Ottilienblindenheim Zieharmonikar und große Liebe.
Erzählung zum Thema Vergangenheit
von franky
Weißgott wie, hatte jemand in den vergangenen Jahren beim Natzbauern in Laufnitzdorf 26 eine Hausschwalbe dazu bringen können, durch eine fehlende Scheibe in einem Fenster zu fliegen und an einem Mauervorsprung ein kunstvolles Schwalbennest zu bauen. Auf einer Handfläche großem Vorsprung hatte das Schwalbenpaar aus feuchter Erde und Strohhalmen ein stabiles Nest an die Wand gezaubert. Dazu waren so manche Flüge durch das relativ kleine Loch am Fenster notwendig. Die wunderschönen Tiere mit den weißem Gefieder an der Unterseite und als Kontrast die grauschwarzen Federn am Rücken und Schwanz. Wie sie dann abends friedlich im Nest zusammenkuschelten und mit ihren Schnäbeln sich Liebesbezeugungen zuflüsterten.
Ich, mit meinen etwa zwei Jahren, hockte öfter aufs der einen Stufe im zugigen Vorraum und beobachtete das muntere Treiben im Schwalbennest. Der fröhliche Schwalbengesang begleitete mich von März bis September. Als das Schwalbenpaar die Eier ausgebrütet hatte, wurde es besonders lebendig im Schwalbennest. Das Fliegenangebot innerhalb des Vorraumes war gegen null, im Verhältnis eines Kuhstalles wo es vor Fliegen nur so schwärmte. Kam ein Elternteil, mit Futter für die kleinen Schreihälse durch das verhältnismäßig schmale Loch im Fenster angeflogen, rissen die kleinen Schreihälse ihre gelben Schnäbel auf, doch nur einer konnte per Fliege gefüttert werden. Bis am abends kehrte Friede im Kinderzimmer des Schwalbenpaares ein, wenn alle hungrigen Mäuler gestopft worden sind.
Eines Tages saß Schwiegervater von Mama auf einer Stufe unter dem Schwalbennest, mit seinem aufgezwirbelten Schnurbart gab er ein uriges Bild ab. Aber was er da in Händen hielt faszinierte mich noch viel, viel mehr. Eine Steirische Zieharmonikar, in den buntesten Farben und mit glänzenden silbernen Beschlägen. Mit beiden Händen drückte er links und rechts Knöpfe, so rasch dass meine Kinderaugen gar nicht folgen konnten. Die klaren Töne brachten meine feinsten Hörnerven in Schwingung. Die Musik war wie eine große Befreiung für meine Seele. Ich stand da mit offenem Mund und sog alles in mich hinein, wie ein Standbild, welches ich später immer wieder abrufen konnte.
In diesen Moment hatte es in meinem Kopf Klick gemacht, und war wohl für meine weitere Zukunft ausschlaggebend.
Neun Jahre später zu Weihnachten Siebenundvierzig, bekam ich zu Weihnacht eine Steirische Zieharmonikar geschenkt. Mama hatte das Instrument von einer Bekannten aus Rotleiten günstig erwerben können.
In mir stiegen wieder die wunderschönen Gefühle auf, die mir aus jüngster Kinderzeit schon bekannt waren. Eine Zieharmonikar die mir, nur mir allein gehörte. Sie war einfach phantastisch, obwohl von den vorhandenen zwei Reihen nur eine in Takt war. Bei der zweiten Reihe blieben die Knöpfe stecken, da hatte man wahrscheinlich unvorsichtiger Weise klebrige Flüssigkeit über die Knöpfe geleert.
Ich konnte es nicht erwarten, das Instrument umhängen zu dürfen. Wahrscheinlich stieg mein Puls unendlich nach oben! Mit zittrigen Fingern drückte ich die ersten Knöpfe.
Nur planlos herumdrücken befriedigte mich nicht. „Ein Lied muss ich mir gleich einstudieren!
“ Den Schneewalzer versuchte ich den ganzen lieben Tag in mein elfjähriges Hirn zu bekommen, was mir bis am Abend auch gelang. Am Abend, wo meine Familie schon die Ohren zuhielten, weil ich nicht und nicht aufhörte zu Üben, durfte ich verkünden: „Jetzt kann ich den Schneewalzer fehlerlos spielen!“ Meine Seele lachte vor Stolz. Sogar die richtigen Bassknöpfe stellten kein Problem dar. Mein Herz hopste Purzelbäume vor lauter Freude.
Die folgende Nacht war an Schlafen nicht zu denken. Mein geliebtes Instrument stand nahe, am Bett, so dass ich es immer wieder streicheln und befühlen konnte.
Gegen morgen schlief ich dann doch ein, mit wildem Sammelsurium an Träumen von Fingern die passende Töne und Knöpfe suchten.
Als ich am nächsten Morgen von meiner größeren Schwester Franziska geweckt wurde, Zwölf Jahre, Ovales hübsches Gesicht, Herzmund, braunes Haar in zwei Zöpfen geflochten, aus dem Gesicht zwei lustige rehbraune Augen strahlten, war mein erster Griff zur Zieharmonikar und dem Schneewalzer. „Tatsächlich! Es funktionierte noch!“ Sehr erfreut darüber schlüpfte ich in meine Prothese und Kleider. Mein Bett stand in der Küche. Vom Kochherd ging ständig Wärme aus, Bis nächsten morgen war es trotzdem schon wieder ziemlich kalt. Doch Mama stand schon mit Kleinholz am Herd parat, ein Feuer für den Frühstückskaffee zu machen. Mein zweijähriger Bruder schrie aus Leibeskräften, um seine Vorrangsstellung zu behaupten. Er wurde von den größeren Geschwistern zur Beruhigung herumgetragen. Mama reicht dann Schwester Poldi das fertige Fläschchen, Poldi vierzehn Jahre, ihre hellbraunen Haare auch zu zwei Zöpfen geflochten, in dem Ovalem Gesicht, sinnliche Lippen und hellbraunen Augen, schob Georg den Schnuller in den mund, dann wurde es angenehm ruhig im Raum.
Klein Schwester Resi, einundvierzig geboren, mit Pagenschnitt und etwas leidenden Gesichtszügen, permanent entzündete Bronchien, deshalb ständig leicht hüstelnd, saß mit ihrer ein Jahre älteren Schwester, mit Puppengesicht, leichter Stupsnase und verträumten Blick, unheimlich langen Wimpern, die ihr des Öfteren, als ein langes Wimpernhaar unter das Augenlied drang, nur schmerzhaft wieder mit heftiger Gegenwehr von klein Trude entfernt werden konnte. Trudes Haare waren auch zu zwei Zöpfen geflochten mit zwei Maschen abgeschlossen. Die Beiden saßen an ihrem Doppeltischchen, welches Papa ihnen zu Weihnachten gebastelt hatte, um andächtig ihre Fläschchen zu trinken.
Jeden morgen gab es ein wildes Geschrei, wenn Mama einer um die anderen die Zöpfe flocht. Mama ging nicht gerade zimperlich mit den Haaren der Geschwister um.
Das Schwalbenpaar im oberen Stock gab es nicht mehr, seid Papa das Loch mit einer neuen Fensterscheibe verschlossen hatte. Im Winter war das alte Haus sehr schwer zu beheizen, so wurden sämtliche Schlupflöcher dicht gemacht.
Wieder im Ottilienheim eingezogen, ging in mir eine unheimliche Wandlung vor sich.
Vor dem Einschlafen dachte ich traurig an meine Geschwister in Laufnitzdorf zurück. Doch dann schob sich plötzlich mit einem großen, hellen Licht der Name „Luzia“ über meine Seele. Ich hörte ihre Stimme und die Traurigkeit war wie weggewischt. Durch meinen Körper floss ein unbeschreiblich wohliges Gefühl, mich trug es wie auf Wolken durch eine helle Zukunft. Es war die totale, wahrhafte Liebe.
In den nächsten Tagen mied ich meine Spielkameraden, mir schien das Spielen totaler Unsinn. Ich hatte das Gefühl, als wäre ich plötzlich um einige Jahre älter geworden.
Schwester Kolianna fragte mich besorgt: „Franzi was hast du? Bist du krank? Warum spielst du nicht mehr mit deinen Klassenkameraden?“ Ich aber stand mit verschlossener Miene vor
Kolianna und konnte und durfte nichts von mir preisgeben. Der Appetit ging mir gänzlich verloren, so dass Augen und Wangen mehr und mehr eingefallen sind. Auch die Passform meiner Prothese leidete durch den massiven Gewichtsverlust.
Meine unbändige Zuneigung zu Luzia wirkte wie eine starke Droge, die sich in mein Gehirn festgesetzt hatte. Nur ihre Stimme, wenn Luzia durch den Gang der Knabenabteilung ging, wirkte auf mich schon wie ein Magnet. Meine Schritte wurden automatisch schneller und mein Puls steigerte seine Frequenz. Alles war schön, wunderbar, wenn Luzia in der Nähe war. In der Nacht raubte sie mir den Schlaf. Wie mächtiges Fieber zog sie mich immer mehr in ihren Bann.
Luzia hatte davon nicht die geringste Ahnung, was sie für überirdische Kräfte in mir auslösen konnte. Die klare Stimme und deutliche Aussprache machte auch Eindruck auf andere Mitschüler.
Bei der Messe am morgen in der Kapelle, wartete ich sehnsuchtsvoll in den Gebetspausen auf ein Hüsteln von Luzia, was ich sofort mit eigenem Räuspern erwidern musste. Für mich galt das wie eine akustische Zeichensprache. Die Tatsache, dass dies nur einseitig ablief, schien mir überhaupt nichts auszumachen.
Nachts in den schlaflosen Stunden begann ich meinen Körper zu erforschen. Meine kindliche Männlichkeit stellte sich unweigerlich ein. Meine Schamhaare zeigten sich in einzelnen dünnen Fäden. Von tag zu tag mehr, wurde die Schambeingegend mit einer flaumigen Wiese überzogen. Das bisher noch kleine unscheinbare (Bimberl) wuchs zu einem großen Ding heran. Diese Veränderung musste ich peinlichst vor Schwester Kolianna geheim halten.
Schulkollege Engelbert Hojas fünfunddreißig geboren in Köflach Weststeiermark, Spielte auf einer wunderbar klingenden dreireihigen steirischen Zieharmonikar und ich mit meiner habseligen defekten Zweireihigen, konnte da nicht gut mithalten. Ein Paar einfachere Stücke konnte mir Engelbert aber trotzdem beibringen. Das Zieharmonikarspielen machte mir in dieser Zeit mehr spaß als das trockene Klavier-Etüdenklimpern.
Im laufe der Sommerferien jammerte ich Mama die Ohren voll wegen einer Dreireihigen steirischen Zieharmonikar. Ich hatte tatsächlich Glück und Mama fuhr mit mir nach Graz, um beim Instrumentenbauer Stachel eine dreireihige Zieharmonikar für mich zu kaufen. Da es eine Gebrauchte so gut wie nie zu kaufen gab, entschlossen wir uns „Mama und ich“, eine neue vom Instrumentenbauer Stachel auf Ratenzahlung anzuschaffen.
Mit dieser neuen Zieharmonikar konnte ich alle Stücke die ich von Engelbert gelernt habe, großartig umsetzen.
In Laufnitzdorf auf der Bank, neben der Straße gab ich mein erstes Konzert, die Leute applaudierten und kamen mit mir ins Gespräch. Musste Fragen über das Ottilien Blindenheim beantworten, doch über Luzia verriet ich kein Sterbens Wörtchen, das blieb mein wunderbares, großes Geheimnis. .
Ich, mit meinen etwa zwei Jahren, hockte öfter aufs der einen Stufe im zugigen Vorraum und beobachtete das muntere Treiben im Schwalbennest. Der fröhliche Schwalbengesang begleitete mich von März bis September. Als das Schwalbenpaar die Eier ausgebrütet hatte, wurde es besonders lebendig im Schwalbennest. Das Fliegenangebot innerhalb des Vorraumes war gegen null, im Verhältnis eines Kuhstalles wo es vor Fliegen nur so schwärmte. Kam ein Elternteil, mit Futter für die kleinen Schreihälse durch das verhältnismäßig schmale Loch im Fenster angeflogen, rissen die kleinen Schreihälse ihre gelben Schnäbel auf, doch nur einer konnte per Fliege gefüttert werden. Bis am abends kehrte Friede im Kinderzimmer des Schwalbenpaares ein, wenn alle hungrigen Mäuler gestopft worden sind.
Eines Tages saß Schwiegervater von Mama auf einer Stufe unter dem Schwalbennest, mit seinem aufgezwirbelten Schnurbart gab er ein uriges Bild ab. Aber was er da in Händen hielt faszinierte mich noch viel, viel mehr. Eine Steirische Zieharmonikar, in den buntesten Farben und mit glänzenden silbernen Beschlägen. Mit beiden Händen drückte er links und rechts Knöpfe, so rasch dass meine Kinderaugen gar nicht folgen konnten. Die klaren Töne brachten meine feinsten Hörnerven in Schwingung. Die Musik war wie eine große Befreiung für meine Seele. Ich stand da mit offenem Mund und sog alles in mich hinein, wie ein Standbild, welches ich später immer wieder abrufen konnte.
In diesen Moment hatte es in meinem Kopf Klick gemacht, und war wohl für meine weitere Zukunft ausschlaggebend.
Neun Jahre später zu Weihnachten Siebenundvierzig, bekam ich zu Weihnacht eine Steirische Zieharmonikar geschenkt. Mama hatte das Instrument von einer Bekannten aus Rotleiten günstig erwerben können.
In mir stiegen wieder die wunderschönen Gefühle auf, die mir aus jüngster Kinderzeit schon bekannt waren. Eine Zieharmonikar die mir, nur mir allein gehörte. Sie war einfach phantastisch, obwohl von den vorhandenen zwei Reihen nur eine in Takt war. Bei der zweiten Reihe blieben die Knöpfe stecken, da hatte man wahrscheinlich unvorsichtiger Weise klebrige Flüssigkeit über die Knöpfe geleert.
Ich konnte es nicht erwarten, das Instrument umhängen zu dürfen. Wahrscheinlich stieg mein Puls unendlich nach oben! Mit zittrigen Fingern drückte ich die ersten Knöpfe.
Nur planlos herumdrücken befriedigte mich nicht. „Ein Lied muss ich mir gleich einstudieren!
“ Den Schneewalzer versuchte ich den ganzen lieben Tag in mein elfjähriges Hirn zu bekommen, was mir bis am Abend auch gelang. Am Abend, wo meine Familie schon die Ohren zuhielten, weil ich nicht und nicht aufhörte zu Üben, durfte ich verkünden: „Jetzt kann ich den Schneewalzer fehlerlos spielen!“ Meine Seele lachte vor Stolz. Sogar die richtigen Bassknöpfe stellten kein Problem dar. Mein Herz hopste Purzelbäume vor lauter Freude.
Die folgende Nacht war an Schlafen nicht zu denken. Mein geliebtes Instrument stand nahe, am Bett, so dass ich es immer wieder streicheln und befühlen konnte.
Gegen morgen schlief ich dann doch ein, mit wildem Sammelsurium an Träumen von Fingern die passende Töne und Knöpfe suchten.
Als ich am nächsten Morgen von meiner größeren Schwester Franziska geweckt wurde, Zwölf Jahre, Ovales hübsches Gesicht, Herzmund, braunes Haar in zwei Zöpfen geflochten, aus dem Gesicht zwei lustige rehbraune Augen strahlten, war mein erster Griff zur Zieharmonikar und dem Schneewalzer. „Tatsächlich! Es funktionierte noch!“ Sehr erfreut darüber schlüpfte ich in meine Prothese und Kleider. Mein Bett stand in der Küche. Vom Kochherd ging ständig Wärme aus, Bis nächsten morgen war es trotzdem schon wieder ziemlich kalt. Doch Mama stand schon mit Kleinholz am Herd parat, ein Feuer für den Frühstückskaffee zu machen. Mein zweijähriger Bruder schrie aus Leibeskräften, um seine Vorrangsstellung zu behaupten. Er wurde von den größeren Geschwistern zur Beruhigung herumgetragen. Mama reicht dann Schwester Poldi das fertige Fläschchen, Poldi vierzehn Jahre, ihre hellbraunen Haare auch zu zwei Zöpfen geflochten, in dem Ovalem Gesicht, sinnliche Lippen und hellbraunen Augen, schob Georg den Schnuller in den mund, dann wurde es angenehm ruhig im Raum.
Klein Schwester Resi, einundvierzig geboren, mit Pagenschnitt und etwas leidenden Gesichtszügen, permanent entzündete Bronchien, deshalb ständig leicht hüstelnd, saß mit ihrer ein Jahre älteren Schwester, mit Puppengesicht, leichter Stupsnase und verträumten Blick, unheimlich langen Wimpern, die ihr des Öfteren, als ein langes Wimpernhaar unter das Augenlied drang, nur schmerzhaft wieder mit heftiger Gegenwehr von klein Trude entfernt werden konnte. Trudes Haare waren auch zu zwei Zöpfen geflochten mit zwei Maschen abgeschlossen. Die Beiden saßen an ihrem Doppeltischchen, welches Papa ihnen zu Weihnachten gebastelt hatte, um andächtig ihre Fläschchen zu trinken.
Jeden morgen gab es ein wildes Geschrei, wenn Mama einer um die anderen die Zöpfe flocht. Mama ging nicht gerade zimperlich mit den Haaren der Geschwister um.
Das Schwalbenpaar im oberen Stock gab es nicht mehr, seid Papa das Loch mit einer neuen Fensterscheibe verschlossen hatte. Im Winter war das alte Haus sehr schwer zu beheizen, so wurden sämtliche Schlupflöcher dicht gemacht.
Wieder im Ottilienheim eingezogen, ging in mir eine unheimliche Wandlung vor sich.
Vor dem Einschlafen dachte ich traurig an meine Geschwister in Laufnitzdorf zurück. Doch dann schob sich plötzlich mit einem großen, hellen Licht der Name „Luzia“ über meine Seele. Ich hörte ihre Stimme und die Traurigkeit war wie weggewischt. Durch meinen Körper floss ein unbeschreiblich wohliges Gefühl, mich trug es wie auf Wolken durch eine helle Zukunft. Es war die totale, wahrhafte Liebe.
In den nächsten Tagen mied ich meine Spielkameraden, mir schien das Spielen totaler Unsinn. Ich hatte das Gefühl, als wäre ich plötzlich um einige Jahre älter geworden.
Schwester Kolianna fragte mich besorgt: „Franzi was hast du? Bist du krank? Warum spielst du nicht mehr mit deinen Klassenkameraden?“ Ich aber stand mit verschlossener Miene vor
Kolianna und konnte und durfte nichts von mir preisgeben. Der Appetit ging mir gänzlich verloren, so dass Augen und Wangen mehr und mehr eingefallen sind. Auch die Passform meiner Prothese leidete durch den massiven Gewichtsverlust.
Meine unbändige Zuneigung zu Luzia wirkte wie eine starke Droge, die sich in mein Gehirn festgesetzt hatte. Nur ihre Stimme, wenn Luzia durch den Gang der Knabenabteilung ging, wirkte auf mich schon wie ein Magnet. Meine Schritte wurden automatisch schneller und mein Puls steigerte seine Frequenz. Alles war schön, wunderbar, wenn Luzia in der Nähe war. In der Nacht raubte sie mir den Schlaf. Wie mächtiges Fieber zog sie mich immer mehr in ihren Bann.
Luzia hatte davon nicht die geringste Ahnung, was sie für überirdische Kräfte in mir auslösen konnte. Die klare Stimme und deutliche Aussprache machte auch Eindruck auf andere Mitschüler.
Bei der Messe am morgen in der Kapelle, wartete ich sehnsuchtsvoll in den Gebetspausen auf ein Hüsteln von Luzia, was ich sofort mit eigenem Räuspern erwidern musste. Für mich galt das wie eine akustische Zeichensprache. Die Tatsache, dass dies nur einseitig ablief, schien mir überhaupt nichts auszumachen.
Nachts in den schlaflosen Stunden begann ich meinen Körper zu erforschen. Meine kindliche Männlichkeit stellte sich unweigerlich ein. Meine Schamhaare zeigten sich in einzelnen dünnen Fäden. Von tag zu tag mehr, wurde die Schambeingegend mit einer flaumigen Wiese überzogen. Das bisher noch kleine unscheinbare (Bimberl) wuchs zu einem großen Ding heran. Diese Veränderung musste ich peinlichst vor Schwester Kolianna geheim halten.
Schulkollege Engelbert Hojas fünfunddreißig geboren in Köflach Weststeiermark, Spielte auf einer wunderbar klingenden dreireihigen steirischen Zieharmonikar und ich mit meiner habseligen defekten Zweireihigen, konnte da nicht gut mithalten. Ein Paar einfachere Stücke konnte mir Engelbert aber trotzdem beibringen. Das Zieharmonikarspielen machte mir in dieser Zeit mehr spaß als das trockene Klavier-Etüdenklimpern.
Im laufe der Sommerferien jammerte ich Mama die Ohren voll wegen einer Dreireihigen steirischen Zieharmonikar. Ich hatte tatsächlich Glück und Mama fuhr mit mir nach Graz, um beim Instrumentenbauer Stachel eine dreireihige Zieharmonikar für mich zu kaufen. Da es eine Gebrauchte so gut wie nie zu kaufen gab, entschlossen wir uns „Mama und ich“, eine neue vom Instrumentenbauer Stachel auf Ratenzahlung anzuschaffen.
Mit dieser neuen Zieharmonikar konnte ich alle Stücke die ich von Engelbert gelernt habe, großartig umsetzen.
In Laufnitzdorf auf der Bank, neben der Straße gab ich mein erstes Konzert, die Leute applaudierten und kamen mit mir ins Gespräch. Musste Fragen über das Ottilien Blindenheim beantworten, doch über Luzia verriet ich kein Sterbens Wörtchen, das blieb mein wunderbares, großes Geheimnis. .