Kluft

Kommentar zum Thema Einsicht

von  Klemm

Hannah Arendt las sich mit 14 Jahren durch Kants Werk und verstand es gut genug, um nicht aufzugeben. Manch anderer tut sich noch  im Rentenalter mit Begriffsdefinitionen von beispielsweise Zensur oder Diktatur schwer. Ich kann dazu nur sagen: es gibt durchaus Entscheidungen, die ich ohne langwieriges Grübeln treffe.


Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Saira (01.11.24, 18:59)
Hallo Klemm,

die Kluft zwischen Bildung und Verständnis ist eine gesellschaftliche Herausforderung. Arendts frühe Auseinandersetzung mit komplexen philosophischen Ideen steht im Kontrast zu der Tatsache, dass viele Menschen, trotz ihrer Lebenserfahrung, Schwierigkeiten haben, grundlegende politische Konzepte zu begreifen.

Ja, es gibt Entscheidungen, die einem leichtfallen, und ich denke, dass das Verständnis von grundlegenden Konzepten nicht nur eine Frage des Alters, sondern auch der Bildung und des Zugangs zu Informationen ist.

LG
Saira

 Klemm meinte dazu am 03.11.24 um 12:15:
Ich denke der Schlüssel ist Offenheit und die Fähigkeit, Unsicherheit und Ambivalenz aushalten zu können.

 ran antwortete darauf am 03.11.24 um 12:31:
Ambiguitätstoleranz, ich hörte einen Vortrag zu diesem aktuellen gepushten Ideal. Es gilt, Widersprüche "auszuhalten". Ich sag mal so, da kommt es bisschen  auf die Qualität der Widersprüche an. In wessen Interesse liegt es, wenn die Wassertrinker befähigt werden, den Widerspruch zw. Wort und Tat bei den  wasserpredigenden Weintrinkern auszuhalten?
Da bewahrheitet sich das Wort aushalten in unbeabsichtigter Doppeldeutigkeit.

 Klemm schrieb daraufhin am 03.11.24 um 12:47:
Ich sag mal so, da kommt es bisschen  auf die Qualität der Widersprüche an.
Durchaus!


Wer sich in völkischen Wir-Gefühlen ergeht, trinkt exakt den Schnaps, den er predigt, Dauerkater als geistig-emotionale Verfassung inklusive.

 ran äußerte darauf am 03.11.24 um 12:55:
Was genau sind "völkische wir-Gefühle"?

 Klemm ergänzte dazu am 03.11.24 um 13:06:
Schau doch im Duden nach. Bei der Gelegenheit kannst du dann auch gleich mal die korrekte Definition von Zensur nachschlagen.

 ran meinte dazu am 03.11.24 um 14:35:

  Klemm 



Schau doch im Duden nach. 

.... habe deinen freundlichen Rat befolgt. Ergebnis:
Ein "völkisches wir-Gefühl" gibt es nicht. Du führst einen Popanz spazieren. Wenn das "völkische wir-Gefühl" mal keiner Verschwörungserzählung entsprang.

 Klemm meinte dazu am 03.11.24 um 15:23:
Der Duden ist so beschaffen, dass dort nur einzelne Vokabeln nachgeschlagen werden können, also völkisch und Wir-Gefühl und Zensur.

 ran meinte dazu am 03.11.24 um 15:27:
Das ist mir bekannt, wie auch die Bedeutung der Einzelwörter. Ich fragte nach der kompletten Floskel.

 Saira meinte dazu am 03.11.24 um 18:50:
Ran, du hast recht, dass der Duden nur die einzelnen Wörter auflistet. Aber manchmal ist es hilfreich, über die gesellschaftlichen und historischen Konnotationen nachzudenken, die mit solchen Begriffen verbunden sind.

"Völkische wir-Gefühle" beziehen sich auf ein starkes Gemeinschaftsgefühl, das oft auf ethnischen oder kulturellen Identitäten basiert. Es geht darum, sich als Teil einer bestimmten Gruppe zu fühlen, die durch gemeinsame Merkmale wie Sprache, Traditionen oder Geschichte verbunden ist. Diese Gefühle können sowohl positive Aspekte wie Zusammenhalt und Identität fördern, aber auch negative Konsequenzen haben, wenn sie zu Ausgrenzung oder Nationalismus führen.

Antwort geändert am 03.11.2024 um 18:50 Uhr

 ran meinte dazu am 03.11.24 um 20:50:
@Saira

Vielen Dank, dass du einspringst und etwas erläuterst, das ist sehr freundlich.
Ich kann mit jener Floskel wenig anfangen, mir fehlt hier ein Kontext, in dem das Sinn ergeben würde.
Aber das liegt nicht an dir, der Kontext könnte nur von klemm kommen.

 Mondscheinsonate (03.11.24, 15:35)
Ich bin die Generation X, davor und danach war es und wurde es bedenklich.

 Klemm meinte dazu am 03.11.24 um 17:38:
Du meinst, die Generationen davor und danach verwendeten bedenkliche Definitionen?

 Mondscheinsonate meinte dazu am 03.11.24 um 18:16:
Richtig. Aber, vielleicht bin ich unfair. Ich bin in Künstlerkreisen und unter Intellektuellen in der Stadt aufgewachsen. Vermutlich.

