Liberté, Egalité, Portemonné

Beschreibung zum Thema Täter/Opfer

von  eiskimo

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Das Portemonné hat längst die Fraternité (Brüderlich-oder Geschwisterlichkeit) abgelöst. Frankreichs wichtigste politische Vokabel ist jetzt „le pouvoir d´achat“, zu Deutsch: Die Kaufkraft. Wahlen und Kundentreue werden am Portemonné entschieden.

Das wissen natürlich am besten die großen Hypermarchés und Discounter, allen voran unser deutscher Preisbrecher Lidl.

Ein Baguette für 29 Cent, da kann man sich schon mal mit dem Obelisken beweihräuchern lassen – so sieht stramme Kaufkraft aus!

Der Katalog vom 21. August will den Franzosen aber noch mehr Gutes tun: Er verspricht eine Flasche Cabernet-Sauvignon für unter 2 Euro, Kein Wein ohne Käse - der Tourteau aus dem Poitou käme 89 Cent die 100 Gramm – alles Waren naturellment„d´origine France“.

Ja, der deutsche Discounter gibt sich total französisch, und die Franzosen mögen „Lidèle“, der ihnen ihre Kaufkraft stärkt.

Anders als in Deutschland aber ist Lidl France sehr fleischlastig, weniger Bio und voller Dickmacher. Schweinekoteletts das Kilo unter sechs, Fischstäbchen sogar unter fünf Euro – da kann der Kunde sich was braten. Dazu, wenn er denn will, 3,5 Kilo Pommes frites für 4,39 Euro, und als Nachtisch 8 Hörnchen Bon Gelati für 2,25 Euro . Wer könnte da „Non!“ rufen?

Für die Zielgruppe Kinder warten 1,1 Kilo Nesquik und ein Doppelpack dicke Prinzenrolle – zusammen gut zwei Kilo Süßstoff … für unter sieben Euro.

Mamas TV-Food könnte die XXL-Packung Pistazien „grillées et salées“ sein, 500 Gramm für sieben Euro, und Papa wird sicher schwach bei 28 Büchsen Bier „1664“, bei denen er beim Kauf einer zweiten Dröhnung 50 Prozent spart – die bekäme er dann für schlappe 8,59 Euro.

Ja, der Katalog strotz vor Wohlgenüssen. Crêpes mit Schokofüllung, Crispy Ms&Ms, Cantuccini, Happy Hippo, Kitkat-Yoghurt-Mix...

Lidl meint es halt gut mit den Franzosen, absolument. Ihre Kaufkraft bleibe stark und ungebrochen, so wie das siegreiche Obelisk-Baguette.

Aber nicht nur die Sorge um „le pouvoir d´achat“ treibt die Lidl-Strategen um. Sie sehen natürlich, welche Art Ernährung sie da in XXL-Formaten propagieren.

Deswegen unter den fetten Produkt-Emblemen und ganz klein, ohne die Kauflust zu stören, die fürsorglichen Hinweise, bloß nicht „ zu fett, zu süß, zu salzig“ zu essen , ja die „Knabbereien zu meiden“,und, liebe KäuferInnen: Essen Sie bitte täglich zum Schutz Ihrer Gesundheit mindestens fünf Früchte und Gemüse!“ Und treiben Sie Sport!

Um das Gewissen dann gänzlich zu beruhigen, der Link www. mangerbouger.fr – essen und sich bewegen.




Anmerkung von eiskimo:

Auch in Frankreich ist die Zahl der Übergewichtigen stetig zunehmend: 8 Millionen gelten als "obèse", das sind 17% der Gesamtbevölkerung. Überrepräsentiert dabei sozial schwache und bildungsferne Gruppen
PS: Ich weiß, dass die korrekte Schreibweise  "Portemonnaie" lautet

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Kommentare zu diesem Text


 hehnerdreck (26.08.25, 03:03)
Sehr informativ! Danke!  :)

LG

 AchterZwerg (26.08.25, 07:15)
Irgenwie bin ich von "den" Franzosen ziemlich enttäuscht. Da hat Lidèle ganze Arbeit geleistet!
Dieses Volk, das stets so gut zu leben verstand, wird nun ebenfalls fett wie eine Wachtel. Pfui!

Einzig die Baguette-Reklame ist genial. Das muss ich neidlos anerkennen.  :P

 eiskimo meinte dazu am 26.08.25 um 16:49:
Die vielgerühmte Haute Cuisine verliert sich, und die Pizza to go ist sehr im Kommen. 
So ein Baguette für 29 Cent landet dann auch gerne mal abends im Müll - hat ja nichts gekostet...
Trotzdrm Bonsoir
Eiskimo
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