Alle 109 Texte von minimum

auf einer Männerglatze / Regentropfen / wie Krötenwarzen /

honiggraues Licht / kurz nach dem Platzen / des Abendhimmels /

Minutengänge / durch grüne Tunnel / gelb und grau / die steinerne Stadt /

graue Fetzen Wolkenpapier / auf der blassblauen Abendfläche / von keinem Wind bewegt /

unerreichbar für die Scheibenwischer / ein dunkelrotes Blütenblatt / auf der grauen Autostirn /

leise schwankend / der übermannshohe / Turm mit blonder Spitze: / ein Kinderritt / auf Vaterschultern /

im leichten Wind / huscht eine Vogelfeder über den Asphalt / wie eine panische Maus /

unter Lack erstarrtes Gesicht dessen Trägerin aber mit einem Säugling hantiert vorm offenen Kofferraum

beim Lupfen des Deckels / ganz oben in der Mülltonne / die gelbe Schädeldecke einer Paprika /

nachts / in den Löchern des Schlafs / das klägliche Wiehern / von Zimmertüren / in der Nachbarwohnung /

Wolken legen ihre schmalen / durchscheinenden Leiber / knapp über den gläsernen Türmen der Stadt / ins Blau /

welke Luftballons / im Randspalier / des Innenhofs: / vorbei die Blüte / im gekippten / Hinterhausfenster / der Spiegelfrühling / vormittags /

mit erdbraunen Bäuchen / und sehr lebensfrischem / Rückengrün / eine Großfamilie / falscher Igel / durcheinander gepurzelt / auf dem Bürgersteig /

gut anderthalb Meter / über dem Asphalt / eine energisch schwebende / Riesenschildkröte / die pink / durch den Regenmorgen leuchtet /

beiläufig offener Hauseingang: verschollenes Kneipengrün wie eine kleinteilig gekachelte Botschaft aus den Siebzigern mitten ins physische Herz

ein strohiges Insekt / siedelt einsam in den blauen Baumwollschlingen / eines Handtuchs / das über Nacht / nicht trocknen wollte /

im Augenwinkel die paarweise Annäherung von Hunden (durch eine entschlossene Drehung des Kopfs diesmal noch als Tauben entlarvt)

kein wehender Bart (nikotingelb) kein verrotztes Riesentaschentuch nur Fressen im Gehen (die Wahrheit beharrlichen Hinsehens: Gebäck aus einer Bäckertüte)

in Rückenlage / durchs Fenster spähen: / manchmal / ein Flugzeug / winzig wie ein Silberfischchen / das fast panisch / Richtung Rand der tiefen Bläue hastet /

der sandfarbene Schlaf der Katze / auf dem Verteilerkasten / (im Näherkommen doch nur / eine aufgeplusterte Burger-Tüte / die auf den Wind wartet) /

ein Brüderpaar grüner Tonnen / stoisch der Straße zugewandt / errichtet / ohne hinzusehen / einen gemeinsamen / seitlichen Schattenobelisken / auf dem brüchigen Muster des Bürgersteigpflasters /

vorm Eingang zur Kita auf dem Bürgersteig ein riesiger Löwe aus Plüsch drinnen toben Kinder fünf oder sechs Schritte weiter ein Zebrastreifen

vergeblich buchstabiert der Blick urbane Krakel in lila Sprayschrift (über Nacht der Hauswand gegenüber aufgezwungen als ertrüge jemand ihr weißes Schweigen nicht)

verquere Poesie der Eierschalen / ganz oben im Abfalleimer: / feucht glänzendes Innenweiß / das das bröckelnde Grau von Zigarettenasche / wie einen beschämenden Schmuck empfängt /

Sommer auf der Schreibtischfläche: ein kleiner dunkelgrauer Fleck der ein sehr kleines Insekt war das mit dem Futteral einer Nagelschere beiläufig zerdrückt wurde

der alte Mann auf dem Bürgersteig tritt einen Fetzen Papier unrhythmisch vor sich her zornig und doch selbstvergessen nach sieben acht Metern Desinteresse

strahlender Mittag: der Hubschrauber zum schwarz vibrierenden Punkt geschrumpft ein Brummen nur fürs Auge in einem Himmel der tiefblau nach den Rändern ausdünnt

ein Eichhörnchen jagt / ein anderes Eichhörnchen / wild durchs Gerippe / des Alleebaums: / zwei nackte Herzen / kurz vorm Überschlag / in der toten Brust des Winters /

auf der braunen Mauerkrone / mit unscharfen Rändern ausgebreitet / ein größerer / weißlicher Fleck / als hätte dort Schimmel / gegen Moos gewonnen: / erster / in der Frühlingssonne /

Gold auf der Flucht / plötzlich scheibenfüllend / strahlend blind / und wie mit dem Rücken zum Dunkel / des Hausinneren: / der Sonnenuntergang / gespiegelt / im Fenster gegenüber /

Sonnendiebe / mit leuchtenden Haaren / auf den Bänken im Park / langgliedrig und ohne Gefühl / für die Alten / die in schüchterner Enttäuschung / auf der Schattenlinie humpeln /

drei Tauben kommen mir / auf dem Bürgersteig entgegen / eine kopfnickend trippelnde / Front / als wollten sie sagen / es ist Samstagvormittag / und sein Grau / gehört uns /

ohne etwas zu suchen / fällt der Blick / auf die Skyline des Küchentischs: / kleinere und größere / Dosen und Gläser / und die zentralen / Zwillingstürme voll Pflanzenöl /

Voyeur des Frühlings am Rand der Stadt: die fetten weißen Baumblüten nur Fake im kühlen Wind der es im Lauf des Tages immer eiliger hat

das Quietschen des Tors zum Innenhof ist noch nicht ausgeklungen da gleiten schon Schemen am Fenster vorbei: eilige Nachbarn in dunklen Kapuzen beginnen den Tag

Grün von unten in kleinen wuchernden Abteilungen mit dem frühen Sommer hochgekommen und der braun verwitterten Mauer auf breiter Front in zäher tödlicher Feindschaft verbunden

mit hundert ungleichen Fingern / greift der Schatten eines kahlen Baums / im Weiß der Mauerfläche / nach dem Licht des frühen Nachmittags / bis eine Wolke / alles löscht /

Mittagsschatten / auf dem äußeren Fenstersims: / Inseln aus Vogelscheiße / in einem dunkelroten Meer / und die silberne Reise eines schmalen Insekts / bis ans plötzliche Ende der Welt /

die junge Frau biegt in die Kurve des Bürgersteigs hektisch armrudernd im Würgegriff eines riesigen weißen Schals hinterm Fenster kämpft der Blick mit einer gelben Gardine

Warten auf den späten Nachmittag / wenn der Linienbus / durch den Westen der Stadt gleitet / auf Bahnen aus nassem Licht / und die Farben an den Rändern / zittern /

nach den lockeren Schwärmen / von Bürgersteigkrähen / in schwarzen Mänteln und Anoraks / die Stunde der wild wehenden Schals / die ein paar letzte / bockende Fußgänger mit sich zerren /

plötzliche Sehnsucht / nach den Rändern der Stadt / wo in Siedlungen / einzelne Häuserzeilen / den ganzen Tag im Schatten liegen / die Außenleuchten / blasse Monde / über bewusstlos dämmernden Vorgärten /

die welken Burschen für alles wühlen im Garten eilen im Innenhof machen den Carport fit mit Brettern gegen Bretter stoßend die Plane auflegend für viele regennasse Jahre

die blauen Stühle des Sommers / stehen immer noch im Innenhof / so filigran / vor weißer Hauswand / dass ein zerstreuter Blick / sie als Graffiti liest / einen sonnenhellen / Moment lang /

vorm Fenster / probt eine Staffel Tauben / wieder und wieder / den jähen Aufflug Richtung Balkons / auf dem Bürgersteig gegenüber / hüpfen in wachsender Ungeduld / die misstrauisch äugenden / Vertreter der Rabenpolizei /

rosa Schuhe / leuchten für Sekunden / durchs Halbdunkel / das Grau der alten Friedhofsmauer / hat sich gesättigt mit Schatten / die in der kurzen Nachmittagssonne / einzelne Häuser über die Straße warfen /

ein Müllmann in leuchtendem Orange / schiebt einen riesigen / anthrazitfarbenen Restmüll-Container / mit vollem Körpereinsatz / den Bürgersteig entlang / ein alter Mann in dunklem Mantel / zwingt seinen Rollator / verbissen hinterher /

im Staub ein schmaler / blattloser Zweig / der daliegt als träume er / zur Blindschleiche zu werden / am Rand der Wind / der als kämmende Welle / durch wuchernde Büschel Gras läuft /

vergoldet und verschattet / die Straße / im Totenschlaf des späten Nachmittags / und nur im Rinnstein / eine Spur: / der hölzerne Rest / von Eis am Stiel / feucht auf zwei Dritteln Länge /

verlandender Weiher / vor Jahren das große / Auge des Parks / jetzt ein breiter / Ring aus schmutzigem Sand / und kaum ein Vogelflattern / das sich spiegelt / in der grotesken Pfütze mittendrin /