Patchwork

Erzählung zum Thema Familie

von  Regina

„Auf dem Foto deiner Nachbarin Quendolin sieht man sie also mit zwei Vätern ihrer Kinder?“

„Ja, eigentlich müssten es drei sein. Aber der Vater ihrer beiden älteren Söhne hat sich nach der Scheidung ganz und gar aus dem Staub gemacht und lässt sich nicht mehr sehen. Der Mann in der Mitte mit ihrem dritten Kind auf dem Arm liebte sie und die Familie, nämlich seine, die aus Vater, Mutter und Töchterchen bestand. Mit den großen Jungs konnte er nichts anfangen. Deshalb warb Quendolin schließlich um die Gunst eines älteren, seinerseits zweimal geschiedenen Mannes mit erwachsenen Kindern, der genügend Lebenserfahrung besaß, um als Stiefvater für ihre Söhne zu taugen. So lebte sie einige Jahre mit ihm in großer Dankbarkeit. Auch die Söhne erzog sie so, dass diese dachten, sie seien zwar von minderwertiger Abstammung, aber die Akzeptanz durch den Stiefvater stelle ein großes Glück dar. Der Tochtervater allerdings ließ sein Kind nicht los, sondern verhinderte eifersüchtig durch regelmäßige Zuwendung, dass sie Stieftochter des neuen Mannes ihrer Mutter wurde. So lebte das Mädchen gewissermaßen in einer Sonderrolle als Prinzessin im Familiengefüge. Letztes Jahr aber gebar Quendolin ihrem dritten Mann, auf dem Foto links, einen weiteren Sohn. Durch diesen Familienzuwachs funktionieren die verteilten Rollen nicht mehr und es gibt täglich Streit, so wie in ihrer ersten Ehe. Einem natürlichen Vater gegenüber versinkt die Mutter nun einmal nicht in demütiger Dankbarkeit, sondern sie stellt Forderungen. Auf der anderen Seite hat auch der Vater Forderungen an das Verhalten der Mutter. Du siehst ihn jetzt abends auf der Bank vor dem Haus sitzen und in die Ferne seines Schicksals sinnieren. Die Sorge für vier Kinder lastet auf seinen Schultern, abgesehen von den zwei erwachsenen. Trotzdem sehnen sich beide Ehepartner aus der unglücklichen Beziehung fort. Eltern waren sie mehrmals geworden, aber nie Mann und Frau.“




Anmerkung von Regina:

nicht autobiografisch

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Fridolin (31.12.22, 04:01)
Hartes Brot für Familientherapeuten.

 Regina meinte dazu am 31.12.22 um 06:22:
Die werden das Problem selber lösen - irgendwie. Danke für den Kommentar und frohes Neues.

 uwesch (31.12.22, 10:47)
Solche Patchwork-Verhältnisse haben wohl stark zugenommen. Ich stecke auch darin - allerdings nicht so komplex wie bei Dir.
LG und alles Gute fürs neue Jahr von Uwe

Kommentar geändert am 31.12.2022 um 10:49 Uhr

 Regina antwortete darauf am 31.12.22 um 11:05:
Schicksal, aber auch Mangel an bewusstem Handeln. Wie bei mir ist es nicht, es ist nicht autobiografisch.

Antwort geändert am 31.12.2022 um 16:17 Uhr

 harzgebirgler (30.03.23, 17:55)
patchwork ist flickwerk und nicht zu erstreben
denn auf der strecke bleibt oft bei das 'leben'.

 Regina schrieb daraufhin am 31.03.23 um 08:12:
Sehe ich auch so. Aber viele rutschen hinein, ohne es zu erstreben.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram