Wichtige Autorinnen

Text zum Thema Frauen/ Männer

von  Bergmann

Frauen, die mir kulturell viel bedeute(te)n 

 

In der Phase, die ich meine Emanzipation nenne (also im Alter von 18-25), gab es außer meiner Großmutter und meiner Mutter keine Frauen in den kulturellen Bereichen (Dichtung, Musik, Kunst, Philosophie ...), die für mich wichtig waren – es gab sie einfach (noch) nicht bzw. sie waren in den 60er Jahren (noch) nicht wirklich relevant, weder in der Schule noch in der Öffentlichkeit, abgesehen von Filmschauspielerinnen. (Mir gefielen damals: Romy Schneider, Kathleen Hepburn, Marlene Dietrich, Therese Giese, Elisabeth Flickenschild ...)

 

In der Schulzeit begegnete mir in der Dichtung einzig und allein Annette von Droste-Hülshof („Die Judenbuche“, für mich heute noch eine der gelungensten Novellen); in der Musik überhaupt keine Frau außer Clara Schumann (als Name); in der Philosophie: keine. Simone de Beauvoir erreichte uns Jünglinge damals noch nicht, auch nicht Alice Schwarzer; Hannah Arendt wäre vielleicht möglich gewesen, aber die fand ich erst später. In der Kunst entdeckte ich wichtige Malerinnen erst in den 80er Jahren. 

 

Trotz meiner großen Begeisterung für Thomas Mann blieb Erika Mann außen vor, aber auch Klaus Mann (den ich erst durch den grandiosen Film „Mephisto“ 

entdeckte). 

 

Zwar erlebte ich als Cineast und Leser Edward Albees Drama „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“, aber ich hatte keine Ahnung, wer Virginia Woolf war. Autorinnen wie die Brontës, Jane Austen firmierten unter dem Attribut ‚Frauenliteratur‘, was nicht günstig war, um sie vorurteilsfrei kennenzulernen; das änderte sich später. 

 

Die Usancen an der Universität, was die Auswahl von Autoren im Germanistikstudium anbetraf, rückten erst in den 70er Jahren zunehmend Autorinnen als Themen und Studienobjekte ins rechte Licht.

 

Ich schreibe das hier im Rückblick. Ich hatte in den 60er und 70er Jahren keine Ahnung von verdienstvollen Frauen in der Literatur. Ich war überrascht, als ich im Radio (WDR III) eine Sendung über Johanna Schopenhauer und den Briefwechsel mit ihrem Sohn hörte. Und in meinem Germanistik-Studium kamen Autorinnen nicht vor. Ich vermisste sie allerdings auch nicht. Die Welt war nun mal so. In der Welt, wie sie war, hatten Autorinnen keine oder nur wenige Chancen. Ich las jetzt ein Buch über die Gruppe 47 (von Nicole Seifert), in der nur ganz wenige Frauen bekannte Autorinnen wurden, am berühmtesten: Ingeborg Bachmann; auch sie wurde gern über Männer definiert: Paul Celan und Max Frisch ... 

 

Autorinnen des 18. und auch 19. Jahrhunderts waren für den Literaturliebhaber der 1960er Jahre also praktisch so gut wie nicht relevant. Aber das änderte sich bald in dramatisch zunehmendem Tempo. Seit etwa 1980 lernte ich viele Autorinnen kennen. Ich zähle sie hier mal unsystematisch auf und kommentiere einige mir besonders wichtige oder interessante:

 

