Die zwei Maden

Märchen zum Thema Erfolg

von  Graeculus

Einst grub ein Landarbeiter mit seinem Spaten ein Stück Land um. Nach getaner Arbeit schulterte er sein Gerät und begab sich auf den Heimweg.

Wie es der Zufall wollte, waren an dem Spaten zwei Maden hängengeblieben. Es versteht sich, daß sie keine Chance hatten, sich lange dort zu halten. Die erste fiel auf den dürren, trockenen Boden des Weges, die zweite in einen Graben, punktgenau auf eine tote Katze, die dort ihr Ende gefunden hatte.

Nach einiger Zeit dachte sich die erste Made, der es an allem mangelte und elend ging, sie sollte doch einmal ihre nicht weit entfernte Schwester besuchen. Mühsam schleppte sie sich dorthin und erblickte sie unten in dem Graben, wie sie sich an der Katze gütlich tat.

„Hallo, Schwester!“ rief sie. „Mir geht es schlecht. Ich habe Hunger und bin arg abgemagert. Aber du, du bist so rund und fett. Worauf führst du deinen Erfolg zurück?“
Fröhlich erwiderte die Angesprochene: „Intelligenz und Durchsetzungsvermögen, liebe Schwester! Ja, Intelligenz und Durchsetzungsvermögen!“


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Kommentare zu diesem Text


 Mondscheinsonate (14.09.24, 02:18)
Abgesehen davon, dass ich dir die tote Katze übel nehme, .... Wenn die, die nicht Glück hatte, zu ihrer Schwester konnte, dann hat die jetzt auch Intelligenz - ob sie Durchsetzungsvermögen hat, wird sie sehen ;)
Ich weiß nicht recht, vielleicht liegt es an den Maden, die mir noch im Magen liegen, weil ich sie fressen sah, aber ich finde deine Geschichte leider nicht prickelnd. Nicht bös gemeint. Den letzten Satz zu betonen, war auch nicht notwendig.

Kommentar geändert am 14.09.2024 um 02:19 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 14.09.24 um 23:01:
Dann trifft Dich dieses Märchen zu einem ungünstigen Zeitpunkt und obendrein mit einem ungünstigen Personal.

Die Doppelung des letzten Satzes aber, die hat ihren Sinn: Sie zeigt, wie wichtig der tollen Made das ist, wie stolz sie auf sich ist.

 Mondscheinsonate antwortete darauf am 14.09.24 um 23:14:
Ist eigentlich Stolz etwas schlechtes? Selbst bei Fehleinschätzung?

 Graeculus schrieb daraufhin am 14.09.24 um 23:30:
Meine Meinung: Stolz auf eine Leistung vermutlich nicht. Im Falle einer Fehleinschätzung halte ich es allerdings für Angeberei.

Mir fällt allerdings auf, wie gering der Anteil meiner Leistungen ist, auf die ich stolz sein könnte. Denken und Schreiben: meine Leistung? Ich weiß nicht einmal, woher die Ideen dazu kommen ... und auch nicht, woher diese Besessenheit, alles versprachlichen zu müssen.
Wenn ich an meine Eltern denke - von ihnen habe ich das nicht, es ist also nicht vererbt. Ich bin einfach so, es ist einfach da, und im Grunde sehe ich jedenfalls auch keinen Grund, stolz darauf zu sein.

Menschen, die sich buchstäblich aus dem Dreck hochgearbeitet haben, mögen das anders sehen.

 Mondscheinsonate äußerte darauf am 14.09.24 um 23:58:
Da gehe ich nicht konform. Jede Leistung ist gleich viel wert (das wolltest Du lesen?). Das wäre so wie die unsägliche Diskussion, die Geisteswissenschaften wären weniger wert als die Wirtschaft. Da krieg ich so einen Hals.
Ach, wenn jemand stolz ist auf eine eingebildete Leistung finde ich süß, was ich widerlich finde, wenn jemand auf Kosten anderer Menschen als Leister hervorgeht und sich brüstet, es aber weiß, gar nichts geleistet zu haben. Hingegen, ausgenommen sind Chefs, es muss immer einen Leader geben. (Und bloß keine Neiddebatte, da reagiere ich allergisch!)