 Graeculus (03.11.24, 15:46)
Hannah Arendt las sich mit 14 Jahren durch Kants Werk und verstand es.

Das bezweifle ich, zumindest für die "Kritik der reinen Vernunft".
Hannah Arendt war mit 14 ein Kind, ein begabtes Kind sicherlich, aber kein Übermensch. Für die "Kritik der reinen Vernunft" braucht man Jahre oder Jahrzehnte ... und etliches an Hintergrundwissen über die tradtionelle Metaphysik.

Also: Wer hat das behauptet und wie überprüft?

Nichts gegen Kritik an Altersstarrsinn, aber bitte nicht vor dieser fingierten Folie.

 Graeculus meinte dazu am 03.11.24 um 16:16:
Vielleicht - ich weiß es nicht - hat die kleine Hannah mit 14 Jahren "Was ist Aufklärung?" oder "Zum ewigen Frieden" gelesen und Wichtiges davon verstanden. Das wäre toll genug für ein Kind!

Für möglich halte ich es allerdings auch, daß so mancher, der im Alter starrsinig wird, in seiner Kindheit noch so manches verstanden hat. Nur hat er dann später gedacht, das sei's schon, und die Offenheit für Neues eingestellt.

 Klemm meinte dazu am 03.11.24 um 16:53:
Also: Wer hat das behauptet und wie überprüft?
Sie selbst in einem Interview. Sie meinte auch, ihre theoretisch eher wenig begabte Mutter habe ihr geholfen.





Ich kann deine Kritik nachvollziehen, allerdings gehst du ,anders als ich, von einem absoluten Verständnisbegriff aus. Ich bin nie davon ausgegangen, dass sie es mit 14 genauso verstanden hat wie mit 44; sie wird genug davon verstanden haben, um sich weiter damit beschäftigen zu wollen. Darauf aber kommt es an.



Ah! Ich hatte deinen zweiten Kommentar übersehen.



Vielleicht - ich weiß es nicht - hat die kleine Hannah mit 14 Jahren "Was ist Aufklärung?" oder "Zum ewigen Frieden" gelesen und Wichtiges davon verstanden. Das wäre toll genug für ein Kind!

Zum Beispiel, ja. Dann liegen wir ja nicht so weit auseinander. Was hältst du von einer Formulierung wie "genug davon verstehen"?



Für möglich halte ich es allerdings auch, daß so mancher, der im Alter starrsinig wird, in seiner Kindheit noch so manches verstanden hat. Nur hat er dann später gedacht, das sei's schon, und die Offenheit für Neues eingestellt.

Definitiv! Darüber habe ich auch nachgedacht. Ein bekanntes Beispiel dafür ist m.E. Peter Handke, wäre er mit Anfang bis Mitte Vierzig gestorben, wie z.B. Kierkegaard, Kafka oder Tucholsky oder wären diese älter geworden, würde sich ein anderes Bild bezüglich ihrer Weisheit ergeben.





Antwort geändert am 03.11.2024 um 17:10 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 03.11.24 um 16:59:
Vermutlich (hoffentlich!) war ich als 44jähriger etwas bescheidener mit meinen Behauptungen, was ich als 14jähriger verstanden habe.
Ich finde es passender, dann von einem gelegten Samen zu sprechen, der später keimte.

 Klemm meinte dazu am 03.11.24 um 17:29:
Überschneidung.

Dass sie es verstanden hat, habe ich, im obigen Sinne von verstehen, hinzugefügt. Sie hat eher von dem großen Engagement gesprochen, mit dem sie sich dem Werk gewidmet hat. Ist die Tatsache, dass man sich einem Verstehensprozess öffnet, nicht auch verstehen? In der Jugend erfasst man bestimmte Gedanken bereits intuitiv, ohne sie durchdringen zu können, bildlich gesprochen: Welten eröffnen sich, die man den Rest seines Lebens durchschreiten kann.

 Graeculus meinte dazu am 03.11.24 um 17:36:
Nun, ich nenne das eher "Ahnen" als "Verstehen" - aus Respekt vor dem langwierigen und schwierigen Prozeß, der einem dann bei Kant noch bevorsteht.

Ich mag Hannah Arendt sehr gern und halte sie auch nicht für eine Aufschneiderin; aber wenn ich in diesem Interview gelesen bzw. gehört hätte (war es das mit Gaus?), daß sie mit 14 Kant verstanden habe, ohne jeden einschränkenden Zusatz, dann hätte ich wohl die Augenbrauen gehoben, und mein Mund hätte ein großes "O" gebildet.

 Klemm meinte dazu am 03.11.24 um 17:49:
Wie gesagt, das Verstehen ist eine Hinzufügung meinerseits. Ich habe es mal abgeändert, um Missverständnissen vorzubeugen. 

Ich halte Hannah Arendt sogar für recht uneitel, es geht aber hier auch nicht um ihr Ego, sondern um die Tatsache, dass das Verhältnis von Zeit und Verstehen nicht so einfach ist, wie es manch einer gerne hätte.

 Graeculus meinte dazu am 03.11.24 um 17:58:
"Im Alter wird man klüger" - das wäre schön! Einer der im Umlauf befindlichen Mythen.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram