Kaltes Buffet

Gedicht zum Thema Annäherung

von  Isaban

Im Acker hinterm Straßengraben befinden sich fast zwanzig Raben
im Trauerfrack. Sie beten leise. Auf der Straße vor dem Graben
sieht man einen platten Raben neben einer toten Meise.
Auch diese beiden sind sehr leise. Das Meislein ist schon lange kalt,
der Rabe starb auf dem Asphalt, als er die Meise küssen wollte,
und ein VW ihn überrollte. Jetzt trauern beinah zwanzig Raben
im Acker hinterm Straßengraben. Wenn sie genug getrauert haben,
dann wird der Trauertrupp der Raben die Toten mundgerecht begraben,
sofern so fern vom Straßengraben kein blitzeschneller Flitzewagen
den Trauertrupp erwischt.

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Kommentare zu diesem Text


 tigujo (03.03.19)
Eindeutig ein Fall von automotive harassement ;)

Tolle Idee, das gut Gereimte in der äußeren Form a la kurzer Zeitungsartikel, Rubrik Lokales, darzulegen.

Statt "gebetet" gefiele mir "betrauert" besser - dass Raben beten wollen mir gar nicht munden, besonders, wenn ein kulinarisches apres mort noch anzustehen scheint.

Lieben Gruß tigujo

Kommentar geändert am 03.03.2019 um 02:03 Uhr

 Isaban meinte dazu am 03.03.19:
Sie sehen in ihren Fracks mit den gen Boden gesenkten Köpfen immer so aus, als würden sie beieinander stehen und beten, wenn man sie auf den Wiesen sieht, findest du nicht?

Zum "betrauert": Gekauft. Minimal abgewandelt. :D

Vielen Dank, tigujo.

Allerliebste Sonntagsgrüße zurück
Isaban

Antwort geändert am 03.03.2019 um 13:39 Uhr

 monalisa (03.03.19)
Ein rabenschwarzer Text, liebe Sabine,
der sich der Heiligen Kuh Automobil auf ganz ungewöhnliche Art nähert. Im Ton lakonisch-humorig berichtest du über zwei Todesfälle, die entsprechend betrauert werden. Ich will gar nicht sagen, dass diese Trauer nicht tief und echt ist, aber es folgen keine Konsequenzen daraus. Der Traueranlass wird ‘mundgerecht begraben‘, die Raben gehen zur gewohnten Tagesordnung über, auch wenn sie sich im Straßenverkehr scharenweise gefährden. Die Langverse, die sich als aufgedoppelte Vierheber entpuppen und über ‘Mittelreime‘ verfügen, machen die Rabenschar im Feld optisch sichtbar und geben der Geschichte ein rasantes Tempo vor. Die vielen Wiederholung tragen ebenfalls dazu bei machen die Gebetslitanei der Rabenschar auch hörbar.
Es fällt nicht schwer die Bilder auf den Menschen zu übertragen und in dem Text eine moderne Fabel zu sehen. Ein mulmiges Gefühl bleibt, wird wahrscheinlich auch schon bald mundgerecht zerhackt und runtergeschluckt. Es ist angerichtet, Tag für Tag, und jede/r hofft, dass es ihn/sie und ihre Liebsten nicht trifft.

Liebe Grüße
mona

 Reliwette antwortete darauf am 03.03.19:
Du hast Isabans Text (Silbenfee) aber mundgerecht in seine Einzelteile zerlegt und darüber hinaus auch noch interpretiert! Aus den zehn Zeilen hast Du achtzehn gemacht. Das schafft eigentlich nur die Presse! Liebe Grüße !

 Isaban schrieb daraufhin am 03.03.19:
Hallo zusammen!

@ Reliwette:

Hallo Meermann,
nee, die Presse schafft das nicht, auf jeden Fall nicht derart gekonnt. Blubbern kann jeder. Monas Kommis und ganz besonders die Interpretationen aber sind rares und höchst wertvolles Gut, Hartmut. Glücklich der, der so etwas ergattern kann! Heute habe ich das Glück, ein Sonntagsgeschenk!

Liebe Grüße,
Sabine

@ mona:

Hallo mona!

Hach, deine Rückmeldung war mir - wie immer - eine Wonne und deine Interpretation das Sahnestück dabei.
Und sind wir nicht alle aufs Kindlichste naiv, dass wir glauben, uns wird es schon nicht erwischen, obwohl wir grade erst lauthals betend die Leichen von der Straße gekratzt haben?

Ja, diese blitzeschnellen Flitzewagen, ob politisch, gesundheitlich, emotional oder finanziell - irgendwie erwischen sie uns immer und wir müssen schauen, dass wir nicht ganz und gar unter die Räder geraten.

Herzlichen Dank für deine Beschäftigung mit meinem Text.

Liebe Grüße
Sabine

 AZU20 (03.03.19)
Fein gedichtet. So verlieren wir unsere gefiederten Freunde. LG

 Isaban äußerte darauf am 03.03.19:
Und sie sich.
Danke für die Rückmeldung, Armin. LG
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