Sarah Kirsch – Rose Ausländer (wunderbare Verse) – Else Lasker-Schüler (ihre Gedichte, ihr Theaterstück „Die Wupper“) – Gertrud Kolmar (Gedichte) - Hilde Domin (Gedichte!) – Ingeborg Bachmann (Gedichte! und Erzählungen und vor allem ihr großer Roman „Malina“) – Herta Müller (vor allem „Atemschaukel“, über die ich schrieb, s. Poetenladen) – Elfriede Jelinek (mehrere Uraufführungen in Bonn und Köln!, „Lust“, „Winterreise“) – Christa Wolf („Kassandra“!) – Judith Hermann („Sommerhaus, später“), Irmgard Keun („Das kunstseidene Mädchen“) – Nelly Sachs (großartige Gedichte!) – Leonie Ossowski („Die Flatter“) – Jenny Erpenbeck („Kairos“) – Marie von Ebner-Eschenbach (eine Erzählung las ich im Deutschunterricht um 1961: „Krambambuli“) – Marieluise Fleißer („Pioniere in Ingolstadt“) – Mascha Kaleko (Gedichte!) – Marlen Haushofer („Die Wand“) – Margarete Hannsmann (Gedichte und ihr HAP-Grieshaber-Roman „Pfauenschrei“; ich schrieb und telefonierte mit ihr) – Friederike Mayröcker (in unserer Zs. DICHTUNGSRING veröffentlichten wir Gedichte von ihr) – Christa Reinig (Gedichte) – Gudrun Pausewang (gute Jugendliteratur!) – Gabriele Wohmann (habe ich literarisch nicht gemocht) – Ulla Hahn (Gedichte und ihr schöner autobiografischer Roman „Das vergessene Wort“) – Elke Heidenreich (gute Buchideen!) – Helga Schubert („Vom Aufstehen“) – Emine Sevgi Özdamar („Das Leben ist eine Karawanserei, hat zwei Türen, aus einer kam ich rein, aus der anderen ging ich raus“) – Bettina Wegner – Kathrin Schmidt (Gedichte) – Sibylle Berg – Anne Weber („Ein Heldinnenepos“!) – Ingrid Lausund (ihr Stück „Hysterikon“ führte ich mit Schülern auf) – Tanja Dückers (einen Text von ihr veröffentlichte ich im DICHTUNGSRING) – Theresa Walser (das Stück „King Kongs Töchter“ führte ich mit Schülern auf) – Silke Schuemmer (einen lyrischen Prosa-Zyklus von ihr veröffentlichte ich im DICHTUNGSRING) – Juli Zeh (vor allem ihr Roman „Spieltrieb“, auch „Unter Leuten“) – Nora Gomringer ... 

 

Ich habe in meinem Gedächtnis nachgekramt und ergänze: 

In meiner mittleren Kindheit las ich ein paar „Fünf-Freunde-Bücher“ von Enid Blyton. Im Fernsehen erlebte ich mindestens ein Kriminalstück von Agatha Christie. Ich las Daphne du Mauriers „Rebecca“ (und sah die Verfilmung). Ebenso: Harper Lee: „Wer die Nachtigall stört ...“. Emily Brontës „Sturmhöhe“ kenne ich auch als Oper von Bernard Herrmann, der die Musik für mehrere Hitchcock-Filme („Psycho“) schrieb. Françoise Sagan („Lieben Sie Brahms?“). Eva Manesse („Dunkelblum“). Anna Seghers, „Das siebte Kreuz“, kenne ich nur als Film. Mit Freude Esther Vilars ironisches und zugleich kritisches Buch „Der dressierte Mann“ gelesen. Einige Geschichten/Erzählungen von Alice Munro. Vicki Baum („Menschen im Hotel“). Wislawa Szymborska („Hundert Freuden“, gesammelte Gedichte).
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Mit Simone de Beauvoir habe ich mich um 2000 befasst, als ich mich mit der Geschichte von Alice Schwarzer und ihrer Zeitschrift "Emma" beschäftigte.  

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Danach las ich "Feuchtgebiete" von Charlotte Roche und beauftragte Schülerinnen meines letzten Deutsch-LKs mit einer Analyse und Rezension, die sehr kritisch ausfiel. Den zweiten Titel, "Schoßgebete" (der Titel hat durchaus Witz in der Assoziation mit "Stoßgebet"), las ich nicht. 

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Nun fällt mir noch ein, dass ich "Häutungen" von Verena Stefan las ...

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Besonders beeindruckten mich Sarah Kanes Theaterstücke, die ich alle las und im Theater erlebte: „Zerbombt“, „Phaidras Liebe“, „Gesäubert“, „Gier“, „4.48 Psychose“. Ich sah auch Susan Sontags Theaterstück „Alice im Bett“ (uraufgeführt in Bonn). 

