Gendefekt

Sonett zum Thema Abgrenzung

von  Isaban

Ihr geht mit mir schwanger, ihr düsteren Dinge,
ihr tragt mich in schwarzschwarzen Bäuchen einher.
Ich singe aus Furcht, doch welch Lied ich auch singe,
die Finsternis wispert, da hört man sich schwer.

Genau weiß ich nie, ob ich überhaupt klinge;
ist jemand da draußen, falls ja: Ahnt mich wer?
Mein Denken und Fragen liegt wie eine Schlinge
um Hals, Brust und Beine. Ich lähme mich sehr.

Die nährende Dunkelheit bildet ein Meer.
Sie wiegt mich in Wogen, ich sauge mich leer,
und wenn ich dann hohl und entkernt mit mir ringe,

mich strikt zu Befreiung und Außensicht zwinge,
dann ist mir, als ob ich im Nirgendwo hinge,
fehlfarben, ungestalt, grausolitär.

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Kommentare zu diesem Text

Caty (71)
(23.02.12)
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 AZU20 (23.02.12)
Gut beschrieben. LG

 Irma (23.02.12)
Mir gefällt diese Umkehrung des "mit etwas schwanger gehen" hin zu "Ihr geht mit mir schwanger, ihr düsteren Dinge". Die Depression wird zum Agens, zu etwas, was das Leben des LyrIch bestimmt.

Obwohl nur vier Hebungen, bekommen die Zeilen durch den Daktylus ein Mehr an Silben, durch das diese besondere Schwere gut zum Ausdruck kommt. Gleich überlangen DNA-Strängen ziehen sich die Verse durch die chromosomen-kreuzgereimten Quartette. Die Überschrift stellt die Depression als etwas Anlagebedingtes dar, was gut zum Bild der Schwangerschaft passt. Wie einem Embryo ist dem LyrIch die Außensicht durch die Bauchdecke versperrt. Die bangen Frage "ist jemand da draußen, falls ja: Ahnt mich wer?" ist und bleibt unerhört.

Die eigene Wahrnehmung ist gestört, die Frage nach dem Selbst deshalb nach außen gerichtet. Eine Art Nabelschnurschlinge hat sich fest um das LyrIch gelegt, das sich durch jede Regung immer mehr einschränkt in seiner Bewegungsfähigkeit, sich quasi immer mehr selbst lähmt. Es schwimmt im Nirgendwo der nährenden Fruchtwasserlösung und löst sich dort selbst auf. Schön auch die Herausgebung der letzten Zeile durch den Auftaktwegfall, diese Betonung der Silben "fehl", "un" und "grau", in Verbindung zum "mich" zu Beginn von S4.

Gerne gelesen! Bin immer wieder erstaunt, liebe Sabine, wie schnell du ein Sonett nach dem anderen so locker aus dem Ärmel schüttelst. LG BirmchenIrmchen
(Kommentar korrigiert am 23.02.2012)

 Lluviagata (23.02.12)
Ohnegleichen!
SCHWARZERLEU (27)
(23.02.12)
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magenta (65)
(24.02.12)
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