Schwätzer

Lyrischer Prosatext

von  Redux

Sie reden und reden und reden

und reden, wenn ich anhebe zu reden

und schweigen bestenfalls im Schlaf.

 

Sie reden schon morgens beim Kaffee

bei der ersten Zigarette

und wenn sie zur Arbeit gehen.

 

Sie reden gegen die Stille

und gegen die Langeweile und gegen den Fernseher

und gegen halb acht.

 

Sie reden mir den Kopf wund und leer.

Sie wüten in mir mit Monologen

so dumm und so redselig und so seicht.

 

Sie pusten mit Sätzen über Sätzen ein Loch mir in den Kopf

Und labern und labern und labern

einen Sturmwind von Ohr zu Ohr.

 

Sie reden von Opa Wilhelms Gallensteinen

und der Tüte Milch, die sie im Supermarkt fallen ließen,

sie reden von den Wintern von früher, die noch Winter waren,

von den Sommern, die noch Sommer waren,

sie reden von Hinz und von Kunz

und von Bärbel Ritscheck,

die sich von jedem besteigen ließ.

 

Sie reden mittags.

Sie reden dienstags.

Sie reden mit der Müllabfuhr.

Sie reden von Gott und vom 1.FC.

 

Sie reden und reden und reden und reden

und labern mir den Sinn des Lebens madig.

Und quasseln dummes und dummes und dummes Zeug.

Sie reden sich die Einsamkeit und das Blei der Jahre

Und die Qual des Gestern und des Heute

aus dem Mund.

Und erschauern vor dem Morgen,

wenn nichts mehr zu sagen ist

und ihnen niemand mehr zuhört

außer toten Maulwürfen.

 



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Kommentare zu diesem Text


 Janna (01.07.24, 06:12)
Das sind die, die sich am liebsten selbst schwätzen hören. Die können einem so richtig auf die Nerven gehen. :woot:

 Redux meinte dazu am 01.07.24 um 16:50:
Genau das ist es, Janna: Und ich bin der beste Zuhörer. Manchmal könnte ich mir Knoten in die Ohren hinein wünschen....

 Regina (01.07.24, 07:05)
Aber wie geht die Kunst des Smalltalks?

 Mondscheinsonate antwortete darauf am 01.07.24 um 07:50:
Das Wetter zieht immer, besonders heuer.

 Redux schrieb daraufhin am 01.07.24 um 16:51:
Smalltalk ist nicht gleich Smalltalk, das variiert..

Und ja, das Wetter geht immer und überall, dann der Fußball und dann unsere unfähigen Politiker...

 Mondscheinsonate äußerte darauf am 01.07.24 um 22:23:
Bleiben wir beim Wetter, da sind wir uns einig.

 Redux ergänzte dazu am 01.07.24 um 22:57:
Unfähige Politiker = leicht ironisch.
Ich möchte mit den Politikern nicht tauschen...

 AchterZwerg (01.07.24, 07:12)
Und sie reden nicht nur - sie reden laut.
Eine Frau jenseits der 70 (der Name Dame wäre hier unzutreffend), fragte unlängst nach dem Anschauen einer Fernsehsendung an meinem Balkon, natürlich wie immer kreischend: "Habt ihr mich vorhin schreien hören?"

Ja, wir haben.

 Redux meinte dazu am 01.07.24 um 16:52:
Glückwunsch, Zwerchen, zu deiner Nachbarin..was soll man da noch sagen?

 EkkehartMittelberg (01.07.24, 11:10)
Wer viel redet, erlebt sich selbst.

 Redux meinte dazu am 01.07.24 um 16:52:
Ein kluger Spruch, Ecki, den ich mir merken will...

 tulpenrot (01.07.24, 12:22)
Morgen früh (Dienstag) kommen sie wieder, die "Fünferbande". Sie wollen eine Bibelstunde von mir. Ich bereite mich gründlich und auch wirklich gerne vor. Sie kommen freiwillig. Nicht aus Pflichtgefühl. (Denke ich).

Zunächst wollen sie Kaffee und Brezeln haben. Muss von meiner Seite aus nicht sein. Aber gut. 
Und dann reden sie....... 
Nach einer Stunde käme eigentlich ich dran mit meinem Thema. Aber ich komme kaum zu Wort. Jedesmal ist es ein Kampf. Ich frage mich - auch jedesmal: Hören sie überhaupt zu? Was wollten sie eigentlich?
Nur sich hören? Nur zeigen, dass sie auch was zu sagen haben, auch wenn es nicht zum Thema passt?

Und dann will die eine früher gehen, weil ihr plötzlich einfällt, dass sie noch einen Termin hat. Die andere will unbedingt das Geschirr in meine Spülmaschine räumen, obwohl ich es nicht will! Ich will, dass Ruhe ist und wir uns dem Thema zuwenden können.

Ich versteh es nicht. Und bin regelmäßig enttäuscht.
Vielleicht liegt es daran, dass sie Frauen sind? Letztes Mal saß ich dann zum Ende hin mit 2 Frauen alleine da.

So, jetzt hab ich mal einfach drauflosgeschwätzt. Aber dein treffender Text ist schuld!

und reden, wenn ich anhebe zu reden....
Sie reden mir den Kopf wund und leer.

Sie wüten in mir mit Monologen
so dumm und so redselig und so seicht....
Sie pusten mit Sätzen über Sätzen ein Loch mir in den Kopf...
und labern mir den Sinn des Lebens madig. ...
Sie reden sich die Einsamkeit und das Blei der Jahre

Und die Qual des Gestern und des Heute
aus dem Mund

Das sind die Highlights für mich in diesem Text. 
Er ist aber auch sonst tolll!

Jetzt hör ich auf mit dem tulpenroten Gequassel und grüße dich

 Redux meinte dazu am 01.07.24 um 16:55:
Eine Szene, wie sie kaum besser zu meinem Text passen würde. Sie leben irgendwie in einer Blase und brauchen den Menschen gegenüber nicht wirklich, nur seine zwei Ohren...danke dafür, tulpenrot

 Aron Manfeld (01.07.24, 15:50)
Den Opa Wilhelm gibt es leider nicht mehr, die nennen sich heute Bernd und Jürgen.

Für mich ist Deine Skizze ein Idyll, Bro, nach welchem ich mich heute sehne ...

 Redux meinte dazu am 01.07.24 um 16:55:
Du wirst dich aber nach drei Tagen nicht mehr danach sehnen und es dann auch nicht mehr Idyll nennen wollen...

 Aron Manfeld meinte dazu am 01.07.24 um 17:18:
Zum Glück wohne ich nicht neben einer Hausarztpraxis oder einem Discounter ...

 TassoTuwas (02.07.24, 01:14)
Und dann gibt es noch die,
die schreiben und schreiben und schreiben
ein Blatt zwei Blätter drei Blätter
und schreiben und schreiben und schreiben
und erst merken wenn das Papier alle ist 
dass sie keinen Stift in Fingern hatten
  :(
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