Kindheit voller Mängel, aber nicht mangelhaft

Beschreibung zum Thema Stärke/Schwäche

von  eiskimo

Meine Jugend? Was hatte ich da für Entbehrungen!

Leute, ich sag´s euch: Entbehrungen.

Telefon nur beim Nachbarn, nicht mal ´n Fernseher.

Leute, ich habe das alles entbehrt!

Kino? Wieso Kino? Es gab den Kindergottesdienst.

Ja, Leute, wir lernten von Anfang an zu entbehren!

Die Familie war heilig. Was allein machen? Da lief nix.

Leute, das Motto hieß: entbehren.

Ich musste ständig helfen, hatte Haushalts-Pflichten.

Was war die Konsequenz? Entbehrungen.

Und Spielen? Ha! Hauptsache, wir waren draußen.

Ein eigenes geheiztes Zimmer? .. haben wir entbehrt.

Lesen? Um neun war das Licht aus, und wehe wenn nicht.

Leute, ich kann´s nur wiederholen: Entbehrung.

Und die Kids heute? Haben die je etwas entbehrt?

Na, klar: Sie haben entbehrt, jemals was zu entbehren.





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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (23.02.22, 10:05)
Ich: Nix Telefon beim Nachbarn, Telefonzelle auffer Straße, 300m weit weg! Hatte Heizung aufm Kinderzimmer, wurde aber trotzdem nicht geheizt, im Winter gab es eine Wärmflasche, das musste reichen! So 'ne Kindersänfte hinter dem Fahrrad der Eltern? Achwas, selber musste man fahren! Und Klamotten von den älteren Geschwister auftragen, jawohl, wer macht denn heute noch solche Entbehrungserfahrungen???

Aber Kino hatte ich....

 eiskimo meinte dazu am 23.02.22 um 12:38:
Sehr stimmige Ergänzungen! Da kommen einem glatt weitere "Traumata" zu Bewusstsein ....
Ein eigenes Fahrrad hatte ich nie. Ich lernte auf einem uralten Herrenrad und strampelte unterhalb des Oberrohrs. Gebadet wurde ein Mal pro Woche, samstags. Um warmes Wasser zu sparen, musste ich mit meinem nächstälteren Bruder in dieselbe Zinkwanne. Die Haare schnitt uns meine Mutter mit der Küchenschere....
IsoldeEhrlich (12)
(23.02.22, 10:56)
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 eiskimo antwortete darauf am 23.02.22 um 12:41:
Deine Eingangsfrage trifft den Punkt. Wir haben das, was möglich war, genossen. Und keiner hat uns eingeredet, dass uns was fehlte - die Peers hatten  ja auch nicht mehr.

 tueichler (23.02.22, 11:29)
Sehr gut beschrieben. Samstag wurde sich am Nachmittag aufs Rad gesetzt und man klapperte die Freunde ab. Bei irgendwem blieb man hängen und alsbald sammelte sich da Hans und Franz. Dann hat man sich was erzählt, Blödsinn gemacht oder den neuesten Tratsch verbreitet. Das war unser Facebook damals. Nix Internet und Mama-Taxi. wer was unternehmen wollte, musste sich kümmern. Dass hat uns auch selbständiger gemacht. Wir liefen jedenfalls nicht Gefahr, mit 15 vor dem geschlossenen Kühlschrank zu verhungern ...

 eiskimo schrieb daraufhin am 23.02.22 um 12:45:
Unser Kühlschrank war die Kellertreppe, und wehe, wir gingen da an den Vorrat der mit Eingemachtem... Was auf den Tisch kam, war abgezählt. Es blieb auch nie etwas übrig. Essbares wegzuwerfen? Undenkbar!

 AZU20 (23.02.22, 12:30)
Insgesamt hast Du ja recht, aber ein wenig übertreibst Du doch, oder? LG

 eiskimo äußerte darauf am 23.02.22 um 12:47:
Stimmt. Das liegt an dem Refrain, denke ich. Dieses Fremdwort "Entbehrung" sollte sich einprägen, und damit der Kontrast zum heutigen Überfluss.
LG

 Graeculus (23.02.22, 15:07)
Entbehrung bedeutet ja wohl: etwas nicht haben, was man (a) kennt und (b) sich zu haben wünscht.
In diesem Sinne haben wir weder das Internet noch ein Smartphone entbehrt. Manches andere, was Du erwähnst, schon. Wenn andere Leute schon einen Fernseher und ein Telephon im Haus hatten, dann hätte man das gerne auch gehabt.

Was die jungen Leute heute in diesem Sine entbehren, ja, da müßte man sich einmal die Frage stellen, oder, noch besser: ihnen.
Daß es da nichts gibt, was sie entbehren, glaube ich nicht. Selbst dann nicht, wenn man - wie Du es wohl tust - den Blick auf Westeuropa beschränkt. Nur drei Stichworte: Kinderarmut, Jugendarbeitslosigkeit, Leben in sozialen Problemvierteln (Banlieu etc.).

 eiskimo ergänzte dazu am 23.02.22 um 18:04:
Ich denke, materiell entbehren die Kids nichts, selbst die weniger besuchten, die vielleicht etwas länger drauf warten  oder mit der billigen Version auskommen müssen. Geborgenheit, ein erfülltes Familienleben, das Gefühl, gebraucht zu werden- da hab ich schon Zweifel.

 monalisa (23.02.22, 16:45)
Hi Eiskimo,
die Kinder heute, denke ich, vermissen ebenfalls manches, dessen sie sich oft nicht einmal bewussst sind, wesentliche Dinge, von denen sie mit perfektem Spielzeug in überquellendem Ausmaß, abgelenkt, abgehalten werden. Z.B. Langeweile als Initialzündung für Kreativität.

Lieb Grüße
mona

 eiskimo meinte dazu am 23.02.22 um 18:07:
Gutes Stichwort, liebe Mona, Langeweile....Nicht schon wieder zum nächsten Highlight hetzen zu müssen. Aber da sind wir Alten auch nicht immer Vorbild...
LG
Eiskimo

 AlmaMarieSchneider (23.02.22, 22:52)
Erinnert mich sehr an meine Kindheit. Dennoch, dort wo nichts ist, setzt die Fantasie und Kreativität ein. So habe ich eigentlich nichts entbehrt. Ein paar passende Schuhe vielleicht.

Liebe Grüße
Alma Marie
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