal einenText darüber machen, eine Zumutung für die Leser. Ich weiß.
LG
Angelika

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.04.16:
Was heißt "trotz allem", Angelika? Der Hinweis auf Egomanie ist ein Teil der Mehrschichtigkeit und nicht negativ gemeint. Der Text gefällt mir sehr gut. Deshalb habe ich ihn empfehlen.
Man kann auch die Metapher vom Sturm als Gauner vertreten.
LG
Ekki

 tulpenrot meinte dazu am 15.04.16:
Ich bin ja auch sehr zufrieden
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