Drecksarbeit

Kommentar

von  autoralexanderschwarz

„Ich kann nur sagen, größten Respekt davor, dass die israelische Armee, die israelische Staatsführung den Mut dazu gehabt hat, das zu machen", positionierte sich heute der deutsche Bundeskanzler am Rande des G7-Gipfels bezüglich des aktuellen Angriffs Israels auf den Iran und damit das Bombardieren von Städten und Atomkraftwerken: „Das ist“, sagte er dem ZDF, „die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle" und meinte mit „wir“ nicht etwa die Deutschen, die ihn gerade zähneknirschend zum Kanzler gewählt haben, sondern gleich den gesamten „Westen“.


Vor etwa 80 Jahren hielt Himmler seine berühmte Posener Rede, in der er die versammelten SS-Männer lobte, dass sie zwar wüssten, „was es heißt, wenn 100 Leichen beisammenliegen, wenn 500 daliegen oder wenn 1000 daliegen“, aber dennoch „anständig geblieben“ seien. „Dies durchgehalten zu haben“, habe sie „hart gemacht“ und sei ein „Ruhmesblatt“ deutscher Geschichte.


Auf den ersten Blick haben beide Aussagen wenig gemeinsam, der Kontext, die Zeit, die Welt ist eine gänzlich andere und – um es explizit zu sagen – Friedrich Merz ist nicht Heinrich Himmler. Und doch gibt es auch Gemeinsamkeiten, die jene erschrecken müssen, die dachten, dass die Deutschen etwas aus dem Holocaust gelernt hätten.


Der konnotative Raum der Metapher „Drecksarbeit“ beinhaltet eben nicht nur, dass es eine schmutzige Arbeit ist, sondern eben auch eine, die getan werden muss, die in irgendeiner Weise notwendig (und in diesem Sinne auch gut) ist. In beiden Aussagen aber geht es um das Töten von Menschen, dem hier – indirekt – ein tieferer Sinn zugesprochen wird. Dem mögen im Kopf von Merz wohl gänzlich andere Erwägungen zugrundeliegen als bei Himmler, aber das ändert nichts daran, dass dieses Töten hier rhetorisch nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern sogar explizit gelobt wird.


Das ist ebenso beschämend wie erschreckend.



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Kommentare zu diesem Text


 Moppel (17.06.25, 20:02)
Respekt für diesen Text, Alexander. Man reibt sich die Augen und Ohren, wenn man das neue Narrativ hört, das nun angelegt wird: Israel rettet die Bevölkerung Irans vor der Unterdrückung. Obwohl sie erst mal paar hundert davon tötet. Kollateralschaden quasi.
Wie in Gaza auch. 
Ja, die angebliche Notwendigkeit erschreckt. Dies ganze Welt erschreckt, Alexander. 
Es ist alles so abstrus, dass man keine Satire mehr darüber schreiben kann. Drum tue ich es nicht. lG von M.

 AlmÖhi meinte dazu am 17.06.25 um 20:56:
Die ursprüngliche Antwort wurde am 17.06.2025 um 21:11 Uhr wieder zurückgezogen.

 S4SCH4 antwortete darauf am 17.06.25 um 22:01:
Nur der Vollständigkeit halber: Das Wort "Drecksarbeit" kam von der Moderation Fr. Zimmermann (ZDF). 

Der Kanzler Merz hat diese Vorlage "dankbar" angenommen und wohl unglücklich verwertet. Es ließe sich darüber streiten, ob er da an die zivilen Opfer dachte, oder nicht und womit die Aussage des obigen Textes gewissermaßen entkräftet wäre. Unterstellen sollte man derartiges nun wirklich nicht, achtsam dahingehend bleiben wohl schon.

