... bremst mich alles die letzten Wochen, ich weiß sowieso was los ist, es war nicht die Operation, auch nicht der verliebte Gockel, der nach Zurückweisung hochaggressiv wurde, auch nicht die Überhäufung mit Uni-Sachen, sondern der Todestag naht zum zweiten Mal und meine Erinnerungen schwinden, ich merke es, sie werden zunehmend uninteressant für mich, ich lebe im Jetzt und das ist nicht sehr spannend, natürlich, doch, aber ich darf darüber nicht schreiben, mein Job ist die pure Verschwiegenheit mit Klausel. Auch meine Sätze fließen nicht mehr, die Mondscheinsonate ist zur Tagscheinsonate mutiert, lebt nur noch von Tag zu Tag, in der Nacht schläft sie.
Ich versuche mich zu erinnern, sehe die Dinge nüchtern, das oder jenes war ein Blödsinn, hätte ich mir sparen können.
Nur, wenn ich an ihn denke, wird alles rosarot, fast schon kitschig, doch, ohne fast.
Aber dann holt mich die Realität wieder ein, denke an Gesetze und Rechtssätze.
Weniger rosa, alles beinhart.
Ist das Erwachsenwerden, dieses jetzt, nur im hier leben? Ich lese ein Geschwurbel und denke: "Wie verblödetet eigentlich?" - Habe nicht einmal Lust mich damit auseinander zu setzen. Der Biss wurde zum 3.Gebiss.
Die Geschichten sind irgendwo verloren gegangen, ich habe nicht den Drang sie wieder zu suchen. Manchmal habe ich noch den Lackgeruch von Herrn Reifböcks Hütte in der Nase oder das Quietschen der Schaukel vom Spielplatz, daraus entsteht nichts mehr, es ist einfach so. Die Nase von Coras Schnauze, die unter dem Tor immer hervorsah. Sascha, der fette Tigerkater, der mit einem Auge die Straße überquerte. Der 23 Uhr Zug, der durch das Tal donnerte. All das ist auserzählt. Meine Großeltern sind tot. Der R. ist tot. Meine Mutter hat mich 9.000 Euro gekostet, lebt noch, sie und ihre Schläge mit der Hundeleine, der Karabiner traf mich ins Gesicht, aber selbst das habe ich verziehen. Der kleine R. zog weg, meine, an meinem Geburtstag gepflanzte Birke, ist abgesägt worden, manchmal sitze ich auf R.s Bankerl, das er der Nachwelt hinterlassen hat und ärgere mich über seine Radwege, die deppert benützt werden von irren Schnellfahrern, aber sofort denke ich dann wieder ans Öffentliche Recht. Die Hausarbeit muss ich am Mittwoch abgeben. Ich bin im Jetzt und hier gibt es keinen Fundus.
Eine Phase, die Frauenärztin sagte: "So wie es aussieht, sind Sie jetzt bald im Wechsel."
Ja, tatsächlich.