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 Inhalt 
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VIII

Erzählung

von  Quoth

Die Explosionen verstummten, der Himmel dunkelte ein, die Nacht verschluckte die Farben, schwarz das Gefängnis und das Amtsgericht, schwarz das Klohaus im Hof unter den schwarzen Lebensbäumen, schwarz der Stumpf des Obelisken drüben auf der anderen Straßenseite, den der Graf von Ostost dem dänischen König errichtet hatte, derselbe Graf, dem auch das Kapellchen geweiht war nicht weit davon, weil er der Schutzpatron von Krogstedt war, das Kapellchen war abgeschlossen, und Achim sagte, es sei vollgestopft mit Gold und Edelsteinen, aber das Zeug hätte jetzt keinerlei Wert, weil man es weder essen, noch trinken, noch rauchen könne. Eike, Achims älterer Bruder, war zu uns gezogen, weil es zu eng war in der Wohnung der Wachtmeisterswitwe, aber eine Witwe war sie vielleicht gar nicht, der Wachtmeister lag im Kompost, sein Stiefel schaute heraus, und aus den Blütentrompeten waren drei dicke gelbe Kugeln geworden, mit Kernen geladen wie Bomben, aber man konnte auch Suppe drauf kochen, die schmeckte widerlich, man musste massenhaft Vanillearoma und Süßstoff und rotes Heißgetränk von Frau Büttenbinder hineinkippen, damit sie genießbar wurde, ich heulte, weil ich sie nicht mochte, wurde zur Strafe ins Bett gesteckt, und abends sang Vilma uns ein Schlaflied vor, von dem ich nur noch den Kehrreim weiß:

Een, twej, drej, veer,
in Hoppensack, in Hoppensack
in Hoppensack is Füer,
fief, söss, söben, ach,
de Modder mach de Lüchten ut
un säd uns goode Nach!"

Das war Plattdeutsch und ich verstand es nicht, aber es hörte sich gut und stark an, und was der Hoppensack war, wusste nur Vilma, aber die verriet es nicht, es hatte was mit Hamburg zu tun, ihrer Heimatstadt, wo es vieles gab, was niemand verstand, einmal waren wir hingefahren, es roch nach Rauch und Asche, es gab riesige Schuttberge und Hauswände, von denen Blümchentapeten herabflatterten, in den Straßenbahnen hatten die Menschen Brandwunden in den Gesichtern, es gab Einäugige, Einbeinige, Einarmige, und alle waren vergnügt, es hatte mir gut gefallen, und neben der Bahnstrecke waren Teiche, das sind Bombenkrater, sagte Vilma, und in einem von denen hab ich mit dir gelegen, als ich dich vom Kinderkrankenhaus abholte, der Zug wurde angegriffen, aber die haben dich prima hingekriegt mit deiner Mittelohrentzündung, ich hatte schon gedacht, ich säh dich nie wieder, sie hatte mir Blut gespendet von Schläfe zu Schläfe, da hab ich dich ein zweites Mal geboren, sagte sie, Penicillin gab es ja bei uns noch nicht, und Eike riss die Augen auf, wenn er hörte, was ich schon alles erlebt hatte, er tobte abends noch im Bett, manchmal brach es durch dabei, aber das störte ihn nicht, er hatte immer einen Nachttopf unter dem Bett stehen, der stützte das durchgebrochene Rost, und er nässte regelmäßig ein, ich bewunderte ihn, das hätte ich mich nie getraut, und wir heizten den Kanonenofen mit den Wehrpässen aus dem Papierkeller, das Rohr war durchs Fenster geführt, ringsum das Glas durch Asbestpappe ersetzt, und innen drin hatte er Steine, die hießen Schamott, als ob Motten sich schämen könnten,  und wenn er richtig bullerte, wurde es mollig warm, und Frau van Genees und Vilma machten geheimnisvolle Dinge, die wir nicht sehen durften, es roch nach Leim und nach Holz, sie benutzten eine Säge, die hieß Laubsäge, gerade als ob man damit das Laub von den Bäumen sägte, aber das fiel von alleine herunter, aber was sie aussägten, durften wir nicht sehen, dafür zeigte mir Eike seinen Pipihahn und wie er ihn dick machen konnte, das sei ganz einfach, sagte er, man müsse ihn nur reiben und dabei an Frau van Genees denken, wie sie den Rock hochstreifte, ich versuchte es auch, aber bei mir funktionierte es nicht.




Anmerkung von Quoth:

wird fortgesetzt

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