das Neunte

Gedicht

von  Tula

Zunächst erscheint ein flatterhafter Willen:
Ich schreib heut Abend ein Gedicht.
Die Zeit verstreicht. Bald denke ich im Stillen:
So flutscht das mit den Reimen nicht.

Bei einem Gläschen Wein komm ich ins Wanken:
Terzine? Madrigal? Sonett?
Beim zweiten sprießen unverhofft Gedanken
an weiche Arme und ein Bett.

Beim dritten wird mir klar, die rote Rose
ist als Metapher démodé.
Sie wandelt sich beim vierten zur Mimose;
ein scheues Reh im Negligé.

Das fünfte – und ein Pferd schlägt mit den Flügeln;
es trägt uns durch die Sternennacht.
Das sechste kann die Sprache kaum noch zügeln:
die Amazone voller Kraft.

Ein Licht! Gestirn auf ungeahnten Bahnen
beim siebenten – den Stier im Blick.
Ein wilder Tanz ums Feuer der Schamanen
das achte (ein gewiefter Trick).

Beim neunten schwant es mir: jetzt naht das Ende.
Ein letzter Vers. Es ist schon spät.
Im Rausch besiegt die flammende Legende
ernüchternde Realität.





Anmerkung von Tula:

PS: ich trank zum Abendbrot nur zwei, so konnte das auch nichts werden ...

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Kommentare zu diesem Text


 Aron Manfeld (06.04.25, 00:52)
Mal ruhig eine Flasche niedermachen, Tula - dann wird es interessanter.

 Tula meinte dazu am 06.04.25 um 22:36:
Hallo Aron
Für die Leser auf jeden Fall, die haben dann mehr zu lachen. Aber gut, bis zum dritten Glas wirkt der Wein durchaus inspirierend. Das entspräche dann etwa einer kleinen Flasche  8-)

Prost und Gruß
Tula

 AchterZwerg (06.04.25, 06:47)
Lieber Tula,

auf jeden Fall bin ich dankbar, dass du nicht zum "sadistischen Sonettkranz" (Zitat Ende) gegriffen, sondern etwas Unterhaltsames, Alltagstaugliches gewählt hast!

Lachende Grüße
der8.

 Tula antwortete darauf am 06.04.25 um 22:38:
Lieber 8er
Der sadistische Sonett-Kranz scheiterte am Ende daran, dass mir keine weiteren Leber-Reime einfielen  :D

LG Tula

 Teo (06.04.25, 09:51)
Moin Tula,
Ne ne...ist mir nicht fremd, dieses Gebaren. Habe mir früher schon oft ordentlich einen gelötet.
Seit etwas 12 Jahren fast nix mehr. Aber wenn mich der Stefan in der CL-Siegerarena an seinem Bierbecher schnüffeln lässt, dann geht für mich immer die Sonne auf!
Dir einen beschwingten Sonntag
Teo

 Tula schrieb daraufhin am 06.04.25 um 22:40:
Hallo Teo
Einmal ist keinmal ... Das kann man nicht oft genug wiederholen  :D

LG Tula

 GastIltis (06.04.25, 11:53)
Hallo lieber Dirk, hier ein paar Zeilen der Hochachtung!

die Neunte

Die Neunte war als Sinfonie vollendet.
Dein Kurzgedicht ist es natürlich auch.
Wie man es dreht oder verzweifelt wendet,
man steht als Leser, nein, nicht auf dem Schlauch,

nein, man bedenkt, dass früher man in Schläuchen,
den Wein, bevor man ihn ertränkte, aufbewahrt.
Das war der beste von den guten Bräuchen,
zumal auch rein geschmacklich, das klingt hart,

die Aufbereitung Lagrung vorm Gebrauch
die Nützlichkeit erheblich unterstrich.
Ein Weinbehältnis, das einmal im Rauch
hing, sich erhielt, war schon ein Ding für sich.

Man mag mit Zahlen Versen um sich schmeißen,
den Wein, ganz lauthals in sich rein,
zu schütten, würde schon das Herz zerreißen.
Man trinkt zur Not auch gern zu zwein.

Es kann der Mond sein herbes Lächeln zeigen,
die Mitternacht ihr Federkleid für sich,
für dich und mich und unser sanftes Schweigen
ausbreiten, eifrig und auch Stich um Stich,

es können Sternentaler fallen und begleichen
die Schuld, für nichts und wieder nichts.
Ein Schluck kommt hoch, nun muss es reichen,
für alles. Ende des Verzichts!



Sei herzlich gegrüßt von Gil.

 Tula äußerte darauf am 06.04.25 um 22:51:
Hallo lieber Gil
Du beeindruckst mich immer wieder mit einer poetisch brillanten Antwort.

Was fällt mir nun in dieser sternenklaren Stunde noch ein?:

Weil selbst beim Wein 'allein' nicht wirklich lohnt,
denn 'wahre Freude', weiß man, wird geteilt,
heb ich mein Glas zum fernen Mann im Mond,
worauf er - leicht beschwippst - zur Venus eilt.

LG Tula

 EkkehartMittelberg (06.04.25, 12:29)
hallo Tula,

der Wein hat seine Launen, er lässt uns immer wieder staunen.
Man muss geduldig weiter proben, bei Glas dreizehn stotternd das Ende loben.

Heitere Grüße
Ekki

 Tula ergänzte dazu am 06.04.25 um 23:00:
Lieber Ekki

Der Wein hat nach dem Lagern aus Erfahrung
so um die dreizehn oder mehr Prozent Geduld.
Dem Dichter dient er auch als Offenbarung:
Wenn mal kein Reim kommt, hat die Muse Schuld.

LG Tula

 Didi.Costaire (06.04.25, 14:04)
Moin Dirk,

als Junger wollt ich's auch so richtig rocken
und soff, um mich in einen Rausch zu schreiben. 
Heut lass ich's nach dem achten Glase bleiben. 
Da bleibt auch der Humor ein wenig trocken.

Schöne Grüße, 
Dirk

 Tula meinte dazu am 06.04.25 um 23:10:
Hallo Didi-Dirk

Das ist auch gut so, weil beim achten
die Leser immer kräftig lachten.
Beim neunten oder gar beim zehnten
gab's manche, die da plötzlich gähnten!
Gelangst du bis zum Gläschen Nummer zwölf,
trink weiter und vergiss den Reim ...  ;)

LG Tula

 Didi.Costaire meinte dazu am 06.04.25 um 23:43:
Mich würde auch noch Nummer 13
ob ihres Reims besonders reizen,
doch spätestens bei Weinchen 16,
da fang ich wirklich an zu ächzen.

Antwort geändert am 06.04.2025 um 23:47 Uhr

 Tula meinte dazu am 06.04.25 um 23:49:
Bist du beim Dichten ganz besonders fleißig,
jelllingt 'n verrsch - Hick! - 'beimmm Glässchschen drrreiischich ..

 plotzn (06.04.25, 17:45)
Servus Dirk,

du Glücklicher erklommst die letzten Stufen
der Leiter der Erkenntnis bis Glas neun,
der Stier im Blick kommt nicht mehr aus den Hufen,
man kann sich ohne Lyrik auch erfreun.

Liebe Grüße
Stefan

 Tula meinte dazu am 06.04.25 um 23:22:
Servus Stefan

Ich steig beim Dichten gern ins Firmament,
weil dort der Geist im Wein am hellsten brennt.
Erst neulich schrieb ich was von Kassiopeia
und wie mein armes Herz zerbrach - Au weia! 

LG Tula
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