Messe

Gedicht zum Thema Glaube

von  Georg Maria Wilke

Wer weidet seine Herde in kalten Mauern? -
unter Pfeilern, die himmelwärts gewachsen sind
und Bögen, die sich um die Seelen schließen;
in Andacht starrt das Auge auf den Boden,
verschlossen der Blick nach oben,
der nach Erlösung strebt.

Welch Herde achtet auf das Wort des Hirten? -
geweihte Räume, in denen Leiber eingefercht,
wie eine Schale ruhen all die Sehnsuchtsvollen.
Die Säulenhände bieten Glaubensschutz,
doch auf den Sockeln tanzen die Dämonen,
die die Sinne quälen – die Herzen schrecken.

Der ausgetretene Gang, führt zum Altar,
drückt Buße in die Knie,
gleich einer Last aus Steinen ist das Gebet,
ein irdisches Portal, durch das der Büßer geht,
sein Mitleid durch Gesänge quält.

Die Holzbänke sind aus Frömmigkeit geschnitzt,
ganz schlicht mit einzelnen betenden Rosen,
filigranes Blattwerk schimmert durch die Frömmigkeit.
Wartende Herzen lauschen der Antwort,
die im Holze ruht –
das Schweigen der frohen Botschaft, ein Erdulden,
die Taubheit, ein Heilserlebnis voller Bitterkeit,
das in diesen Räumen schreit.

Welch Gott hat mit dieser Last Erbarmen?
Gemeinsames Schweigen -
ein letztes Amen.

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Kommentare zu diesem Text

chichi† (80)
(15.11.11)
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 EkkehartMittelberg (15.11.11)
Das rüttelt auf. Aber könnte die Überschrift nicht einfach "Messe" lauten?
LG
Ekki

 Georg Maria Wilke meinte dazu am 15.11.11:
Du hast recht - obwohl die Erfahrung eine süddeutsche war, aber wir wollen keine lokale Provokation.
Liebe Grüße

 Momo (15.11.11)
Dem katholischen Glauben fehlt es an Lebensfreude und Lust, so scheint es, und wer selber in diesem Glauben sozialisiert wurde in einer überwiegend katholischen Gemeinde weiß, wovon du in deinem Gedicht sprichst.
Den Sinnesfreuden wurde konsequent der Garaus gemacht und stattdessen das Augenmerk gelenkt auf Schuld, Schuldigkeit, eine übergroße Schuld, die in vielen Psalmen und Gebeten immer wieder zum Tragen kommt.
So wurde/wird der Mensch klein gehalten und gefügig gemacht.
Schaut man sich andere Religionen an, sieht man, dass der Glaube an Gott durchaus auch mit der Freude an sinnlichen Genüssen in Einklang gebracht werden kann.

In der ersten Strophe drückst du sehr schön die Unbarmherzigkeit der dogmatischen Glaubenssätze aus, die zwar von Barmherzigkeit sprechen, aber es tatsächlich nicht sind „kalten Mauern … Bögen, die sich um die Seelen schließen“.
Ein wesentliches Element des katholischen Glaubens besagt ja, dass der Mensch nur über den Glauben bzw. seine amtlichen Kirchenvertreter mit Gott in Verbindung treten kann; die Kluft ist einfach zu groß: hier der sündhafte, schuldige Menschen – dort eine allmächtige, über alles erhabene Gottgestalt im Himmel, ein unerreichbarer Ort. Der Blick nach oben daher „verschlossen“.

Die Stimmung in manch einer Kirchengemeinde hat das Gedicht gut getroffen; meine (Kindheits)Erfahrungen machte ich in einer eher nördlichen Gemeinde. ;)

Liebe Grüße
Momo

 Georg Maria Wilke antwortete darauf am 15.11.11:
Danke für deinen ausführlichen Kommentar - er trifft genau mein Empfinden beim Schreiben dieses Textes.
Danke und liebe Grüße

 Lala (15.11.11)
Hallo Georg Maria Wilke,

ich hätte gewettet, dass diese Beschreibung einem protestantischen Gotteshaus und Gottesdienst zugeeignet ist, denn die katholischen Kirchen sind doch bunter, barocker und heller, als die Grüfte der Evangelen.

Gott zum Gruße

Lala
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