Telefon (Zeilen II)

Gedicht

von  JohannPeter



Auge in Auge sah ich dich

 die Hände sprachen lauter

als dein Mund

und Hand in Hand

und Bein an Bein -

es war für Worte

 nicht die Stund´…

 

Nun sucht das Auge jenseits

trüber Scheibe gelber Zelle

 festen Punkt und so

(da gerad´ ein Rauschen in der Muschel

ans Ohr gepreßt, ganz fern

verhaltnen Atem nur verrät)

verliert sich zwischen stummen Zeilen

hinter dunkler Stirn ein Leben:

das Wort, das ungesagt sein Echo übertönt

nicht zu erwidern, weil:

nicht zugedacht 

dem, der weitab auch nur sich selbst versteht

mit dem, was er

vor einem Spiegel stehend spricht.

Die Leitung steht, so heißt es

die Verbindung trennt

in Wirklichkeit und wenn 

die Münzen in den Kasten falln

zerschrumpft, was wenigstens versucht:

Gefühl, zum hingesagten Argument.

 

Und suche

zwischen ungesagten Zeilen dich

da ich im gelben Sprechgehäuse frier.

Und häng mit dem verstummten Hörer

ein Stück Leben auf

wo jede Nähe

sich im Kabelschacht

verliert.



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Kommentare zu diesem Text


 AlmaMarieSchneider (12.05.23, 22:35)
Auge in Auge sah ich dich
die Hände sprachen lauter
als dein Mund

Hände sprechen manchmal eine deutlichere Sprache.
Am Telefon fehlt mir diese Sprache oft. Auch die Augensprache.


wo jede Nähe
sich im Kabelschacht
verliert.
Oft ist das so. 


Herzliche Abendgrüße

Alma Marie
Verlo (65) meinte dazu am 12.05.23 um 22:44:
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 AlmaMarieSchneider antwortete darauf am 12.05.23 um 22:54:
Mein verstorbener Mann hat sich das für seine Enkel eingerichtet, da war dann oft recht Halligalli. 
Du hast da recht mit Deiner Aussage lieber Verlo, es war wirklich so als säßen sie im gleichem Raum.

Liebe Grüße
Alma Marie

 JohannPeter schrieb daraufhin am 13.05.23 um 07:44:
Ist es nicht doch auch ein Stück Täuschung? Wenn das Videobild sich schließt, ist derselbe Effekt möglich, wie in der Telefonzelle: ob Kabelschacht oder WLAN - das macht keinen Unterschied. Nähe und Distanz sind nicht medial relativierbar. Marshall McLuhan, der Kommunikationsguru, meinte per Buchtitel "Das Medium ist die Botschaft" (gibt zu dem Titel noch eine witzige Anekdote, die die Aussage sehr schlüssig zuspitzt). Man kann per Medium - ob Rauchzeichen oder Bluetooth - Gefühle anzeigen, wirklich vermitteln kann man sie medial nicht. Bei medialer Vermittlung ist das Gefühl des Empfängers ist in erster Instanz immer nur seins und - mangels Nähe - nicht teilbar.

Antwort geändert am 13.05.2023 um 10:12 Uhr

Antwort geändert am 13.05.2023 um 10:13 Uhr

 AlmaMarieSchneider äußerte darauf am 13.05.23 um 17:47:
 Bei medialer Vermittlung ist das Gefühl des Empfängers ist in erster Instanz immer nur seins und - mangels Nähe - nicht teilbar.
So ist das. Man versucht es zwar, doch ohne Nähe?

Das Videobild verhindert vielleicht Mißverständnisse, weil man sein Gegenüber sieht.

 JohannPeter ergänzte dazu am 13.05.23 um 19:37:
Tatsächlich, liebeAlmaMarie, ist das Mißverständnispotenzial bei Geschriebenem am größten. Was vielleicht Segen von z.B. Gedichten sein kann, ist im zwischenmenschlichen Umgang nicht selten Verhängnis. Von Angesicht zu Angesicht (Video) reden zu können, ist zweifellos ein Vorteil, dennoch vermitteln sich subtilere, atmosphärische Momente - das Ambiente eines Raumes, das Rascheln von Blättern in Bäumen usw. - auch damit nur höchst fragmentarisch bis gar nicht. Und wie sehr - das wissen wir doch - haben sie Einfluß auf Gespräch und Verstehen.

 nadir (13.05.23, 16:22)
Die letze Strophe gefällt mir am besten:


Und häng mit dem verstummten Hörer

ein Stück Leben auf
  

Das berührt mich sehr.

LG
Patrick

 JohannPeter meinte dazu am 13.05.23 um 17:16:
Danke, Patrick. Freut mich, wenn mein Text dir etwas Interessantes/Wichtiges/Berührendes vermitteln konnte.

LG retour - Reinhard.

 nadir meinte dazu am 13.05.23 um 18:01:
Ich finde es auch so gut, weil mit dem "aufhängen" eine untergründige Ahnung an den Suizid mitschwingt.

LG
Patrick

 JohannPeter meinte dazu am 13.05.23 um 19:15:
Das kann man so assoziieren, mir war als Bild - neben dem Telefonhörer - auch eine Jacke oder Mantel im Sinn. Weghängen eben, wie man etwas für den nächsten Moment Überflüssige  an der Garderobe abgibt. Das ist evtl. nicht so dramatisch wie aufhängen, aber womöglich aufgrund der Banalität noch einen Tick fataler in seiner Tristesse.

 nadir meinte dazu am 13.05.23 um 19:18:
Klar, aber du weißt ja, Gedichte entwickeln immer auch ein Eigenleben. Man entlässt sie in die Welt und sie gehören einem nicht mehr.

 JohannPeter meinte dazu am 13.05.23 um 19:28:
Keine Frage, das ist ja auch immer Maß und Zeichen ihrer Qualität. Und wo sich die Radikalität der Jugend mit der Stoik des Alters messen kann... - was wolle man mehr... :)
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