 

Ulrich Bergmann




Anmerkung von Bergmann:

Korrigiert und erweitert am 8.7.24

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Kommentare zu diesem Text


 FrankReich (07.07.24, 22:36)
Bei der Auswahl wundert mich ein wenig, dass Anna Seghers nicht dabei ist. 🤔

Ciao, Frank

 FrankReich meinte dazu am 08.07.24 um 06:19:
P. S.: Auch dass Luise Rinser und Ingeborg Drewitz an Dir vorbeigegangen sein könnten, ist mir ein Rätsel, denn neben ihren Veröffentlichungen sind auch ihre Verdienste rund um die deutschsprachige Literatur mehr als bemerkenswert und da Du die Gruppe 47 erwähnst: Ilse Aichinger stand Ingeborg Bachmann bis auf deren schillernde Persönlichkeit in nichts nach, ganz im Gegenteil, denn mit ihren Auszeichnungen hätte sie Teppiche knüpfen können. 👋😂

 Bergmann antwortete darauf am 08.07.24 um 19:40:
Da traust du mir zu viel zu, dir vielleicht auch. 
Ich habe noch einiges ergänzt.

 Redux (07.07.24, 22:54)
Carson Mc Cullers.

 TassoTuwas schrieb daraufhin am 08.07.24 um 00:58:
Kleine Anmerkung.
"Krambambuli" ist von Maria von Ebner-Eschenbach!

 Bergmann äußerte darauf am 08.07.24 um 19:41:
Besten Dank! Ich habe die Stelle korrigiert.

 Mondscheinsonate (08.07.24, 02:54)
Alice Schwarzer sagte in dem Streitinterview mit Esther Vilar am 6. Februar 1975, dass sie Bücher schreiben müsste, damit sie schreiben könne, was sie wolle (kein Chefredakteur streicht, Anm.). Simone de Beauvoir war längst eine Autorität, in der dir beschriebenen Zeit, "Das andere Geschlecht" war bereits 1949 ein Skandal und ist bis heute das beste Buch in der feministischen Literatur, daher nicht verwunderlich  wurde es bereits sofort nach dem Erscheinen tabuisiert und in dem erzkonservativen Ö und D sicher den Jungen nicht ans Herz gelegt wurde, in der von dir beschriebenen Zeit, denn pubertierende junge Männer sind zwar doch neugierig, mehr über Frauen zu erfahren, jedoch auch in den 90' war das Buch bei jungen Männern kein Thema, interessantes Phänomen. Meine These, dass sie eher auf die eigene Sexualität fixiert waren, nicht auf die der Frau, schon gar nicht auf die Funktionalität und Stellung der Frau. Überhaupt, dass junge Menschen auf sich selbst fokussiert sind. Auch die 68' waren eine Revolution der männlichen Sexualität, nicht die Befreiung der Frau von Zwängen, da setzten sich die von dir verständlicherweise Verschmähten, sich in den 70' heftigst ein. 
Ansonsten eine schöne Liste an großartigen Frauen. Wenn man denkt, dass "Frankenstein" eine Frau geschrieben hat, für damals eine großartige Leistung. In einem Interview mit Reich-Ranicki schwärmte er von der koketten Art der Bachmann, ihre Anziehung (dabei war sie durchaus nicht die Schönste, Anm.), (erst danach auf ihre großartigen Werke.)  festigten ihren Stand in der Szene (zerstörte sie auch, Anm.)der damaligen Zeit. 
Ich denke aber, dass du hier zu sehr für die Allgemeinheit schreibst, bei solch einem Thema kann man, mAn, nicht für alle sprechen. Auch switchst du in einem Absatz von der Allgemeinheit zur Ich-Form, was ich nicht für gelungen halte. 
Deine Buchaufzählungen am Schluss machen die Sache jedoch wieder wett, weil große und interessante Werke darunter sind.
Zum Satz:

Die Welt war nun mal so.
Hier ein interessanter Artikel

https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/archiv/530030/die-ziele-der-frauenbewegung-eine-inhaltsanalyse-der-emanzipations-literatur/
Bei dem Satz fehlt mir aber der kritische Blick. 
Alles in allem, ein schöner Einblick in dein Leseverhalten puncto literarischer Werke von Frauen geschrieben. Und, ein interessanter für mich als Frau, wie Frauen in der Literatur von dir gesehen wurden.

Zum Auffrischen noch: Domin, Kaléko, Weil, Lavant, Nadolny, Haushofer, Müller, Lewitscharoff... :)




Kommentar geändert am 08.07.2024 um 03:14 Uhr

 FrankReich ergänzte dazu am 08.07.24 um 07:01:
Die deutschsprachigen Lehrer der Nachkriegszeit hatten ganz andere Sorgen, als ihren Schülern und Schülerinnen einen Eindruck vom Potential der Frauenwelt zu vermitteln, erst nach und nach wurden auch Frauen verstärkt als Lehrkräfte eingesetzt, soweit ich das beurteilen kann, überwog allerdings sogar zu meiner Zeit noch der männliche Anteil am Lehrpersonal.

