Richtung Irgendwo der neuen Zeit

Bild zum Thema Andere Welten

von  Fuchsiberlin

Der ICE beginnt seine Fahrt. Es ist mein Zug. Was am Bahnhof von mir zurück bleibt, verschwindet eines Tages, als Raum ohne Tür, in der Vergessenheit. Ein Zug bewegt sich nur in Richtung Horizont fort. 

Die Lichter der Gegenwart versinken in einem Kartoffelpüree der Erinnerungen. Ich mag kein Kartoffelpüree. Das Jetzt verdampft schnell, und läutet die Vergangenheit ein. Das helle Licht im Abteil blendet irgendwann das Gestern weg. Den Stahl unter den Rädern höre ich nicht. Lautlos verirre ich mich in monotonen Gedanken.

Im Ich beginne ich einsam zu singen, während karge und verbrannte Felder an mir vorbeirauschen, und der Nebel ins Sonnenlicht greift. Wälder, die zu schnell an mir vorbeiziehen, verweigern mir Erzählungen über das Leben. Irgendein verstimmter Gedanke in mir erklärt die Bäume für tot, weil der Wald schweigt, oder ich momentan den Ort des Lebens nicht höre.

Meine Emotionen weichen nicht von der Schnelligkeit der Zugfahrt ab. Sie können auch nicht bremsen. Der Zweifel am Verstand nimmt mit jedem höheren Kilometer an Geschwindigkeit zu. Entfernt von der Wirklichkeit, sehe ich Windräder, die in sich zusammen brechen, und von einer Freiheit sprechen, die nie existierte. Wölfe im Abteil schauen voller Gier. Schafe verstecken sich. Jäger und Gejagte auf engstem Raum, und ein Schmetterling sucht die Heimat. Ein großer See fragt nicht nach dem Morgen, er verschwindet vor meinen Augen.

Einsamkeit ohne Worte, Klänge ohne Echo, Töne ohne Melodie. Gestern, heute, und morgen? Der Fahrkartenkontrolleur erscheint mir wie ein Pathologe, der mich sezieren möchte, mein Ich bis in das kleinste Detail betrachten will. Ich bin nicht tot, also lass mich bitte in Ruhe.

Steige ich irgendwann an einem Bahnhof ohne Ortschild aus, dann ist es zu spät. Kein Zug wird mich je wieder dorthin zurück bringen, wo ich einst herkam. Kein Fahrplan zeichnet ein Irgendwo aus. Ich spüre Traurigkeit, und ein Blick in einen Spiegel zeigt mir eine Träne, die ich verfluche. Wer mag schon traurig sein? Entfernt von Träumen und der Wirklichkeit, auf der Fahrt ins Irgendwo.

Vielleicht sitze ich im falschen Zug. In der Zukunft erfahre ich es, doch dann ist es zu spät. Vergangenes klebt auf der Bank eines Bahnhofs, den ich verließ. Wenn Worte nach einem Punkt enden, heißt es manchmal, Abschied zu nehmen. Ein Ciao von (einem zu viel an) Worten. Vielleicht entdeckt man manchmal erst im Irgendwo, welchen Weg man zukünftig gehen kann und will.


Anmerkung von Fuchsiberlin:

Wie vielen Menschen ergeht es im Fühlen, Denken und Handeln so, oder so ähnlich?

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Kommentare zu diesem Text

Comae.Berenices (47)
(15.09.13)
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 Fuchsiberlin meinte dazu am 18.09.13:
Hallio,

dieses Bild im Text soll nicht die Zugfahrt eines ganzen Lebens aufzeigen, sondern einen Abschnitt im Leben. Notbremse zu ziehen kann manchmal hilfreich wirken..., wie wahr.

Liebe Grüße
Jörg
chichi† (80)
(16.09.13)
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 Fuchsiberlin antwortete darauf am 18.09.13:
Ich danke Dir, liebe Gerda, dies freut mich sehr.

Liebe Grüße
Jörg
Pocahontas (54)
(16.09.13)
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 Fuchsiberlin schrieb daraufhin am 18.09.13:
Liebe Sigrun,

ja dieser Text trägt sich von Stimmungen, die Du sehr gut herausgelesen hast. Und das Vergangene hinter sich zu lassen, sich auf dem Weg zu etwas Neuem zu machen, wo doch noch nicht so klar ist, wie das Neue sich dann auf dem weiteren Lebensweg auswirkt, es kann schwer oder weniger schwer fallen...

Liebe Grüße
Jörg
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