Unterhaltung in Zeiten der Krise. Mit Dieter Rotmund.

Glosse

von  Willibald


Einblick


TV: Eine historische Chance verpasst
von Dieter_Rotmund

Business-as-usual kennzeichnete und kennzeichnet immer noch das bundesdeutsche Fernsehprogramm. Und zwar in einer Zeit, in der sich viele potentielle Zuschauer zuhause aufhalten, also mehr oder weniger direkt vor dem Fernseher. Von gelegentlichen Einblendungen menschelnder Hashtags auf dem Bildschirm abgesehen, hat sich nichts geändert. Programmschema wurden beibehalten, zufällig zur dieser Zeit fast unbemerkt die letzte "Lindenstraße"-Folge gesendet. Und daß, obwohl es eine riesige Gelegenheit gewesen wäre, Zuschauer zu begeistern und die fürs Fernsehen zu gewinnen: Angebote von Serien-Binge-Watching, passenden Kinofilmen (Contagion auf DVD wird derzeit nicht unter 130 Euro gehandelt) oder anderen, den Umständen entsprechenden Unterhaltungsformaten: Fehlanzeige. Man könnte auch sagen, eine "historische Chance" ist verpasst. Denn auch das Internet versagt, was den Unterhaltungssektor betrifft: Wie mir eine erfahrene Letsplay-Guckerin verriert, können die Letsplayer nicht an sich halten und plapperten wild über ihre gähnend langweiligen persönlichen Erfahrungen mit den Einschränkungen. Das ist schlichtweg unprofessionell. Sie hat daher das Letsplay-Schauen vorerst aufgegeben. Das Internet hat ebenfalls versagt, was die Versorgung mit seriösen Nachrichten betrifft. Nicht, daß es dort keine gäbe, aber das Fernsehen schneidet hierbei deutlich besser ab. Selbst bei den üblichen, hastig zusammengeschrattelten TV-Dokus merkt man, daß eine gewisse Grundsorgfalt vorherrscht und auch journalistische Distanz besteht. Etwas, was den halb-jugendlichen Dampfplauderern (Axelschweiss, Tanzverbot, Drachenlob) in ihren dunklen Kellerlöchern völlig abgeht. Die fühlen sich jetzt im Vorteil, weil sie die persönliche Selbstisolation schon jahrelang praktizieren. Es gibt tatsächlich sog. "Gamer" (eine Art Berufsbezeichnung für vergessene HartzIVer), die meinen auf eine Dystopie besser vorbereitet zu sein, weil sie das schon tausendfach in irgendwelchen Computerspielen nachgestellt hätten. Was soll man dazu sagen.
Nun ja, zurück zum Thema: Das Fernsehen reagiert äußerst träge und hat nur gepunktet, was die Nachrichtensendungen betrifft. Manche sind zwar etwas oberflächlich, aber Fake News sind Mangelware. Doch irgendwann hat jeder genug, und will einfach nur eine nette Geschichte erzählt bekommen. Warum auch nicht, das gehört zum kulturellen Grundbedürfnis des Menschen. Ich wünsche mir, dass die Free-TV-Macher alle diese Serien, von denen sie nur die erste bis zweite Staffel sendeten, mal zu Ende führen. Gerne auch als Binge.
 Kolumne vom 2. April 2020, 9:52



Ausblick
Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag:

Willibald
Kommentar von Willibald (02.04.2020)

"Business-as-usual",  so setzt Dieter Rotmund  an, um dann forsch fortzufahren: "Business-as-usual kennzeichnete und kennzeichnet immer noch das bundesdeutsche Fernsehprogramm."

Das kennzeichnet seine Filmkolumnen, macht sie unverwechselbar,  sagt man sich als oft peinlich berührter  Leser von D.R.s Filmkolumnen,  dieses  Dieter-Rotmund-as-usual:

Im virtuellen Höhenflug die Adlerperspektive einnehmen, mental  über der Themenlandschaft  mit ausgebreiteten Schwingen kreisen - und real in seinem Laptopzimmer heftig auf die Tasten kloppen: Verbaler Rundumschlag, rasche  Folge von beidhändigen Schwingern,  Bottom up und Top-down. Hossa, Karacho, Bumm, Bumm.

In der Nahperspektive - Worte und Sätze aus  der Tastatur gehämmert,  begleitet von einer  kulturellen Missionsposaune - ist es gut erkennbar,  das vertraute  rotmundsche "Herunterschratteln" fern von Gedankenführung, Stil und Orthographie. Dokument dessen, was D.R. gerne eine "flotte Schreibe" nennt und von Dudenfetischisten mit resigniertem Augenbrauenzucken bedacht wird - hier ein bisschen Pflückgut  aus einem weiten, reichen Finde-Feld:

"Schema" soll ein Plural sein, "zur dieser Zeit" ein Slap, ein Doppelpunktkonvolut bei "und die" kombiniert mit extraordinären Dativen ("passenden Kinofilmen") . - ein  satzüberschreitendes  Rätsel zum Nachsinnen. Ein verirrtes "verriert",  ein Komakomma vor "und" samt einigen Flaschen Bier im Kühlschrank und einer Suchanzeige für "Contagion".

Immerhin, der letzte Absatz sticht angenehm ab, keine grammatikalisch kühnen Handreichungen mehr, was aber nur bedingt ein Kompliment ist.

Inhaltlich nämlich wirkt es  einfach nur unbedacht und widersprüchlich, wenn Dieter Rotmund zum Thema zurückkehrt:
"Nun ja, zurück zum Thema: Das Fernsehen reagiert äußerst träge und hat nur gepunktet, was die Nachrichtensendungen betrifft. Manche sind zwar etwas oberflächlich, aber Fake News sind Mangelware. Doch irgendwann hat jeder genug, und will einfach nur eine nette Geschichte erzählt bekommen."

Kurze Reflexion in zwei Wörtern:
Ach was?
Längere Reflexion:
Warum zum  Teufel sollte man jetzt das Standardprogramm im Unterhaltungssektor verändern?
Ganz andere Unterhaltung?  Für den, der in der jetzigen Krise gängige Unterhaltung,  Ablenkung und Trost sucht?
Was ist daran falsch, vor allem in informativen Sendungen auf die Krise einzugehen?
Wie kann man nur ernsthaft im gleichen Atemzug von  einer wünschenswerten, einfach erzählten Geschichte fabulieren?
Eine Antwort auf solche Wirrnisse?
Hat und weiß der Dieter Rotmund vielleicht auch nicht.

Der Verdacht liegt nahe, Dieter Rotmund will im Abendprogramm sehr gerne "Contagion" sehen. Und hofft auf den Beifall solcher Leser, die dafür keine 130 Rappen beeuren wollen. Ich korrigiere: Er hofft auf den Beifall derer, die dafür keine  130 Euro berappen wollen.

Oder man sollte - so meint er vielleicht - vermehrt Arthousefilme in die Hauptsendezeit setzen.  Nichts nämlich ist heilsamere Medizin als das Träufeln  von klärender Säure in die tageswunden Gemüter der Menschen dieser und anderer Landstriche in Zeiten der Krise.

So long. Am nächsten Donnerstag erschallt wieder das Hifthorn.
Dessen übellauniger, besserwisserischer Ton soll wohl an Thomas Bernhard erinnern.



Nachblick
p.s.

"Contagion" kann man derzeit sehr günstig streamen. Der Berater für diesen Film ist weise und hat sich aktuell geäußert (siehe p.p.s.).

Und der andere alte, aktuelle Katastrophenfilm, der von Petersen, hat eine recht tröstliche Szene, für diejenigen, die den Film vom Sofa aus sehen.
In "Outbreak" meint Rene Russo beim Anblick der Neuinfizierten:
"So viele. So plötzlich."
Und Dustin Hoffman antwortet:
"Wahrscheinlich waren sie alle im Kino."

p.p.s.

Larry Brilliant, 75, ist in den USA einer der bekanntesten Epidemologen, vor allem, weil er in den Siebzigern im Rahmen eines Programms der WHO mitgeholfen hat, die Pocken zu überwinden. 2006 baute er ein Frühwarnsystem für Pandemien auf. Außerdem war er technischer Berater bei Steven Soderberghs Seuchenfilm "Contagion". Der Journalist Steven Levy fragte ihn Anfang April 2020 für das Magazin Wired, ob er Angst vor Corona habe:

"Ich bin in der Altersgruppe, die eine Sterblichkeitsrate von eins zu sieben hat, wenn ich's kriege. Wenn man da nicht besorgt ist, hat man nicht aufgepasst. Aber ich habe keine Angst. Ich glaube fest daran, dass die Schritte, die wir unternehmen, die Zeit verlängern werden, die das Virus braucht, um sich auszubreiten. Das erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, dass wir in einiger Zeit einen Impfstoff oder ein prophylaktisches Anti-Viren-Mittel haben werden, um die Ausbreitung zu unterbinden, zu reduzieren oder abzuschneiden.

Jeder Kundige sollte sich daran erinnern:
Dies ist keine Zombie-Apokalypse, kein Massensterben."





Nachtclick

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (02.04.20)
Hossa, zuviel der Ehre! Wo gab es so etwas schon einmal auf kV, daß die Kommentare zu einem Text schon eine Art Kunst sind und der (Ur-)Text gleichsam höchste Weihen verliehen bekommt? Da können sich die ganzen Herzschmerzblümchendichter gleich abmelden ... Bei 500 ist Schluß ...

P.S.: Andere würden da empört stänkern, das sei "an den Pranger gestellt", aber ich freue mich.

 Willibald meinte dazu am 02.04.20:




p.s.
Lasse mich künftig als "Peter Pranger" titulieren.

Greetse
ww

Antwort geändert am 02.04.2020 um 11:41 Uhr

 Willibald antwortete darauf am 02.04.20:
Aber es ist schon irgendwie schreiend komisch, wenn und dass D.R. z.B. problematische Geviertstriche moniert. Und dann halt immer wieder in eigenen Texten die Trantüte gibt.
Wie auch immer. Die Leseclicks dürften sich um 17 bis 23 % steigern
greetse
ww

 Annabell (02.04.20)
... wie mir eine erfahrene ... Guckerin verriet
bitte koriigieren. Gut beschrieben, beste Grüße von
Annabell

 Dieter_Rotmund schrieb daraufhin am 02.04.20:
Fehler im Originaltext ist schon behoben, dennoch Danke für den Hinweis.

 LottaManguetti (02.04.20)
Ein Sternchen für den Schlüpper.


 Willibald äußerte darauf am 02.04.20:

 AchterZwerg (02.04.20)
Ja, die Männerunterhose, rund um den Bauchansatz drapiert, ist vorzüglich gelungen. - Wegen des Klopapiermangels vermute ich gelb-braune Schlieren darin.
Aber das Fernsehgerät läuft, und so wirds vermutlich doch noch ein gelungener Vormittag. - Wer will, kann sich auch von KaVau bescheren lassen. So wie heute. :)

Grüße aus dem Untergrund
der8.

 Willibald ergänzte dazu am 02.04.20:
Runde Kunde, runder Kunde.
greetse
ww, pp (peter pranger)
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