Sechs Uhr dreißig

Gedanke zum Thema Andere Welten

von  AchterZwerg

 

Die S-Bahn läuft am Bahnhof ein

mit schmutzig-gelben Fenstern;

die Leute stehen dicht gedrängt

und wirken angespannt und klein

von zähem Dunst umgeben -

Erschöpfung wohl und Arbeitsangst,

vielleicht dem allzu frühen Wein,

dem abgekackten Leben.

 

Am Main sitzt froh ein Konvertit,

lässt keine Hoffnung sterben,                  

wirft lachend eine Angel aus

und isst sein Brot mit Appetit!



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Kommentare zu diesem Text


 Saira (07.10.24, 10:32)
Was für ein Kontrast, liebe Heidrun,
 
da ist dein Blick auf diejenigen, die ein graues Dasein fristen, dann der Blick auf den Konvertiten, der seinem Leben – trotz Widrigkeiten - das Beste abzugewinnen scheint.

Vermutlich möchtest du damit aufzeigen, dass man nach Möglichkeiten suchen sollte, die es einem ermöglichen, aus der eigenen Misere auszubrechen und das Leben aktiv zu gestalten.

Ich denke, es gibt viele Menschen, die ihrem Alltagstrott nur schwer entfliehen können, da sie in einem Kreislauf stecken, der ihnen kaum Luft zum Atmen schenkt.
 
Nachdenkliche Grüße
Sigi

 AchterZwerg meinte dazu am 08.10.24 um 07:02:
Na klar, Sigi.
Das Gedicht enthält sich ja jeglicher Wertung.
Der Wohlmeinende denkt vielleicht an einen glücklichen Rentner (wie den 8.), der Strenge an einen Faulenzer oder gar Bürgergeldbezieher! 8-)

 Teo (07.10.24, 10:37)
Moin Zwergenherzchen,
ahhh....ein Konvertit, den kenn ich.
Das ist ein Eintrachtfan, der nach Westfalia Herne konvertiert ist.
Wunderbar! Eines der schönsten Gedichte von dir.
Dein Anbeter
Teo

 AchterZwerg antwortete darauf am 08.10.24 um 07:04:
Mich anzubeten, mein lieber Teo, ist nicht ganz einfach! Aber wenn du dich unter deinem Fußbänkchen zusammenkauerst, wird es vielleicht gehen ... ;)

 Teo schrieb daraufhin am 08.10.24 um 07:20:
So hab ich mir das vorgestellt.

 TassoTuwas (07.10.24, 19:33)
Eh  Achter,

ein Mensch der unbeirrt auf Logik baut
liest dies und fühlt sich danach umgehaut
   :D  :silly:  :woot: !
LG TT

 AchterZwerg äußerte darauf am 08.10.24 um 07:06:
Tja,
gut, dass wir2 einer Altersgruppe angehören, die diesen körpernahen Kurzreisen des Verkehrsverbunds nur noch freiwillig ausgesetzt sind. :P

 Quoth (07.10.24, 19:58)
Ist die Tretmühle von Arbeit und Gelderwerb eine Konfession, aus der man einfach mal so austreten kann in die eines freien, fröhlichen Genusslebens?
An Deinen "Konvertiten" glaub ich nicht. Die da die Angel auswerfen, sind die aus der Tretmühle in ihrer Freizeit, deshalb haben sie auch genug Brot, um mit Appetit hineinzubeißen ... Oder allenfalls beziehen sie Bürgergeld!
Von Karl Marx muss es eine Äußerung geben, in der klassenlosen Gesellschaft, in der man ja keine Revolution mehr zu machen braucht, könnte man gemütlich angeln gehen ... An diese Utopie willst Du vielleicht erinnern!

 AchterZwerg ergänzte dazu am 08.10.24 um 07:11:
Daran erinnere ich mich durchaus, lieber Quoth.
Aber:

Am I young enough to believe in revolution. Am I strong enough to get down on my knees and pray. Am I high enough on the chain of evolution

Kris Kristofferson, kürzlich verstorben
 

 Tula (07.10.24, 22:43)
Hallo lieber 8er
Alles eine Frage der Perspektive. Unsere Vorfahren zogen morgens los, um Beeren zu jagen bzw. sich für die Bärenfütterung zu opfern. Damals klagte wohl niemand über das Hamsterrad, was auch nicht verwundert, da das Rad erst viel später erfunden wurde. Jetzt hat jeder vier davon und so manche Ehe geht vielleicht in die Brüche, weil die Nulpe von Mann sich bzw. ihr kein anständiges Status-Mobil leisten kann.

Woraus jedenfalls ersichtlich ist, dass man auch am Main seinen Spaß haben kann, vor allem zur Narrenzeit. Zum Angeln fehlte mir dennoch die Geduld, da esse ich lieber gegrillte Sardinen am Tejo.

Nachdenkliche Grüße
Tula

 AchterZwerg meinte dazu am 08.10.24 um 07:21:
Lieber Tula,

auch wir Zwerge sind mangels Geduld nicht die großen Angler. :P

Das Gedicht kann man natürlich als Lob auf die Faulheit verstehen. - Wie wir alle wissen, erfordert die ständige Präsenz in Arbeit und Freizeit viele Opfer. Auch Tote.
Und deshalb kommt es nicht von ungefähr, dass einige junge Menschen beginnen, erlernte Leistungszwänge abzuwerfen.
Andererseits ist ein Faulenzerleben nur in einer sog. Überflussgesellschaft denkbar.

Vielleicht findet sich die Wahrheit in der Mitte, die wiederum den Verzicht auf Überflüssiges voraussetzt ...

 eiskimo (08.10.24, 07:19)
Abkacken oder konvertieren....
Da müsste ganz schön Gedränge herrschen, am Main. 
(maint Eiskimo)

 AchterZwerg meinte dazu am 08.10.24 um 07:24:
Geht so, Eiskimo.

Sonntags schon. Da müssen wir Zwerge verdammt aufpassen, dass wir nicht dauernd von Anglern ausgeschimpft, von Flanierenden geschubst oder gar von Bikern niedergemäht werden!
Das entlastet allerdings den öffentlichen Nahverkehr. :)

 plotzn (08.10.24, 09:25)
Am Main (südliche Seite) fahre ich öfter mal mit dem Rad nach Frankfurt. Wenn da nicht so viele Zwerge rumwuseln würden, die den Geschwindigeitsrausch schmälern... Die Angler dagegen stören nicht, sie sitzen ja am Ufer.

Liebe Grüße
Stefan

 AchterZwerg meinte dazu am 08.10.24 um 11:33:
Ja schon,
aber die hassen uns! Und wie!

Weißder8.ganzgenau :(

 Didi.Costaire (08.10.24, 11:02)
Hallo Achter,

so froh macht also das Konvertitendasein...

Ungläubige Grüße, 
Dirk

 AchterZwerg meinte dazu am 08.10.24 um 11:42:
Kommt wohl immer drauf an von wem zu wem man hinkonvertiert ist.
Selbst der Glaube an den Spätkapitalismus macht nicht immer nur glücklich!

Aber, wem sag ich das.

 Odine (08.10.24, 18:45)
Ein tolles Gedicht über das die Athmosphäre bzw. einen Teil dieser, wunderbar lyrisch in passenden Bildern zusammenfasst und darstellt. 
Man merkte, hier war ein Profi mit dem richtigen Gespür am Werk.

 AchterZwerg meinte dazu am 09.10.24 um 06:50:
Danke schön, Odine!

Irgend ein Goldlöffelgeborener soll mal gesagt haben: "Wer sich vor 11 Uhr auf der Straße zeigt, der ist nichts, der war nichts und wird auch nie was sein."
Bezogen auf den öffentlichen Nahverkehr hat diese Aussage einen gewissen Wahrheitsgehalt ... ;)

 Schreibfan (14.10.24, 00:17)
Gefällt mir sehr gut, dein Gedicht, lieber achter Zwerg. Dass man zuweilen Glück dann erreicht, wenn man altvertrautes gehen lässt, ist ein interessanter Gedanke.
LG Schreibfan

 AchterZwerg meinte dazu am 14.10.24 um 09:31:
Du sagst es, Schreibfan,

das fängt schon bei der Weitergabe / Entsorgung überflüssiger Dinge an.
Die empfundene Erleichterung kann in Glück ausarten!

 Perry (14.10.24, 23:12)
Hallo Achter Zwerg,
hier stehen sich zwei verschiedene Welten gegenüber, eine triste Arbeitswelt und frohes Freizeitvergnügen. Wie ein Wechsel des Glaubens etc. da eine Rolle spielt erschließt sich mir leider nicht. 
LG
Manfred

 AchterZwerg meinte dazu am 15.10.24 um 07:01:
Lieber Perry,
ich verstehe auch nicht, warum du das nicht verstehst. 8-) 
Denk doch mal an jemanden, der den Leistungszwängen im Beruf den Rücken kehrt - aus welchen Gründen auch immer.
"Konvertieren" ist ja nicht nur im religiösen Sinn zu verwenden, sondern bedeutet einfach wechseln, umwandeln und wird u. a. in der Informatik verwendet:

Herkunft: von französisch convertir fr „umwandeln“, das seinerseits auf lateinisch convertere la „umwandeln, verwandeln“ zurückgeht. Das Wort ist seit dem 16. Jahrhundert belegt, in den Bedeutungen „Geld umtauschen“ und „zu einem anderen Glauben übertreten“ erst seit dem 19.

 wiktionary
Danke für dein Interesse.

 Perry meinte dazu am 15.10.24 um 10:22:
Hallo Achter Zwerg,
ja, wenn "Aussteigen" so einfach wäre, dann würden es sicher mehr machen! ;)
LG
Manfred
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