Hier der Link zum besagten Interview: (das ~10Min Video ist es)  link zum interview

Antwort geändert am 17.06.2025 um 22:04 Uhr

Antwort geändert am 17.06.2025 um 23:08 Uhr

 autoralexanderschwarz schrieb daraufhin am 17.06.25 um 23:05:
@S4SCH4: Ich habe es jetzt gerade noch einmal erschrocken nachrecherchiert. Die Pressemeldung, auf die ich mich bezog, war von tagesschau24, aber wenn du das Zitat suchst, findest du es auch bei der ZEIT oder spiegel.de im zitierten Wortlaut. Der Reporter greift das in dem späteren Interview nur noch einmal auf.
@Moppel: Danke und ja.

Antwort geändert am 17.06.2025 um 23:07 Uhr

 Moppel äußerte darauf am 18.06.25 um 12:05:
danke Sascha füpr den Link, dem ich soeben gefolgt bin.
Nein, ich widerspreche dir, achtsam hätte Merz sein müssen. Der Begriff Drecksarbeit wurde zwar von der Moderatorin ins Spiel gebracht, aber Merz sagte darauf: Ich bin dankbar, dass Sie diesen Begriff ins Spiel bringen. ja, Israel hat die Drecksarbeit gemacht...Da kann man wihl nicht von einem Lapsus Linguae ausgehen.
Also ist Alexanders Text vollkommen korrewkt. Seine persönliche Wertung kann man teilen oder nicht. ich teile sie.
Völkerrechtlich ist das Vorgehen von Israels "Präventivschlag" umstritten, ebenso wie sein inhumanes und völlig inakzeptables Vorgehn zur Vermichtung der Hammas gegenüber der Gaza-Bevölkerung.

lG von M.

 Beislschmidt ergänzte dazu am 22.06.25 um 15:16:
Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Kanzler vor Merz zu so einer Aussage fähig gewesen wäre. Keiner!
Merz ist eine Fehlbesetzung. Nicht mein Kanzler.

 Graeculus (22.06.25, 15:08)
So sehr ich dieses Zitat mißbillige, möchte ich doch daraufhinweisen, wie Merz es vermutlich (!) gemeint hat: Es bezieht sich auf einen Staat, der erklärtermaßen Israel auslöschen möchte, seit Jahren im Hinblick auf sein Atomprogramm der Welt die Hucke vollügt und im Inneren ein Terrorregime etabliert hat.
Da hinkt der Vergleich mit Himmlers Posener Rede, die sich auf Juden bezog, die nichts dergleichen zu verantworten hatten.

 autoralexanderschwarz meinte dazu am 23.06.25 um 10:19:
Mir geht es ja auch mitnichten um einen direkten geschichtlichen Vergleich, sondern in erster Linie um eine Verwandtschaft der genutzten Sprache, deren Gebrauch (zum einen) darauf abzielt, das Schlimme (in beiden Fällen ja recht plump) in etwas Gutes umzudeuten und (zum anderen) damit und dafür billigend die Objektivierung (und damit Entmenschlichung) derjenigen in Kauf nimmt, die im Zuge einer solchen „Drecksarbeit“ sterben. Solche Parolen mögen am Stammtisch (wenn es sowas überhaupt noch gibt) gut ankommen, aber sie ziemen sich nicht für einen (deutschen) Bundeskanzler.

Antwort geändert am 23.06.2025 um 13:25 Uhr

 autoralexanderschwarz meinte dazu am 23.06.25 um 13:10:
Oder wie es Navid Kermani (von dem ich ansonsten kein wirklicher Fan bin) sehr treffend formuliert:

„Wer Respekt vor der Drecksarbeit hat, Bomben auf Zivilisten abzuwerfen, ist selbst ein Dreckskerl."

 Graeculus meinte dazu am 23.06.25 um 13:52:
Das war eine sprachliche Entgleisung, und man kann nur hoffen, daß der Bundeskanzler nicht wirklich so denkt. Vermutlich wird er sagen (oder glauben), daß der israelische Angriff sich ja nicht gegen Zivilisten richte.

 Jack (25.06.25, 20:26)
Die Aussage von Merz war eine sprachliche Drecksarbeit, genau in dem Sinne, in dem die Aussage gemeint war.
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