In Worten teiltest du als junger Erwachsener mit anderen eher nur die Oberfläche. Deine Ängste, Schmerzen, Traurigkeit und Verzweiflung platziertest du bei einer Psychotherapeutin. Auf andere hätte dies erschlagend wirken können. Von Angesicht zu Angesicht. Und du wolltest in keine hilflosen Augen schauen, in ein Gesicht, dass nach Worten sucht. Schlimmstenfalls dir noch Mitleid um die Ohren haut. Mitleid eignet sich nicht einmal als Brotaufstrich. Es macht nicht satt. Außerdem lerntest du eines in deiner Kindheit: Schweigen zu können.
Du bastelst gerade mehr schlecht als gut einen Schmetterling aus Papier. Ein Tagebuch Blatt. Du lässt deinen Falter aus dem vierten Stock fliegen. Sturzflug. Es war ein Versuch.
Apropos Tiere. Haustiere erhalten von ihren Besitzern einen Namen. Du erhielst auch einen. Doch deine Eltern besaßen dich nie. Sie hätten sich dein Lächeln und Kinderlachen und noch viel mehr aneignen können, dass dank ihnen eine Geburt hätte erleben können. Hätte ... Doch sie verweigerten dir das wichtigste Geschenk: Liebe. Nur deine große Schwester ließ dich dieses Gefühl spüren. Eine viel zu kurze Zeit. Nach ihrem Absturz in die Drogenwelt begann im Alter von 14 Jahren auch deiner, in eine andere Randwelt.
Manchmal, oder ein "Manchmal" mehr, fühlst du dich heute noch nicht liebenswert. Und die Angst kreuzt sich mit diesem Gefühl. Sie landete irgendwann vor langer Zeit auf deinem innerweltlichen Flughafen, und baute einen Wolkenkratzer in der Stadt deiner Emotionen. Du liebtest in deinem Leben zwei Menschen viel mehr als dich.
Vergangenheit. Es folgten einige Psychotherapien (und Psychotherapieversuche), sowohl stationär als auch ambulant, die manches verbesserten, und einiges jedoch nicht verbessern oder eliminieren konnten. Du musstest lernen damit umzugehen. Nicht einfach, doch es bleibt nichts anderes übrig. Leben ist einmalig und kostbar. Heute schweigst du, was dein Innenleben betrifft, nicht mehr jeden Tag.
Dein Leben baute eine Welt, deine, doch für Einiges findest du kaum bis gar keine Worte. Worte könnten manches auch nicht beschreiben. Nicht so, dass du das Gefühl hättest, es wäre eine komplette Schilderung deines Innenlebens und des Erlebten.
Von Raumschiffen, die in deiner Innenwelt landen und dich in ein anderes Leben fliegen, träumst du heute nicht mehr. Als Kind bautest du Lego Welten. Spieltest Leben. Dein erträumtes Wunschleben. Heute besitzt du nicht mal mehr einen Lego Stein. Doch du gibst nie auf, du kämpfst. Auch ohne deine kindlichen Traumwelten.
Haustiere erhalten von ihren Besitzern einen Namen. Und manchmal erhalten diese eine Liebe, die dem eigenen Kind verwehrt bleibt. Deine Mutter besaß einen Hund.
Heute ist Muttertag. Du hattest eine Mutter.
Aber nur auf der Geburtsurkunde.
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