Antwort geändert am 14.09.2024 um 23:59 Uhr

Antwort geändert am 15.09.2024 um 00:00 Uhr

 Graeculus ergänzte dazu am 15.09.24 um 00:24:
Später am Tage. Ich kann jetzt nicht mehr.

 Graeculus meinte dazu am 15.09.24 um 15:18:
Es ist ja in Ordnung, wenn wir zu bestimmten Themen unterschiedliche Ansichten haben.

Ich wollte mit dieser Geschichte den Leistungsgedanken insgesamt einmal ein wenig ankratzen: Wieviel von unseren Leistungen verdanken wir glücklichen Umständen? Erbe, Begabung, sog. Willensstärke (was immer das sein mag) - was uns die Natur in ihrer großen Verlosung zugeteilt hat? Ich schrieb und meine es ganz ernst, daß ich nicht weiß, woher mir meine Einfälle kommen. Wem sollte ich da lobend auf die Schulter klopfen?

Die Anerkennung sollte dem Werk gelten. Dessen Urheber? Er hatte vielleicht nur das Glück, einer gegeimnisvollen Entität als Sprachrohr oder Werkzeug zu dienen.
Etwas aufgeblasen spricht Hegel von den "Geschäftsführern des Weltgeistes"; es muß ja nicht gleich ein Geschäftsführer sein - ein Prokurist oder Eselsprokurist (der mit i.A. unterschreibt) tun's auch - aber was ist der "Weltgeist", der in uns wirkt? Bei den Maden ist es offensichtlich Meister Zufall, die Τύχη.

Was die Gleichrangigkeit unterschiedlicher Produktionsweisen (Wirtschaft, Geisteswissenschaft usw.) angeht, da sind wir wohl einer Meinung.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 15.09.24 um 17:20:
Nun, das stimmt, man muss nicht einer Meinung sein, das macht es ja spannend.

 Graeculus meinte dazu am 15.09.24 um 23:23:
Macht es. Und am Ende ist man zwar nicht einer Meinung, versteht einander jedoch besser.

Heute habe ich gehört: "Der Schlüssel zu jeder gelingenden Beziehung ist der wechselseitige Respekt." Im Leben der Dame, die das sagte, hat das anscheinend funktioniert.

 Teichhüpfer (14.09.24, 03:01)
Bei mir waren die Landarbeiter, die alten Soldaten aus dem zweiten Weltkrieg. Die haben mir erzählt, sie wollen nie wieder Krieg.

lg Teichi

 Graeculus meinte dazu am 14.09.24 um 23:03:
Und wenn sie einen günstigen Bauernhof gefunden haben, der ihnen ein gutes Leben bot, dann lag das an ihrer Intelligenz und ihrem Durchsetzungsvermögen?

 Teichhüpfer meinte dazu am 15.09.24 um 00:59:
Arbeit, das lag an dem Willen.

lg Teichi

 Graeculus meinte dazu am 15.09.24 um 23:21:
Der starke Wille, das ist auch so ein Kamerad, auf den viele stolz sind.

 Teichhüpfer meinte dazu am 16.09.24 um 01:13:
Das hatte mit den Enttäuschungen aus dem Krieg zu tun, der Wille war stärker.

Teichi

 Graeculus meinte dazu am 16.09.24 um 15:21:
Der Wille zu überleben. Ein biologisches Programm.

 Teichhüpfer meinte dazu am 16.09.24 um 17:36:
Das war Überzeugung bei den Herren. Mein Vater war auch so.

lg Jens

 Graeculus meinte dazu am 17.09.24 um 16:33:
Ah, Du hast das in der eigenen Familie erlebt. In meiner gab es keine Landarbeiter.

 Teichhüpfer meinte dazu am 17.09.24 um 16:56:
In der Grundschule und meine Arbeit intensiver Vater.

lg Teichi

 Graeculus meinte dazu am 17.09.24 um 22:38:
Du hast das schon in der Grundschule bei Deinem Vater bemerkt?

