Schminke und andere lebensnotwendige Kleinigkeiten

Groteske zum Thema Allzu Menschliches

von  DanceWith1Life

Jeden Morgen saß sie vor ihrem dreifächrigen Spiegel, um sich ein bisschen herzurichten. Wer tut das nicht, sagte sie immer, falls einer vorbei schneite, und ihr dabei zusah. Lange hielt das niemand aus, denn der zweite Satz war dann schon persönlicher, glauben sie, dass diese oder jene Versprechung in der Werbung stimmt. Glauben sie das?
Also, cremige. sanfte, Hände, keine Fältchen mehr, keine Schuppen, keine Haare hier und da, kein schlechter Geruch, kein Schweiss, keine Hühneraugen, keine grauen Haare, keine schlechten Zähne, kein schlechtes Zahnfleisch, keine spröden Fingernägel, keine aufgesprungenen Lippen, kein Problem.
Das sagte sie, als wären alle hinter ihr her.
Und sie müsse doch auf ihren Ruf achten.
Sie hatte eine 15 Jahre ältere Schwester.
Die beiden konnten sich nicht ausstehen.
Ihre Schwester war, ach ich lass dieses blöde Wort weg, sie sah sehr dünn und ein wenig knochig aus.
Glauben sie, fragte sie manchmal, dass Liebe schön macht.
Und dabei lächelte sie ihr allerheiligstes Lächeln, durch die drei Packungen Make Up hindurch, dass es einen erschrak, falls man noch erschrecken konnte.
Denn man sah all ihre Mühe, mit der sie ein bisschen schön sein wollte, in dieser, wie sie sagte hässlichen Welt.
Es war nicht leicht, neben ihr zu sitzen und den stundenlangen Garderobensitzungen die Würdigung teil werden zu lassen, die sie erwartete, und schon gar nicht, wenn man Parfüm nicht mochte.
Sie schauen ein wenig unkommod, sagte sie dann immer, mit diesen gütigen Blicken, nehmen sie ein Baldrianbonbon, das hilft, glauben sie mir.
Natürlich musste man das Bonbon nehmen, sie wäre arg beleidigt gewesen, hätte man es verschmäht, wie jede andere ihrer gut gemeinten leiblichen und sozialen Lebenshilfen.
Haben sie eigentlich eine Freundin, fragte sie dann nach einer Weile.
Und man durfte nichts sagen, musste ihrer Selbstverständlichkeit Raum lassen, mit der sie dann wohlwollend weiterredete.
Aber natürlich haben sie eine Freundin, so ein netter junger Mann wie sie.
Irgendwann nach einer halben, Dreiviertel Stunde, war es dann immer so weit.
Sie änderte urplötzlich den wichtigtuerischen Tonfall, und fing an zu schimpfen.
Wie böse doch dieser und jener zu ihr gewesen sei.
So böse Menschen sollte es eigentlich gar nicht geben dürfen.
Die Welt ist nicht besonders gut, finden sie nicht auch.
So viel Krieg, und Armut und Hunger.
Wenn sie damit durch war, und die Garderobe inzwischen beendet, fing sie meistens an, über die vereinzelt auftauchend Wehwehchen zu reden, die ihr das Leben beschert hatte.
Kommen sie Morgen wieder, fragte sie zum Abschluss, und reichte mir die Hand, die ich nur vorsichtig berühren durfte, denn sie war ja gerade eben hergerichtet worden, ich muss jetzt gehen, leben sie wohl.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram