Plappern

Text

von  Mondscheinsonate

Ein kurzer heller Moment, die Sommergrippe umarmt mich seit heute Nacht fest und wiegt mich bis mir schwindelt. Ich hänge am Sofa quer, der Salbeitee auf meinem Bauch. Geschichten fallen nicht ein, müssen auch nicht, heute haben sie wieder die Geschichtenzerstörer ausgelassen, so bleibt der Gedankensalat, schmeckt fade ohne Geschmack im Mund. 

So schleppte ich mich in die Apotheke und am Weg dorthin traf ich die alte Sissi, eigentlich Elisabeth, die sich bereits fast zu Tode gesoffen hat. Ich blieb stehen, wankte kurz, dies nur aus Höflichkeit, denn sie ist mir zuwider, ist die Oma einer Schulfreundin meiner Nichte, fragte, wie es ihr ginge, da fing sie von ihren Leiden an zu reden, hörte gar nicht mehr auf, mir wurde warm und kalt, erst nach 15 Minuten meinte sie, ich sehe wie "ausgespieben" aus, ob ich nicht in die Sonne ginge, da sagte ich, dass ich Tag und Nacht arbeiten müsse, ich bin in Ausbildung, ich sei wie ein Lehrling, da wird man hart ran genommen, außerdem hat mich seit heute eine Sommergrippe im Griff, nicht nur mich, beim Arzt saßen die Halbtoten übereinander. Sie sah mich an, ich hatte ein gestricktes langes Sommerkleid von Missoni an, das ich meiner Mutter vor 27 Jahren aus dem Schrank stahl, zusammen mit ihren Chanel Etuikleidern aus reiner Wolle und die hege und pflege ich, sind zeitlos und sind noch immer modern. Am Hals hatte ich bei 30 Grad ein zyklamenfarbenes Bandana von Hermès, das ich nur trage, wenn ich furchtbar Halsweh habe, ich betone die Marken, weil es jetzt wichtig wird, denn sie sagte plötzlich, dass ich gar nicht so krank sein kann, wenn ich mich so teuer kleiden kann. Da kam der fünffache Stier, zwei Mal Jungfrau und der Löwe heraus, nicht der gefühlvolle Skorpion oder lustige Zwilling, auch nicht der hyperbeleidigte Fisch, den auch ich einmal habe, sagte, woher sie wisse, was teuer ist, blättere sie im Wirtshaus beim Saufen in der Floridsdorfer Vogue?

Das war gemein, dachte ich, aber die Leute können immer nur austeilen, aber nichts einstecken, sie schnaubte und ging an mir vorbei, ich ließ ihr den theatralischen Abgang. Ich lasse jedem den Abgang, wenn sie komplett gestört sind. Ah ha, dachte ich, Menschen, die mehr haben als unsereins, sind nie krank, weil sie teure Sachen tragen, alles klar. Diese geistig beeinträchtigte Meinung merke ich mir sicher nicht, das war mir zu blöd und so wankte ich zur Apotheke und dachte an die Reichste der Reichsten, die zusammengesackt im Schalenstuhl im Spital saß und zu der ich mich setzte, wortlos ihre Hand nahm, mit ihr zusammen schwieg, sie war im Angesicht ihres Todes noch wunderschön. Ein Monat später war sie tot. Ich reagiere sehr unwirsch auf Futterneid. Hinter Geld stecken dieselben Tragödien wie andernorts auch. 

Ein Schluck Salbeitee, eine Dokumentation über Marianne Sägebrecht, interessant doch ihre Zusammenarbeit mit dem Hyperlinken Rio Reiser (einer, der schönsten Lieder "Für immer und Dich"), der meinte, er würde auch gerne eine Million Platten verkaufen. Da schau her, denke ich, es geht doch immer um das Geld und Ego, wenn die Bekanntheit kommt, flöten geht die Ideologie. Es kam der Tod dazwischen. 

Der Kopf dröhnt, das Halsweh wird durch Tyrothricin eingedämmt, er schrieb sinngemäß, dass das Kranksein positiv zu sehen ist, das Positive sehe ich gerade nicht, mir tut alles weh und im Spiegel blickt mir ein Waschbär entgegen. Aber, vielleicht hat er Recht, der Körper zog die Notbremse, es war mir alles in letzter Zeit zu viel. Ich muss etwas ändern, ja, meine Einstellung. Ich habe mich gestern noch in der Fahrschule eingeschrieben und werde jeden Abend zwischen 18-jährigen zukünftigen BMW- Fahrern, vollverschuldet,  sitzen. Ich habe Katjas Mercedes EQE Limousine im Auge. Wir sind doch eine kleine Familie, meine Schwester, meine Nichte und ich. Ich liebe Autos, auch, wenn ich nie mehr fahren wollte. Und nur, weil ich Umweltrecht studierte, bin ich keine Jesus-Schlapfen-Jüngerin. Aber, ich muss mich nicht rechtfertigen. Vor niemanden. Ich gehe wieder ins Bett und lasse die Textzerstörer Texte zerstören. Das ist kein Text. Pech. 



Hinweis: Der Verfasser wünscht generell keine Kommentare von Aron Manfeld.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 eiskimo (06.08.24, 21:58)
Anschaulich und schrecklich dicht dran - ich spüre selber schon Halsschmerzen!
Zu den Reichen und ihren Krankheiten: Meines Wissens gibt es bei denen eine signifikant höhere Lebenserwartung, weil sie sich z.B. viel gesünder ernähren (können).
Gute Besserung!
Eiskimo

 Mondscheinsonate meinte dazu am 06.08.24 um 21:59:
Das, jedoch ist das Sterben genauso grausam.

 Beislschmidt antwortete darauf am 08.08.24 um 13:29:
Man soll sich nicht ständig rechtfertigen, wenn das Leben so kurz und die Freuden so klein sind. 
Salbeitee schmeckt grauslig aber ich zieh trotzdem, auch wenn's heiß ist, immer einen Schal an zur Vorbeugung.
:D :D

 Mondscheinsonate schrieb daraufhin am 08.08.24 um 13:33:
Salbeitee ist echt grauslich. Gut, da brauchst den Schal.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram