Keine Gerechtigkeit bei der Deklination

Ansprache zum Thema Sprache/ Sprachen

von  Regina

Wen immer Sie heiraten, ich sage es Ihnen klar und deutlich: Sie nehmen einen Akkusativ zur Frau oder zum Mann. Und wie steht es mit der Treue? Sehen Sie, noch in derselben Nacht, meine Damen und Herren, gehen Sie mit einem Dativ ins Bett. Mit dem Dativ erleben sie auch mancherlei, Sie gehen mit ihm spazieren oder in die Disko und lesen ihm gerne alle Wünsche von den Augen ab. Aber den Akkusativ oder, feminin gesprochen, die Akkusativin, nehmen Sie mit auf Reisen. Sie sehen ihn oder sie täglich im Büro und Sie lieben ihn oder sie. Sollte er allerdings ein Kind sein, so warne ich Sie. Sie dürfen das Akkusativum nicht schlagen. Mag der Himmel während Ihrer Genitivzeit im ersten Ehejahr noch voller Geigen hängen, so wird sich Ihre Nominativin, sollte Sie Feministin sein, über die Männerdominanz der deutschen Sprachlehre echauffieren. Deren Erfinder hat nämlich festgelegt, dass der Mann alle vier Fälle bekommt, also der, des, dem und den, während die Frau sich faktisch mit zweien abfinden muss, nämlich die und der. Da mögen Sie sich fragen, wieso sie, in den Genitiv-Dativ mutiert, auf einmal zum Mann wird. Aber Sie werden sich auch wundern, dass Ihr Kind, welches in anderen Sprachen schon früh erfährt, ob es ein Junge oder ein Mädchen sei, ein Ding bleibt. Somit besitzt es drei Fälle, das, des und dem. So auch geht es dem Plural, die, der und den. Über das Relativpronomen, das so ähnlich aussieht wie der Artikel, spreche ich hier nicht. Das ist wieder ein anderer Film. Sollte Russisch Ihre erste Sprache sein, dann haben Sie dort konsequente sechs Fälle für alles und wissen also bei der Übersetzung nicht, wohin mit dem fünften und sechsten Fall, während Ihren amerikanischen und englischen Freunden das Verständnis für diese Casus vollkommen abgeht und die Franzosen nicht mehr als einen blassen Schimmer davon mitbekommen haben, es sei denn, die lateinische Vergangenheit käme zum Tragen. Wie also gehen Sie mit Ihrem Dativ um, dass er oder sie oder auch es Ihnen nicht als beleidigter Nominativ wegläuft? Diese Frage sollten Sie sich stellen, bevor Ihnen das Wohlwollen Ihres Genitivs völlig entgleitet.



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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (02.08.23, 09:40)
Das ist einfallsreich und witzig. Den Akkusativ heiratet man und mit dem Dativ geht man ins Bett. Das läßt Komplikationen ahnen.

 Regina meinte dazu am 02.08.23 um 09:56:
Danke, Graeculus, du hast es erfasst, wie widersprüchlich sich die Deklination aufführt.

 EkkehartMittelberg (02.08.23, 11:06)
Hallo Regina,
der Genitiv lässt nichts vergessen. Man erinnert sich der Ehe mit dem Akkusativ und des amourösen Abenteuers mit dem Dativ.

LG
Ekki

 Regina antwortete darauf am 03.08.23 um 08:50:
Tja, jeder hat so seine eigene Charakteristik.

 Dieter_Rotmund (02.08.23, 13:40)
Herrlich!

 Regina schrieb daraufhin am 03.08.23 um 08:50:
Klasse, Dieter, dass du mal wieder was von mir gut findest.

 AchterZwerg (02.08.23, 16:29)
Du amüsierst mich vortrefflich mit deiner Neuen Deutschen Grammatik! :) 

Der8.Nominativ

 Regina äußerte darauf am 03.08.23 um 08:49:
Danke, so ist es gedacht.

 AZU20 (05.08.23, 15:18)
Sehr witzig. LG

 Regina ergänzte dazu am 21.08.23 um 21:46:
Grazie, maestro.

 harzgebirgler (29.12.23, 18:27)
sich bei all dem beugen nicht zu verbiegen
sollte den menschen stets am herzen liegen.

neujahrsgrüße vom harzer
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