 Teichhüpfer meinte dazu am 18.09.24 um 09:15:
Mein Vater war Kind in der Kriegszeit, musste Kartoffeln für seine vier Geschwister beim Bauern klauen. Er hatte locker fünf zehn Tausend jeden Monat im Portmaine. Die Soldaten waren die Landarbeiter, aber das mit der Arbeit, das Gleiche in Grün.

lg Teichi

 Graeculus meinte dazu am 18.09.24 um 14:51:
Fünfzehntausend Mark monatlich? Das müssen aber Reichsmark gewesen sein, die nach dem Krieg nicht mehr viel wert waren. Oder?

 Teichhüpfer meinte dazu am 18.09.24 um 16:15:
Der war selbständiger Dipl. Ing. in DM.

lg Teichi

 Graeculus meinte dazu am 19.09.24 um 15:41:
Ach so, dann war das nicht unmittelbar nach dem Krieg. War er erst spät aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrt?
chioni (40)
(14.09.24, 06:42)
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 Graeculus meinte dazu am 14.09.24 um 23:06:
So ist es wohl. Wir wissen nicht einmal, woher unsere Einfälle kommen. Ich jedenfalls weiß es nicht. Das meiste kommt uns einfach zu, wie den Maden das Fallen von der Schaufel.

 Teichhüpfer meinte dazu am 16.09.24 um 01:15:
Yo, das ist gut erkannt.

lg Teichi

 Graeculus meinte dazu am 16.09.24 um 15:24:
Also: kreativ sein und dankbar ... wem auch immer.

 Teichhüpfer meinte dazu am 16.09.24 um 17:34:
Du hast das echt gut gemacht. Die Aufgabe Parabel hatte ich im Deutsch Unterricht.

lg Jens

Antwort geändert am 16.09.2024 um 17:35 Uhr

Antwort geändert am 16.09.2024 um 17:38 Uhr

Antwort geändert am 16.09.2024 um 17:38 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 17.09.24 um 16:32:
Danke, lieber Teichhüpfer. Gut, wenn sowas noch im Deutschunterricht vorkommt.

 EkkehartMittelberg (14.09.24, 10:17)
Die fette Made hat Glück gehabt, weiß das sicher auch, gibt aber vor, dass ihr Glück ihrer Intelligenz und ihrem Durchsetzungsvermögen geschuldet sei.

 Graeculus meinte dazu am 14.09.24 um 23:07:
Das bleibt offen. Ist sie eine Angeberin, die sich toller macht, als sie es ist, oder glaubt sie wirklich daran?
Ich vermute, daß es beide Arten von Menschen gibt.
Sophia (66)
(14.09.24, 13:37)
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 Graeculus meinte dazu am 14.09.24 um 23:10:
Das ist der Sinn. Ich hätte es auch eine Fabel nennen können oder - wie chioni schrieb - eine Parabel.
In Fabeln dürfen durchaus auch Menschen vorkommen, wie hier der Landarbeiter.

 AchterZwerg (14.09.24, 16:07)
Eigentlich hat erst Heinz Erhardt den Maden zum Durchbruch verholfen, nicht etwas das sog. Glück.

Noch dazu "hinter eines Baumes Rinde ..."

Trotzdem: Masel tov

 Graeculus meinte dazu am 14.09.24 um 23:11:
Die Geschichte von Heinz Erhardt muß ich mir einmal zu Gemüte führen. Zwar mag ich ihn, aber diese kenne ich nicht.

Mazel tov, darum geht es ... und um Chuzpe.

 Soshura (14.09.24, 16:56)
Tote Katzen sind manchmal schier von Maden durchsetzt. Das vermögen die richtig gut, die Maden. Auch dass die Tierchen über Intelligenz verfügen, bezweifle ich nicht ... neben den vielen weiteren Erklärungen für jede erdenkliche Deutung.

 Graeculus meinte dazu am 14.09.24 um 23:16:
So, tote Katzen sind manchmal schier von Maden durchsetzt? Dann verstehe ich auch, warum Katzen so gerne Fliegen jagen bzw. zu jagen versuchen.
Bei der Intelligenz von Maden habe ich Zweifel. Allerdings ...:

Millionen von Maden haben sich am Freitag in Hamburg-Jenfeld von einem Müllcontainer aus zu einem 35 Meter langen und zwei Meter breiten Zug formiert. Wie die Polizei mitteilte, mißlang zunächst ein Versuch, die Maden mit einem Löschschlauch der Feuerwehr wegzuspritzen. Der Madenzug ordnete sich rasch wieder und setzte seinen Marsch unbeirrt fort. Die Stadtreinigung fegte und saugte schließlich die Maden weg. Die Maden hatten in einem Müllcontainer mit verrotteten Fleischresten hinter einem Supermarkt gelebt. (dpa)

[FAZ vom 7. August 1999]

Das ist doch bemerkenswert!

 Soshura meinte dazu am 15.09.24 um 00:42:
Ohne Zweifel, das ist es. Ich bin beeindruckt. Ich weiß, das klingt bestimmt komisch, aber ich frag mich trotzdem gerade, wer sich die Mühe gemacht hat, die zu zählen. Und wie? ... Made in Hamburg.

 Graeculus meinte dazu am 15.09.24 um 23:18:
"Made in Hamburg" ist gut! "Millionen" ist ja keine eigentliche Zählung.
Ich finde das irre, was diese Maden da gemacht haben! Wo wollten sie hin? Was hat sie über die Richtung informiert? Gab es eine "Leitmade"?

 Soshura meinte dazu am 16.09.24 um 00:17:
Ich vermute, dass natürliche Schwarmbildung allgemein aus Notwendigkeiten heraus entsteht, die durch das einzelne Individuum nicht bewältigt werden können. Die aktive Erschließung neuer Nahrungsquellen aufgrund bzw durch eine kritische Menge im Sozialverband ist eine meinerseits plausibel erscheinende Theorie.

Zugegeben, von Maden hatte ich Schwarmbildung noch nie vorher gehört, darin mag mein anfängliches Staunen und auch Zweifel begründet sein. 1999 kannte ich den Begriff Schwarmintelligenz glaube so auch noch nicht. Erst ein paar Jahre später, im Kontext regelbasierter Systeme, hatte ich meinen ersten Kontakt. 

Es gibt Aussagen, die vergleichen die Vorgänge mit denen in unserem Gehirn, interessanterweise scheint es "Leitmaden" zu geben, nicht nur eine. Zugleich orientieren sich Schwarmmitglieder nur begrenzt an ihren unmittelbaren Nachbarn. Praktische "Experimente" im großen Stil finden derzeit statt, vermute ich. Fragen Sie diesbezüglich einfach den Influenzer ihres Vertrauens. ;)

 Graeculus meinte dazu am 16.09.24 um 15:20:
Fische und Vögel zeigen oft, daß ein Schwarm (scheinbar) intelligent und in hohem Maße koordiniert agieren kann. Nur haben diese gut ausgebildete Sinnesorgane, was ich Maden nicht so zutraue. Wie und woran orientieren die sich? Und: wohin wollten sie?

Erlebt habe ich einmal einen "Madenausbruch in Massen" vom Misthaufen eines Bauernhofes aus. Dieser erfolgte zwar zu einem bestimmten Zeitpunkt, aber nicht so auffallend koordiniert.

 eiskimo (14.09.24, 16:58)
Wenn dem Politiker durch eine günstige Weltkonjunktur, eine überraschend gute WM der Nationalmannschaft und ein flottes Foto seiner Frau bei Instagram die Gunst der Wähler zufliegt, macht er es wir die fette Made...
Ich finde das Märchen auch gut erzählt!

Kommentar geändert am 14.09.2024 um 16:59 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 14.09.24 um 23:19:
Danke. Bei uns Menschen fallen einem viele solche madenartigen Züge ein, wenn man es recht bedenkt. Und gerae Politiker schreiben sich, wie du sagst, gerne als Leistung zu, was ihnen das Glück einträgt.
In der DDR spottete man: "Daß die liebe Sonne lacht, / Hat die SED gemacht."

 TassoTuwas (14.09.24, 18:46)
Muss gerade zu meinem großem Entsetzen feststellen, dass es schon ewig keine Katzengedichte mehr gibt  :(  !

 Graeculus meinte dazu am 14.09.24 um 23:20:
Aber wie man sieht, tauchen jetzt die ersten Madengeschichten auf. Das sollten wir im Auge behalten. Insbesondere, ob sich das zur Madenlyrik ausweitet.

 hehnerdreck meinte dazu am 15.09.24 um 00:22:
:D :D :D :D :D :D
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