Nochmal Jacques Brel: Der Gehenkte

Ballade zum Thema Gut und Böse

von  eiskimo

Ich habe es satt

hier zu baumeln

an meinem Galgen,

an meinem Galgen.

Satt habe ich den Sommerwind,

der mich so baumeln lässt,

der mich so baumeln lässt.

Satt hab ich auch die Frau des Tuchhändlers,

wie sie da steht und so tut als hätte sie Mitleid;

da steht und schon nach den Soldaten linst.

Ausgerechnet sie, die mir mal treu gesagt hat:

Ich liebe ihn doch noch zu sehr, meinen Tuchhändler,

zu sehr, dass ich nicht deine Königin sein kann

und du nicht mein König!



Ich habe es satt,

die Raben zu sehen,

die mich belauern,

die mich belauern.

Satt habe ich meine Henker,

wie sie vor sich hindösen,

wie sie vor sich hindösen.

Satt hab ich auch die Frau des Tuchhändlers

wie sie da steht und so tut als ob sie weinte,

da steht, aber schon die Soldaten anlächelt,

ausgerechnet sie, die mir mal gesagt hat:

Ich liebe ihn noch, meinen Tuchhändler

ja, doch; und ich kann schlecht deine Königin sein,

ja, doch; und du schlecht mein König.


Ich habe es satt,

so meine Zunge zu zeigen

meiner armen Mutter,

meiner armen Mutter.

Satt habe ich es,

so meine Zunge zu zeigen

den schwarzen Engeln

von Lucifer,

von Lucifer.

Satt hab ich auch die Frau des Tuchhändlers,

wie sie da steht und so tut als ob sie betete,

da steht und längst die Soldaten bezirzt,

ausgerechnet sie, die mir klar sagte:

Solange es meinen lieben Tuchhändler noch gibt,

kann ich leider nichts tun für uns zwei

nichts tun leider auch nicht für dich.


Ich habe es satt,

den Hals zu verdrehen

nach oben zu den Wolken,

nach oben zu den Wolken.

Satt habe ich es,

den Hals zu verdrehen

nach unten zu ihrem Gesicht,

nach unten zu ihrem Gesicht.

Satt hab ich diese Frau des Tuchhändlers

wie sie da steht und nicht mal mehr so tut als ob

da steht und sich plump den Soldaten anbietet,

ausgrechnet die, die mir zuletzt versprach:

Wenn du ihn erst getötet hast, den Tuchhändler,

dann schenke ich dir den Siebenten Himmel!

Ja, im Siebenten Himmel, da bin ich jetzt.


Ich habe es satt

hier zu baumeln

an meinem Galgen

an meinem Galgen

Soll sie doch verrecken

diese Tuchhändler-Frau


Ich hänge nicht an ihr.

Ich hänge nicht an ihr.

Ich hänge nicht an ihr.

Ich hänge nicht an ihr.





Anmerkung von eiskimo:

Nachdichtung des Brel-Textes "Le Pendu", unveröffentlicht
Quelle: la famille Brel

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (20.07.22, 16:58)
Ungeheuer eindringlich. Eine Welt ohne Gott, in der nur Leidenschaften herrschen, über den Tod hinaus.

LG
Ekki

 eiskimo meinte dazu am 20.07.22 um 18:15:
Ja, makaber und irgendwie fertig mit der Welt...
LG
Eiskimo

 Graeculus (20.07.22, 18:18)
Ich hänge nicht an ihr (sondern am Galgen)!
Makaber. Eindringlich. Es lebe der Gehenkte, es lebe der tote Jacques Brel!

 eiskimo antwortete darauf am 20.07.22 um 18:39:
Ja, der Hintersinn hat was...
Im Original spielt Brel mir "balancer" =  baumeln, hängen, und diesem Schluss-Satz "je m' en balance",  was heißen kann "sei' s drum, egal, ich hake es ab..."

 Hobbes schrieb daraufhin am 20.07.22 um 21:40:
Guten Tag eiskimo,

zu gut um wahr zu sein!

Vielen Dank

Peter Hort
Taina (39)
(20.07.22, 21:52)
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 eiskimo äußerte darauf am 20.07.22 um 22:12:
Was erwartet ein liebestoller Mann?

Antwort geändert am 20.07.2022 um 22:12 Uhr

 Quoth ergänzte dazu am 20.07.22 um 22:19:
Sie müsste eigentlich wegen Anstiftung zum Mord neben ihm hängen. Aber vielleicht hat sie den Richter auch bezirzt! <3
Taina (39) meinte dazu am 21.07.22 um 06:01:
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