Verschüttet in Charlottenburg - (Berliner StattPläne)

Geschichte zum Thema Stadt

von  Gabyi

Als ich früher in der Habsburger Straße gewohnt hatte, lebte unter mir eine ältliche Frau, die mich häufig an den Mülltonnen ansprach und mir erklären wollte, wie man den Müll artgerecht entsorgt. Ich habe für solcherlei Ansagen meist taube Ohren und blickte nur stumm in ihr etwas angeschmuddeltes Gesicht. Ihre dicke Kassenbrille war blind und fettig verschmiert und sie murmelte ständig davon, dass sie mit ihrem Muttchen in Charlottenburg verschüttet gewesen war. Das muss am Ende des zweiten WKs gewesen sein schloss ich messerscharf. Ich fragte, wo denn ihr Muttchen jetzt sei und bekam die Antwort: “In Charlottenburg.” Wir wohnten in Schöneberg. Ich fand es eine etwas traurige Geschichte von Verwahrlosung, konnte und wollte auch nichts dagegen unternehmen. Ich studierte und hatte andere Dinge um die Ohren als Altenpflege. Meine Eltern hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgreich zurückgelassen. Und dann wird man konfrontiert mit “Verschüttet in Charlottenburg”. Meine Mutter hatte sich aufopfernd um ihre Eltern und ihre gelähmte Schwester gekümmert. Es war für uns alle ein anstrengendes Leben gewesen und von mir fielen tausend Steine ab, als ich dann endlich allein wohnte. Aber die alte Vergangenheit holt einen ungefragt überall ein, musste ich feststellen.


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