Mein Danebenjob I: Erste Erfahrungen als Putz- und Küchenhilfe

Text zum Thema Erwachsen werden

von  unangepasste

In der elften Klasse mussten wir uns einen Praktikumsplatz suchen. Warum ich keine Bewerbungen abschickte, lässt sich wohl kaum mit einem Satz beantworten; allerdings wurde mir auch keine Unterstützung zuteil. Ich hatte mich noch nie zuvor mit dem Thema befasst, und auch in der Schule wurde nicht darüber gesprochen. Es handelte sich um vorausgesetztes Wissen.
Damals wusste ich nicht, was ich wollte. Allerdings fehlte mir nicht nur diese Klarheit, die einige andere Schüler bereits besaßen; vielmehr fühlte ich mich überfordert und allein.
Bei den meisten meiner Mitschüler nutzten die Eltern gewisse Kontakte, die sie besaßen. Da ich jedoch auf mich gestellt war, hatte ich am Schluss keine Zusage – als einzige. So wurde ich für drei Wochen als Küchen- und Putzhilfe in der Schule eingesetzt.

Warum ich mich so wenig kannte? Vielleicht wirkte sich auch hier das Elternhaus aus, eine von Verboten und festen Vorstellungen geprägte Umgebung, die häufig in Diskrepanz zur Außenwelt stand. Der Impuls des Eigenen war nur innerhalb eines engen Rahmens nicht mit Problemen behaftet.
Schon früh hatte ich Schwierigkeiten, Wünsche zu äußern, selbst dann, wenn sie nicht auf Widerstand stießen. Ich hatte es nicht gelernt, für etwas einzustehen, weil ich Angst hatte, wie meine Umwelt darauf reagierte. Lange Zeit wurde für mich entschieden, mal subtiler, mal in aller Klarheit. Und ich spielte mit; ich wollte ja schließlich gefallen. Erst als Jugendliche kehrte sich dieses Verhalten um, und zwar abrupt in eine bloße Verneinung.
Wahrscheinlich macht mir der Tod deshalb am meisten Angst von allem, dem wir ausgeliefert sind: Weil mir dann vielleicht das, was ich mein Leben lang erkämpft habe, auf einen Schlag weggenommen wird, nämlich ich selbst. Dieses Selbst war damals erst dabei, sich mir zu zeigen. Meinen Beruf im Voraus festzulegen, über vierzig Jahre oder mehr zu entscheiden, diese Erwartung war mir fremd und unheimlich.

Aber zurück zum Thema: Die Schulküche wurde von einer älteren Dame geleitet, die uns auch Kochunterricht gab. Eine ihrer Spezialitäten nannten wir Kompostsuppe. Dabei wurden alle Zutaten mit Schale in einen Topf geworfen. Ich weigerte mich, davon zu probieren.
Meist wurde ich jedoch von Eltern angeleitet, die ehrenamtlich halfen. Sie hatten oft sehr eigene Vorstellungen davon, wie ein Handgriff auszuführen war. Diese Vorstellungen wichen von Person zu Person voneinander ab, sodass ich mich stets von neuem anpassen musste. Schließlich bestand die Belegschaft überwiegend aus schwäbischen Hausfrauen, die einen unerschütterlichen Glauben an die Richtigkeit eigener Gewohnheiten hatten. Ob Kräuter mit dem Wiegemesser oder mit einem Obstmesser zu zerkleinern waren, war entscheidend und durfte auf keinen Fall als Anweisung missachtet werden.
Mich schüttelte es, wenn ganze Ölflaschen in die Nudeltöpfe flossen, sodass ich, eine wählerische Jugendliche, in der Regel mein eigenes Essen vorzog.

Am Nachmittag musste ich putzen. Da die Schule mit der dafür zuständigen Firma unzufrieden war, wurde sie kurzerhand entlassen, und Schüler ab fünfzehn Jahren übernahmen  die Arbeit für einen Stundenlohn. Manchmal meldete ich mich für Ferienaktionen und durfte zusammen mit meiner Schwester Klassenzimmer wachsen und bohnern. Auch hier bestand die Aufsicht aus Eltern.
Während des Praktikums wurde ich im Gegensatz zu den anderen Schülern, mit denen ich lange Flure reinigte, freilich nicht bezahlt. Die letzte Stunde war für mich am meisten ermüdend. In der Regel lief ich dann mit Eimer und Wischgerät durch die Werkräume und bemühte mich, auch ja keine Anweisung zu missachten. Schließlich war es genauso entscheidend, in welche Richtung ich wischte, wie die Wahl des Messers für die Kräuter. Auch hier musste man sich auf die jeweilige Aufsichtsperson einstellen, denn nicht jede schwäbische Hausfrau war gleich. Sie alle hatten jedoch Recht, jedenfalls für die Zeit bis zum Feierabend.

Eins wusste ich nach diesem Praktikum: Küchenhilfe oder Putzfrau wollte ich nicht werden.

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Kommentare zu diesem Text

Dieter Wal (58)
(25.03.18)
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 unangepasste meinte dazu am 25.03.18:
Danke!

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 26.03.18:
Liebe Unangepasste, ich gehöre noch zu einer Generation, die kein Praktikum absolvieren musste. Wären wir aber aufgefordert worden, uns einen Praktikumsplatz zu suchen, hätten wahrscheinlich einige meiner Klassenkameraden und ich mit unserer Unselbständigkeit ähnliche Erfahrungen gemacht wie du.
Ich erkenne mich als Jugendlicher in dem Text wieder.
LG
Ekki

 unangepasste schrieb daraufhin am 26.03.18:
Danke für deine aufmunternden Worte. Ich glaube, in meiner Klasse gab es auch noch mehr Unselbständige. Allerdings haben sich bei den meisten die Eltern offenbar ziemlich ins Zeug gelegt. Daher fiel es am Ende nicht auf.

 AZU20 (26.03.18)
Gut, dass wir früher keine Praktika absolvieren mussten. LG

 Dieter_Rotmund äußerte darauf am 26.03.18:
Schade, dass wir früher keine Praktika absolvieren mussten. LG

 unangepasste ergänzte dazu am 26.03.18:
Beides hat seine Vor- und Nachteile. Auf jeden Fall sollten Schüler besser dabei unterstützt werden. Dabei gehört "Bewerbung schreiben" und "Stellenrecherche" oder noch allgemeiner "Wie gehe ich vor?" meiner Meinung nach auch zum Unterricht, wenn erwartet wird, dass sich ein 16-Jähriger selbständig um einen Praktikumsplatz bemüht.

 Dieter_Rotmund (26.03.18)
Interessnat und potentiell spannnend ist auch diese Stelle, an der Du die Ich-Erzählerin berichten läßt:

Vielleicht wirkte sich auch hier das Elternhaus aus, eine von Verboten und festen Vorstellungen geprägte Umgebung, die häufig in Diskrepanz zur Außenwelt stand.

Das könnte gern etwas ausführlicher sein, z.B. könnte man die Eltern als konservative Evangelikale gestalten.

 unangepasste meinte dazu am 26.03.18:
Danke. Ja, das wäre möglich. Nur ob das nicht zu weit abschweift? Mal schauen. Ich denke, es kommt auch mindestens noch eine weitere Folge (für die ich schon eine Idee habe).
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