Einzelzeugnisse
aus Wikipedia

In einem Brief an seine Frau Emilie beschwert sich Theodor Fontane darüber, dass er bei weitem weniger bekannt sei als Marlitt:

„Die Sachen von der Marlitt (…) Personen, die ich gar nicht als Schriftsteller gelten lasse, erleben nicht nur zahlreiche Auflagen, sondern werden auch womöglich ins  36c);">Vorder- und  36c);">Hinterindische übersetzt; um mich kümmert sich keine Katze.“
–  36c);">Theodor Fontane: Brief an Emilie Fontane, vom 15. Juni 1879 36c);">[33]

Oh, Entschuldigung, falsches Zitat, ich lasse es aber stehen, weil ich es einerseits ganz witzig, andererseits aber auch als sehr bezeichnend für die damalige Zeit empfinde. 
Nun aber zum richtigen:


Die Welt war nun mal so. In der Welt, wie sie war, hatten Autorinnen keine oder nur wenige Chancen. 

Es war die Nachkriegszeit und im Nationalsozialismus war Frauenliteratur nur sehr bedingt gelitten. Die Werke "Das siebte Kreuz" und "Transit" von Anna Seghers bspw. entstanden im Exil. 
Obwohl ich Bergmann eine ganze Generation (15 Jahre) hinterherhinke, wurde auch die von ihren Lehrer*innen nur sehr dürftig mit Literatur aus der Frauenwelt versorgt. Nein, das ist nicht unkritisch für einen 15-jährigen, der seinen Platz in der Gesellschaft erst noch finden muss. 👋😉

 Bergmann meinte dazu am 08.07.24 um 19:56:
Mondscheinsonate: Siehe oben unter Ergänzung.

FrankReich: In meiner Schulzeit am Gymnasium gab es 4 Frauen im Lehrerkollegium ...

Antwort geändert am 08.07.2024 um 19:58 Uhr

 Mondscheinsonate meinte dazu am 08.07.24 um 20:46:
Roche ist Journalistin und hatte wenig mit Literatur zu tun. Das war mAn viel zu ungustiös und nur als Aufreißer gedacht. Da lese ich lieber Ironside. :D

 Regina (08.07.24, 03:45)
Außer Clara Schumann gibt es noch eine ganze Reihe von Komponistinnen, an denen die historische Einstellung zur Kreativität der Frau studiert werden kann. Hier nur einige der bekanntesten Beispiele: Fanny Hensel, Schwester des berühmten Mendelssohn-Bartholdy, Constanze Mozart, Hildegard von Bingen, Maria Szymanovska und die überaus interessante Persönlichkeit Alma Mahler-Werfel. Bemerkenswert, dass die Polin Szymanovska relativ wenige Probleme mit ihren kompositorischen Aktivitäten bekam, anders als westliche Kolleginnen, die der durch Vater Mendelssohn ausgesprochenen Ansicht unterlagen, die Musik solle die Frau nicht von ihrer eigentlichen Aufgabe als Ehefrau und Mutter abhalten. Weniger Probleme gab es für Interpretinnen, das schöpferische Element aber wirke vermännlichend, wie man glaubte.
Es brauchte eine Alice Schwarzer, damit außer Clara Schumann auch die anderen Damen in der allgemein herausgegebenen Musikgeschichte Erwähnung fanden.

Kommentar geändert am 08.07.2024 um 03:49 Uhr
Sekrotas (68)
(08.07.24, 13:49)
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 loslosch (08.07.24, 16:09)
über Christa Wolf hättest du, trotz ihres IM-status, paar worte mehr verlieren sollen, dafür den raffzahn Schwarzer weglassen können.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 08.07.24 um 17:17:
Ui, der raffzahn... 😂 Wenn man sich ansieht, was sie alles geschafft hat, ist das ein entbehrlicher Kommentar.

 Bergmann meinte dazu am 08.07.24 um 20:25:
Lo, Alice Schwarzer war in den 70er Jahren eine immens wichtige Frau für sexuelle und soziale Aufklärung: vor allem ihr Buch "Der kleine Unterschied und seine großen Folgen" (1975). Und andere wichtige Arbeiten. Und das wird durch finanzielle Verfehlung Jahrzehnte später nicht ungültig.
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