Das magere Ästlein - eine Geschichte über die Hoffnung

Erzählung zum Thema Hoffnung/Hoffnungslosigkeit

von  Omnahmashivaya

Als meine Oma ins Altenpflegeheim musste, da blieb nicht nur die Leere in mir selbst, eine verlassene Wohnung und der tiefe Schnitt des Familienstreits zurück, sondern auch die riesige Topfpflanze, die Jahrelang gehegt und gepflegt wurde. Ich habe sie immer bewundert, wie sie groß und imposant nicht nur bis zur Decke wuchs, sondern sich ihren Weg auch oben an der Decke bis zur Zimmerdeckenmitte suchte.

Diese Pflanze hing beim nächsten Besuch in der leeren Wohnung ziemlich vertrocknet und verdorrt in der Weltgeschichte herum. Die Äste hingen schlaff hinunter und viele Blätter waren gelb geworden und einige braune Blätter lagen am Boden. Die damals stolze Schönheit war vorrüber. Man hatte sie nicht gegossen, hatte sie vergessen. Ich schaute sie traurig an und mir kamen die Erinnerungen in den Kopf.

Ich betrachtete ihr Äste und bemerkte, dass in den ein oder anderen Ästlein noch ein wenig Leben steckte. Ich dachte es zumindest.

So brach' ich einfach ein Ästlein ab und stellte es zu Hause in ein Glas mit Wasser.

Jedoch fielen auch dort nach und nach die Blätter ab und es blieben nur drei Blätter übrig. Ich konnte und wollte dieses nicht wahrhaben, wechselte das Wasser jeden Tag, benetzte den trockenen Stiel des Ästleins und träuflelte Wassertropfen auf die noch vorhandenen Blätter, um den Gruß des Regens zu imitieren.

Das zukünftige Bäumchen wuchs nicht, es kamen auch keine Wurzeln oder neue Blätter, aber es verdorrte auch nicht. Die Hoffnung keimte aber dafür in mir, dass ich es durchbekommen könnte.

Irgendwann waren kleine weiße Stippen am Stengel sichtbar. Wurzeln? Ich freute mich sehr, dieses war sicherlich ein gutes Zeichen.

Doch bemerkte ich, dass die weißen Stümmelchen sehr weich waren und sich einfach vom Stiel lösten und meine Hoffnung entpuppte sich als die grausige Idee, dass es sich vielleicht um Schimmel handeln könne, weil Holz und Wasser sich ja nicht immer so gut verträgt und zum Faulen neigt.

Doch ich gab nicht auf, wechselte täglich das Wasser, spülte den Stengel ab und besprühte die Blätter mit Wasser.

Irgendwann wurden die Stümmelchen länger.
Mitlerweile sind nicht nur viele Wurzeln vorhanden, sondern auch weitere Blätter und man kann dem Bäumchen beim Wachsen fast zusehen.
Ich habe mich bei meiner Freundin, die Floristin erkundigt, ab wann da Bäumchen eingepflanzt werden kann und habe auch erfahren, dass man Anzuchterde benötigt, damit die Wurzeln nicht "verbrennen". Bald wird das Bäumchen also in einem Topf stehen. In einem Topf in der Zimmerecke und dort wachsen und gedeihen, bis es die Mitte der Zimmerdecke erreicht und vielleicht noch weiter.

Und mittlerweile ist nicht nur das Ästlein zu einem kleinen Baum geworden, sondern auch meine Oma ist wieder aufgeblüht und man sieht ihr ihre 97 Jahre nicht an. Bald besuche ich sie.

Das Bäumchen hat mir gezeigt, dass man mit Geduld, Liebe und Hoffnung, oft etwas erreichen kann.

Es ist nicht mehr der selbe Baum. Es ist nicht mehr das selbe Leben. Aber es ist dennoch schön. Und das ist gut so.

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Kommentare zu diesem Text


 NormanM. (03.09.13)
Das ist eine schöne Geschichte, was mir daran besonders gefällt, ist, dass es nicht nur eine Geschichte ist, sondern wahr ist. Normalerweise passieren Wunder ja immer nur in Geschichten und in Filmen.

 Omnahmashivaya meinte dazu am 03.09.13:
Nun ja, ob es ein Wunder ist, das weiß ich nicht. Für mich persönlich aber schon. Und ich habe mal davon gehört, dass es Pflanzen gibt, die unter guten Umständen besser gediehen sind, als unter schlechten, wo sie verdorrten.

 AZU20 (04.09.13)
Schon erstaunlich. Ich sehe es auch als Sinnbild der Pflege der Oma. LG
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