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Text

von  Elisabeth

Für mich fühlte es sich wie eine persönliche Niederlage an. Ich hatte mich selbst zwar auch nicht ohne weiteres von ähnlichen Überlegungen frei machen können, aber die anderen hatten es offenbar noch nicht einmal versucht, und nach diesem Abend zweifelte ich an der Vernunft der anderen Betreuungseltern, denen die pädagogischen Qualitäten einer Betreungskraft anscheinend viel weniger wichtig waren, als ihre sexuellen Vorlieben. Gerechterweise muß ich erwähnen, daß ich mit meiner Erschütterung über die Art der Diskussion in der Aula nicht allein gestanden hatte, aber die anderen waren nun einmal die Mehrheit gewesen. Und nun für einen mir Unbekannten den Kampf mehr oder weniger allein weiterzuführen, fehlte mir doch die Energie. Wieso war der Fall überhaupt behandelt worden, als hätten wir es mit einem sexuellen Übergriff auf einen Schüler zu tun gehabt?

Niels wartete noch auf mich, als ich nach Hause kam, ebenso meine Schwiegermutter, die ich mit Niels' Hilfe aber schnell abwimmeln konnte.

"Und?" fragte Niels dann viel zu hoffnungsvoll, nachdem wir die Oma zu ihrem Auto gebracht hatten.

"So wie es aussieht, bleibt Ahmet wohl für die Dauer seines Praktikums an eurer Schule, aber..." Es fiel mir sehr schwer, die brutale Wahrheit auszusprechen.

"Aber was?" drängelte mein Sohn.

"... aber nicht mehr in der Betreuung. Frau Töpfer übernimmt wieder bis auf weiteres."

"Oh nein!" Niels Schultern und Mundwinkel sackten plötzlich herab. "Das ist so ungerecht!"

"Ja", stimmte ich Niels zu, "ich finde es auch ungerecht. Und was meiner Meinung nach noch viel schlimmer ist: es ist auch dumm." Vielleicht sollte ich doch weiterkämpfen. "Ich werde noch einen Brief an euren Rektor schreiben, in dem ich meine Position darlege. Vielleicht hilft das irgendwie."

Tatsächlich bekam ich bereits am Donnerstag eine Antwort auf den Brief, zusammen mit der vervielfältigten Mitteilung, daß Ahmet Cebir sein Praktikum in der Schule zum Ende des laufenden Monats beenden würde und bis zu dem Zeitpunkt in der Schulbücherei arbeite.

In einer persönlichen Antwort lobte der Rektor mich für mein Engagement. Er sähe die Angelegenheit ähnlich wie ich, aber leider sei der Protest der anderen betroffenen Eltern so vehement gewesen, daß er habe handeln müssen. Außerdem spräche es leider gegen die Urteilskraft des Herrn Cebir, daß er nun gerade in Sichtweite der Schule Zärtlichkeiten mit seinem Partner ausgetauscht habe. Die vorzeitige Vertragskündigung sei im gegenseitigen Einverständnis erfolgt.

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