Ausnahmsweise einmal umständlich

Satire zum Thema Erkenntnis

von  loslosch

Nullum est iam dictum, quod non sit dictum prius (Terenz, ~190 v. Chr. bis ~158 v. Chr.; Eunuchus).  Nichts ist bereits gesagt, was nicht früher gesagt worden ist. Oder: Es ist alles schon gesagt.

Alles schon gesagt! Das sonst so knappe Latein auf dem bemühten, beschwerlichen Umweg. Omnia dicta sunt (alles ist gesagt), so formuliert der berühmte Mathematiker Jakob Bernoulli (~1655 bis 1705) oft in seinen lateinisch verfassten mathematischen Beweisen, in der gebotenen Kürze des Logikers. Wandelt man den Kontext etwas ab, geht auch: Es würde zu weit führen (longum est). Im aggressiven Neudeutsch die bekannte und beliebte Variante: Jeder will seinen Senf dazugeben (ob erwünscht oder nicht). Unerreicht dagegen der Wortwitz des begnadeten Komikers Karl Valentin (1882 bis 1948): "Es ist alles schon gesagt, nur noch nicht von allen." Die versteckte Aufforderung an den Leser, seinen Senf dazuzugeben.


Anmerkung von loslosch:

" Es ist nicht einzusehen, inwiefern Karl Valentin dem großen Charlie [Chaplin], mit dem er mehr als den fast völligen Verzicht auf Mimik und billige Psychologismen gemein hat, nicht gleichgestellt werden sollte, es sein denn, man lege allzuviel Gewicht darauf, daß er Deutscher ist." (Berthold Brecht, 1922.)

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Bergmann (12.01.11)
Da es unendlich viele Tautologien gibt, wird nie alles gesagt sein (Wahrheiten) - es sei denn, wir sagen: Alle Tautologien sind letztlich auf eine einzige zurückzuführen. Und das war jetzt nur der Aspekt der Aussagenlogik. Wenn ich die Prädikatenlogik hinzunehme, wird's noch unübersichtlicher.
Na gut, Terenz meint das im Hinblick auf menschliche Lebensgrundtatsachen... Aber auch hier gilt: Jede Mode ist Neuformulierung von Lebens-Phänomenen und Erkenntnissen, sie werden immer wieder neu formuliert. Das ist das Prinzip der Dichtung, der Kunst!
LG, Uli

 loslosch meinte dazu am 12.01.11:
Kein Widerspruch. Mir gings um die Redundanz. Zu Ende gedacht, wäre dann Kunst, Sprachkunst kaum möglich, jedenfalls wäre sie dürftig, wenn völlige Redundanzfreiheit (befreit von Redundanzen) gefordert würde. Terenz hat es hier mal übertrieben, und meine Gemeinheit war, etwas aus dem Kontext zu zerren. Seine Aussage war und ist nicht inhaltsleer, aber ungelenk. Wie schön dagegen Tucholskys Worte: "Es gibt keinen Neuschnee." Hier:  Kaspar Hauser, 1931. Natürlich hat Tucho übertrieben, der Kern ist aber zutreffend. Lothar, mit Lust (aufs Weiterfabulieren)

 EkkehartMittelberg (12.01.11)
In der Asche von Babylon hat man Schriftrollen gefunden, die beklagten, dass alle Stoffe der Weltliteratur schon verbraucht seien.
Meine Frage ist, ob in der Dichtung bereits alles gesagt ist. Ich meine nein, weil die naturwissenschaftliche Revolution so rasant voranschreitet, dass die Dichter mit der Umsetzung dieser Erkenntnisse in poetische Texte nur nachhinken können.
LG von Ekki

 loslosch antwortete darauf am 12.01.11:
Auch unabhängig von Deinem Argument liegst Du vermutlich richtig. Wie sagte der ungelenke Helmut Kohl: "Wir stehen auf den Schultern [meinte er nicht auch die Schulden? :)] unserer Vorfahren." Und somit können wir, darauf aufbauend, immer noch was entdecken.

