Zufällige Begegnungen

Anekdote zum Thema Schicksal

von  Bluebird

Gegen zwei Uhr nachts saß ichim „Daydream“ , trank einen Kaffee  und fragte mich gerade, was ich hier eigentlich wollte in diesem trübseligen Auffangbecken für Nachtschwärmer und Schlaflose.   
  Da kam Rolf in einem Pulk von leicht angesäuselten Nachtgängern herein. Sie setzten sich alle an den Tresen,  bestellten Bier und prosteten sich lautstark zu. Sogleich kam richtig Stimmung in die Bude.

Eine Weile rang ich im Halbdunkel der Kneipe mit mir, dann stand ich auf und ging nach vorne. „Ah“, sagte Rolf lachend, „du hier. Welch ein Zufall!“ „Zufall“ ,entgegnete ich, „den gibt es doch gar nicht! Du als abgebrochener Philosoph (er hatte mal sechs Semester Philosophie studiert, was er bei Gelegenheit immer mal gerne erwähnte) solltest doch Schopenhauers Von der scheinbaren Absichtlichkeit des Zufalls kennen!“
    „Was, die scheinbare Absichtlichkeit des Zufalls! Wie ist das denn gemeint?“ fragte er erkennbar amüsiert. Darauf ich: „Eigentlich heißt es ganz korrekt  Von der scheinbaren Absichtlichkeit des Zufalls im Schicksal des Einzelnen. Gemeint ist, dass ein Zufall wie unsere Begegnung hier nicht willkürlich geschieht, sondern einer höheren Lenkung unterliegt.“ „Ah, da hammer`s doch wieder“, sagte er lachend, „jetzt kommt dein Gott ins Spiel! Ich muss mal zuhause nachschauen, ob es den Aufsatz überhaupt gibt oder du ihn nur erfunden hast.“
    „Und was bedeutet in dem Zusammenhang das Wort scheinbar?“, sagte auf einmal eine Stimme von der anderen Seite zu mir. Ich drehte mich halb um und blickte in das recht sympathische Gesicht eines mittelalten Mannes.
    „Hi“, sagte er, „ich bin der Bernd. Habe euer Gespräch gerade mitbekommen. Scheinbare Absichtlichkeit heißt doch, dass es in Wahrheit gar keine Absichtlichkeit gibt. Sie eben nur scheinbar ist!?“

Wir drei sprachen bis fünf Uhr morgens über dieses Thema. Für Rolf gab es keine höhere Macht und demzufolge keine Lenkung. Bernd war sich da nicht so sicher, mochte aber auch nicht an ein höhere Lenkung glauben, eher an eine magnetische Anziehung von Energien. „Also“, sagte ich abschließend, „ der Zufall ist oft so unwahrscheinlich, dass ich mir nichts Anderes als eine höhere Lenkung vorstellen kann.

In den darauf folgenden Wochen traf ich Rolf mehrmals „zufällig“ an den verschiedensten  Stellen in der Stadt. Jedes Mal sagte ich lachend: „Ja,ja, die scheinbare Absichtlichkeit des Zufalls.!“ Einmal lachte er auch: „Ja, ja, aber eben nur scheinbar!“
    Dann eines Abends, etwa gegen 21 Uhr, verließ ich die Kirmes auf den Rheinwiesen, und ging zur Rheinbrücke. Und wer kam mir da entgegen? Rolf! Er sah mich, lachte, und sagte dann: „Ja, ich weiß schon, die scheinbare Absichtlichkeit des Zufalls.“
    Er hatte es kaum ausgesprochen, als auf einmal Bremsgeräusche  eines Fahrrades hörbar wurden. Wir schauten beide unwillkürlich hin. Vor uns stand Bernd und sagte: „Was für ein Zufall! Wollt ihr auch zur Kirmes?“

Ich verabschiedete mich kurz darauf von den Beiden und war mir nicht sicher, ob sie den besonderen MOMENT erfasst und die „Botschaft“ von höheren Ortes wirklich verstanden hatten. Oder ob sie eben doch nur von einer rein zufälligen Begegnung ausgegangen waren und die Begebenheit gleich wieder vergessen hatten.

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text

Anne (56)
(16.07.13)
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 Dieter Wal (16.07.13)
"Ich verabschiedete mich kurz darauf von den Beiden und war mir nicht sicher, ob sie den besonderen MOMENT erfasst und die „Botschaft“ von höheren Ortes wirklich verstanden hatten. Oder ob sie eben doch nur von einer rein zufälligen Begegnung ausgegangen waren und die Begebenheit gleich wieder vergessen hatten."

Vielleicht hast du doch länger Philosophie studiert und bist ein wahrer Philosoph.
Graeculus (69)
(07.12.17)
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