Baudelaire unter Sternen

Lyrischer Prosatext

von  Redux

Nichts von dir, nichts von uns ist geblieben:

selbst beim Googlen treffe ich auf eine Imbissbude in Bottrop-Boy,

auf eine Unternehmensberaterin,

die deinen Namen trägt,

du und Unternehmensberaterin!

Ich treffe auf Verfranstes und Unbrauchbares,

auf Müllhaufen in unendlichen Cyberkanälen…

am Wochenende erhalte ich eine einzige Mail

( von Frau Dr.Dr.med.phil. Susan Halifax,

Betreff: Haben Sie Potenzprobleme?)

Das Leben hat sein riesiges schwarzes Radiergummi genommen

und seine unverkennbare Signatur

in unsere pulverisierte Geschichte hineingestanzt:


ein weißes Blatt Papier


in einem Buch, dass sich nicht öffnen lässt.

Verdammich, wie mir zum Reihern ist,

wenn ich Liebeskummertexte schreibe.


Ich sollte vernünftig werden:

Den Asphalt aufnehmen,

Tausendfüßler bei der Paarung betrachten,

im Regen stehen,

Baudelaire zitieren,

nachts auf dem Meer,

unter Sternen,

Brennnesseln fressen,

Staub,

Chloroform,

Asbest:


etwas machen mit Sinn und mit Verstand,

mein großes schwarzes Radiergummi zücken

und dich erdolchen,

uns aufschlitzen,

damit es in der Sommersonne

vergammelt.




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Kommentare zu diesem Text


 Aron Manfeld (03.04.23, 19:50)
Ernähre Dich Mal gesünder, lieber Redux, dann gelingt Dir vielleicht auch der Schritt zum Erwachsenwerden.

 Redux meinte dazu am 03.04.23 um 19:52:
Das empfiehlst du Grünschnabel einem 59-jährigen?
Ich liebe Asbest.

 minimum (03.04.23, 21:27)
Als eingefleischter Baudelaire-Leser bin ich mir ziemlich sicher: Diesem Text hätte er einiges abgewinnen können, wenn er ihn als Flaschenpost aus der Zukunft zu Gesicht bekommen hätte.

 Redux antwortete darauf am 04.04.23 um 15:39:
Interessante Idee, minimum. Und danke fürs Kommentieren.

 AchterZwerg (04.04.23, 07:59)
Das Leben hat sein riesiges schwarzes Radiergummi genommen
und seine unverkennbare Signatur
in unsere pulverisierte Geschichte hineingestanzt:
Ein überaus gelungenes Bild!

 Redux schrieb daraufhin am 04.04.23 um 15:39:
Lieber Zwerg, das freut mich wirklich sehr.....danke

 Dieter_Rotmund (04.04.23, 12:02)
Die erste Hälfte gefällt mir gut, ist humorvoll und hat Esprit. Dann wird aber allzu beliebig-banal, finde ich, sorry. Auch muss man den Text nicht lyrisch in dieser Zeilenform anlegen, meine ich, Mut zur Prosa!

 Redux äußerte darauf am 04.04.23 um 15:41:
Da magst du recht haben, ich bin zu sehr ein Lyrik-Fan und sollte vielleicht den ein oder anderen Text in Prosa schreiben.
Danke für den konstruktiven Tip.

 Dieter Wal (06.04.23, 16:32)
Baudelaire zitieren,
nachts auf dem Meer,
unter Sternen,
Tat ich im August 1995 kurz vor Ende der Katakomben von Paris. Ich kann von Baudelaire leider nur das Schlussgedicht der Blumen des Bösen:  VIII "Oh mort, vieux capitaine ..." Ich wiederholte es bestimmt zehnmal.


Niemand sagte etwas, doch ich hatte in meiner Begeisterung für dieses Gedicht beim Deklamieren das Gefühl, dass die Leute eine Mischung aus "Jetzt ist er komplett verrückt geworden" und Schauder empfanden. Naja, wir hatten ja auch seit Stunden Hunderttausende schön gestapelter Menschenknochen gesehen. Sonst nichts.

Dein eher Prosa-Gedicht finde ich wunderschön.
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