Ich sehe, meine Satire ist gescheitert. Schon der zweite seriöse Kommentar. (- _ -) Lothar

 Bergmann schrieb daraufhin am 12.01.11:
Rettung durch Terenz selbst: Alle Argumente gegen Terenz' Sentenz sind schon gesagt. Aber auch: Die Sentenz Terenz' wäre dann schon gesagt...

Rettung von loslosch: Er schrieb keine Satire.

 loslosch äußerte darauf am 12.01.11:
Difficile est saturam non scribere (Juvenal)! Lo

 Bergmann ergänzte dazu am 13.01.11:
Wer sich verteidigt, klagt sich an...
;-

 loslosch meinte dazu am 13.01.11:
Dum excusare credis, accusas (Kirchenvater Hieronymus, 347 n. Chr. bis 420 n. Chr.; Epistulae). Während du dich zu rechtfertigen glaubst, klagst du dich an. Tja, altes Wissen. Lo

 Bergmann meinte dazu am 13.01.11:
Ich unterhalte mich gern mit dir, lieber Lothar, ich lern immer noch was dazu!
LG, Uli

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 13.01.11:
Mir ist noch aus literaturkritischer Perspektive etwas zu dem Spruch des Terenz eingefallen. Wenn Terenz ihn auf Literatur bezogen hat, ist er nicht konsequent, es sei denn, er wollte ihn auf Stoffe eingeengt wissen. Ich meine das deswegen, weil die Römer dem Kunstideal der "imitatio" folgten, nach dem jede raffinierte Abwandlung einer Vorlage etwas künstlerisch Neues bedeutete. Mit diesem Kunstideal hat meines Wissens programmatisch erst der "Sturm und Drang" gebrochen, der inhaltliche und formale Originalität statt der imitatio forderte.

 Bergmann meinte dazu am 13.01.11:
Und die Reue, sie ist doch kein leerer Wahn -
So nehm ich auch dich zum Genossen an:
Drum, Ekkehart, sei ohne Bitte
In unsrem Bunde der dritte!

 loslosch meinte dazu am 13.01.11:
Ich bin ja kein Germanist und versuche mit Googles (nicht: Gottes) Hilfe mitzuhalten: Schillers Bürgschaft (Heinz Erhardts Verriss: "Was willst du mit dem Dolche? Stich!) ähnelt dem Kurzgedicht:

"Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn -
So nehmet auch mich zum Genossen an:
Ich sei, gewährt mir die Bitte,
In eurem Bunde der Dritte!"

Eine gekonnte Bergmannsche Imitatio ohne Anspruch auf Originalität. :) Lo

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 13.01.11:
Ein schön’rer Wunsch fällt mir nicht ein,
als in eurem Bunde der Dritte zu sein.
Ein symbolisches Gläschen, euch zu ehren,
werd’ ich noch heute Abend leeren.
Ekki

 Bergmann meinte dazu am 13.01.11:
Dort stehst du, alter Zecher,
Trinkst neue Lebensglut...
Wirf nicht den heil'gen Becher
Hinunter in die Flut!

 loslosch meinte dazu am 13.01.11:
... sonst gehts dir wie weiland dem King: Schluss, Genuss! Lo

 Bergmann meinte dazu am 14.01.11:
Ich mach weder Schluss mit Genuss noch Schluss mit genus, wenn ich das mal ausnahmsweise so umständlich sagen darf...
:-)

 loslosch meinte dazu am 14.01.11:
... Schluss, Genuss ... Ein Zitat übrigens aus Josefine Mutzenbacher, wo der Kameramann (angeblich) die begehrte Aktice ermahnte. Ja, auch genus. :) Lo

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 14.01.11:
Recht haste, Uli, lieber würde ich mein Leben beenden als mit Genus und Genuss Schluss zu machen, am liebsten aber halte ich an allen dreien fest, denn was wäre das Leben ohne die letztgenannten.
Aus dem Garten des Epikur grüßt Ekki
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram