Im steinernen Herzen

Lyrischer Prosatext

von  Redux

Aus dem Hellen und Lauten

trete ich ein, in das Stille

und Dunkle.

Die Kirche umgibt mich

wie ein steinernes Herz.

Ich kann an diese Geschichte nicht glauben.

Aber hier muss ich mich bekennen.

Meine Schuld, meine Schwächen, meinen Dank,

dass ich so viel Glück hatte

in all dem Pech.

Die Mauern sind so dick wie die Welt,

der Stein schützt mich für einige Minuten

vor der Welt und vor mir selbst, der Erinnerung

und dem Ungewissen, das draußen

wittert und kauert wie ein Tier.

Es schützt mich auch vor meinem Gewissen.

Und doch liegt es hier blank wie ein Säugling.

Die Mauern schützen mich für den Moment

vor der Stadt, dem Verkehr, den Gesprächen,

dem Bettler in der Fußgängerzone,

dem Grinsen des Lebens,

der erbärmlch zickigen Frauenstimme in der Lidl-Werbung,

dem Unabänderlichen,

vor dem, was ich verlor,

vor dem, was ich nicht ändern kann,

dem unfreundlichen Busfahrer,

der Wut, der Schwäche, der Liebe,

die mich immer wieder lebendig hält.

Hier bin ich Teil der Stille

und sinke hinab in die Stille.

Ich zünde eine Kerze an.

Ein kleines billiges Teelicht.

Beim nächsten Herzschlag erlischt es.

So soll es sein.





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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (16.06.24, 07:04)
Das empfinde  ebenso.
Schließt sich eine Kirchentür, bleiben aller Lärm, alles hektische Wuseln, alles Grelle außen vor.

Mir gefällt dein Gedicht ausgesprochen gut. Nur über einen Begriff, nämlich das "steinerne" Herz, könntest du nochmal nachdenken.
Das "steinerne Herz" ist ja durch ein wunderbares Märchen gleichen Namens besetzt. - Die Kirchen wollen aber die Umkehrung dieser menschlichen Kälte entfachen.
Manchmal gelingt ihnen das sogar.

 Redux meinte dazu am 16.06.24 um 12:46:
Danke für deine Anregungen. Es ist namentlich reichlich besetzt: das kalte Herz z.b.
Ich bastele noch...

 TassoTuwas (16.06.24, 13:32)
Hallo Redux, 
so ist es, wenn die Jahrhunderte alte Kirchentür hinter mir ins Schloss fällt, gibt er keine Hektik mehr.
Was in der Stille zu spüren ist kann man nur mit dem verlorenen gegangenen Wort "Andacht" beschreiben.
Herzliche Grüße
TT

 Redux antwortete darauf am 17.06.24 um 15:45:
Du sagst es. Und so alt und verstaubt es klingen mag, Andacht, wie auch immer, würde allen gut tun in unserer lauten Zeit....

 RainerMScholz (18.06.24, 14:46)
Ich kann auch nicht sagen, woran das liegt, an der verlorenen Kindheit, als man noch an das Reine glaubte vllt., an verpassten oder versauten Chancen, an der Unmöglichkeit des vorbehaltlosen Glaubens...
Grüße,
R.

 Redux schrieb daraufhin am 18.06.24 um 17:01:
Ich kann es auch nicht.
Jeder muss da seinen Weg finden.
Leider gibt es zu viele Besserwisser und falsche Propheten, leider oft in der Kirche selbst.
Dennoch, immer: vorwärts...
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