Mißbraucht

Bericht zum Thema Begegnung

von  Graeculus

Was ich berichte, hat sich vor ziemlich genau 20 Jahren ereignet. Diese Angabe hat für den Inhalt keine größere Bedeutung, außer daß ich damit betonen möchte: so hat es sich ereignet.

Ich saß mit einer 40jährigen Frau in einer Kneipe und hörte mir an, was sie mir über ihr Leben, ihre Pläne und ihre Probleme erzählte. Recht unvermittelt sagte sie mir plötzlich: „Ich bin übrigens als Dreijährige von meinem Vater sexuell mißbraucht worden.“
„Ach!“ Mehr konnte ich in meiner Überraschung nicht sagen.
„Ja“, bestätigte sie, „ich wußte gar nichts mehr davon, ich hatte es völlig verdrängt, aber mein Psychotherapeut hat es in unseren Sitzungen herausgefunden.“
„Dein eigener Vater?“
„Mein eigener Vater. Ich habe natürlich sofort jede Beziehung zu ihm abgebrochen. Und stell dir vor: Auch mein Mann ist von seinem Vater als Dreijähriger mißbraucht worden!“
„Und auch der wußte nichts mehr davon?“ fragte ich.
„Nein, gar nichts. Auch das hat sich erst in der Psychotherapie herausgestellt.“
„Bei demselben Psychotherapeuten?“

Mit großer Selbstverständlichkeit und ohne zu zögern erwiderte die Frau: „Ja, wir waren bei demselben Therapeuten.“

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (04.05.20)
Hallo Graeculus, der Bericht ist für mich sophisticated. Ich bin mir nicht sicher, ob zwei missbraucht wurden oder einer. Ich neige eher dazu, dass es einer war und zwar der Therapeut von der Erzählerin. :)
LG
Ekki

 Graeculus meinte dazu am 04.05.20:
Das ist eine Möglichkeit, an die ich noch gar nicht gedacht habe.
Damals habe ich spontan den Vater bedauert, dessen Familienleben durch eine solch dubiose Geschichte ruiniert worden ist.
Ansonsten bin ich nach dem "cui bono?"-Prinzip verfahren. Doch das ergibt natürlich nur eine Hypothese, in diesem Falle sogar mehrere.
Irgendwer ist da mißbraucht worden.

 Graeculus antwortete darauf am 04.05.20:
Im Grunde, so fällt mir gerade ein, weiß ich nichtmal, ob die Frau das selber geglaubt hat oder ob sie sich nur interessant machen wollte. Um 2000 herum kam das Thema sexueller Mißbrauch in der Kindheit gerade auf, während die bis dahin führende multiple Persönlichkeit aus der Diskussion weitgehend verschwand.
Auch bei der gab es etliche Fälle des Verdachts von Manipulation durch Therapeuten.
Anscheinend hat jede Zeit auch ihre populären Diagnosen.

 Graeculus schrieb daraufhin am 04.05.20:
So wie die Neurasthenie um 1900, von der man heute kaum noch etwas hört.

 ViktorVanHynthersin (04.05.20)
Es bleiben ein paar Fragen offen:
Waren die Beiden vor, während oder nach der Therapie ein Paar?
Was hat den einen/die andere zum Therapeuten gebracht? Warum waren beide beim gleichen Arzt?
In der Regel findet nicht der Therapeut den Missbrauch heraus. Vielmehr kommt die Erinnerung (teilweise) erst nach Jahren durch ein "Schlüsselerlebnis" ans Licht. Die Aufarbeitung der Geschehnisse geschieht dann mit fachlicher Unterstützung.
Ein zum Nachdenken anregender Text.
Herzlichst
Viktor

 Graeculus äußerte darauf am 04.05.20:
Die beiden waren damals schon verheiratet und hatten drei Kinder. Den (gleichen) Therapeuten hatten sie nach Absprache aufgesucht - wegen welcher Probleme, das weiß ich nicht.
Daß sie vorher schon etwas von einem Mißbrauch gewußt oder auch nur geahnt habe, hat die Frau ausdrücklich bestritten.

Falls ein Therapeut standeswidrig einen Mißbrauch suggeriert, kann er natürlich auf das Entgelt für eine lange Therapie hoffen - in diesem Falle sogar für deren zwei.

Eine ganz dubiose Geschichte war das. Darüber kann man wirklich nachdenklich werden, auf eine düstere Weise.

 Terminator (04.05.20)
Mir wollte derselbe Psychotherapeut damals die falsche Erinnerung einpflanzen, mich hätte Sylvester Stallone gespielt.

 Graeculus ergänzte dazu am 04.05.20:
Soso. Um diesen Therapeuten sollte man einen Bogen machen, auch wenn Deine Version witziger klingt.

 LotharAtzert (04.05.20)
Me too. In den frühen Abendstunden des 3. Mai habe ich vor dem Totenrichter Yama (-Pluto) fristgerecht Anzeige gegen Graeculus aus Dobel erstattet, wegen fortwährender geistiger Vergewaltigung.
 "Diese Geisteswirrnis traue ich nichtmal Dir als ernsthafte Meinungsäußerung zu. Das ist Kabarett, nicht wahr? Hier willst Du uns auf den Arm nehmen, Du alter Schäker."
Die Verhandlung findet in Gs. Todesstunde statt. Er hat also Zeit, sein Handeln bis dahin zu überdenken. Auch würden Reue, sowie eine angemessene Entschuldigung bei den Opfern das Urteil sicher mildern.

Von einer Anzeige beim Webmaster sehe ich ab, da dieser parteiisch ist, wie so viele hier.
L.A.

 Regina meinte dazu am 04.05.20:
Da fährst du aber schwere Geschütze auf. Du musst damit leben, dass deine Weltsicht hier eine Minderheitenmeinung ist. Die Meinungshoheit hat der Materialismus, nicht mehr die Kirche. Aber das wird sich unter dem Uranus nach ein paar Katastrophen schon ändern.
Aha (53)
(04.05.20)
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 Graeculus meinte dazu am 04.05.20:
Ich habe nie wieder etwas von diesem Therapeuten gehört ... und bald auch nichts mehr von dieser Frau.
Geblieben ist mir nur eine vorsichtige Einstellung gegenüber Mißbrauchsberichten. Und das ist eigentlich ungut, denn durch solchen Mißbrauch des Mißbrauchs wird den wirklichen Opfern ja ein Teil ihrer Glaubwürdigkeit genommen.
Aha (53) meinte dazu am 04.05.20:
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 Graeculus meinte dazu am 04.05.20:
Stimmt, das spielt in manchen Fällen auch noch eine Rolle.
Ich hatte mich ja kürzlich zu dem Woody-Allen-Fall geäußert.
Damit kann man das Leben eines Menschen zerstören.
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