Leben ist schön? Oder: Erkläre bitte einmal "Schicksal"

Bild zum Thema Andere Welten

von  Fuchsiberlin

Im Kreislauf des Blutes agiert und reagiert sein funktionierender Körper. Nach außen hin schaltet die Seele auf Standby-Modus. Die Venen vibrieren. Doch Blutkörperchen kennen keine Emotionen.

Eine Ecke des Gehirns produziert auf dem Fließ Band der Gedanken eine Frage: Willst du sterben? „NEIN“, entschiedene Gegenwehr. Verwirrt über diese Frage stolpert er über sein Leben. „Leben ist schön“. Er lächelt für dich. Doch es rebelliert in seiner Seele. Die Revolution seiner Emotionen bleibt aus. Nach außen hin zeigt er nicht den tiefen Schmerz. Den, der wie ein Vampir sein Blut aussaugt. Auf dem Friedhof der Gefallenen findest du einen See voller Blut. „Willst du sterben?“ Eine Frage aus den Tiefen dieses Gewässers. „NEIN“, ich will kämpfen, leben."

„Leben ist schön“. Er muss sich übergeben. Das macht er heimlich, am Rand der Großstadt. Seine Stimme gen Außenwelt wird immer leiser. Zum Schluss greift sich die Stille ein letztes Flüstern. Irgendwer propagiert, alles sei Schicksal. Er kotzt dem "Schicksals-Fanatiker" vor die Füße. Babys sterben, teilweise ungeboren. Schicksal? „Hör doch auf mit so einem Scheiß.“, entgegnet er ihm. Er entwickelt dabei eine Aggressivität. Schicksal? Nee, nee, das Leben eines Menschen, und alles was in diesem von Geburt an passiert, kann kein Schicksal sein.

„Leben ist schön“. Er schneidet sich gedanklich eine Vene durch. „Schau dir den Sonnenaufgang an“. Es ist Mittag, halb zwölf. Er mag nicht auf den nächsten Morgen warten. Im Leben wartete er immer wieder. Oft vergeblich. In einigen Stunden ist Sonnenuntergang. Lache nicht, aber er liebt Sonnenuntergänge.

„Halte dich nicht am Schmerz fest“. Seine Arme hängen schlaff herunter. Wie soll er da irgend etwas halten können?

Er schaut in eine Anzeigenzeitung. Rubrik „Zu verleihen“. Vergebene Suche nach einem Leihangebot eines Lächelns. „Leben ist schön“. Er sucht sein Lächeln. Warum lachst du, wenn ein anderer über Worte weint?" Er kann nicht weinen. Scheiß auf innere Tränen, er will einfach mal richtig losheulen. Heulsuse. „Na und, lasse mir bitte meine Tränen, so wie ich dein Lächeln respektiere.“ Weichei. "Lieber das, als ein Overkill-Typ."

"Wie soll Hoffnung in einer Leere entstehen?", fragt er sich, wenn er diese Momente der Gefühlslosigkeit in sich spürt. Auf dem Boden liegt sein Verstand. Splitter. Puzzle mal mit Splittern. Er nimmt dies einfach in Angriff. Zumindest glaubt er an Wunder.

„Leben ist schön“. Er träumt. Im Meer fühlt er sich wie ein Auto. Er besitzt keinen Führerschein, kann aber schwimmen. An Land fühlt er sich wie ein Schiff ohne Räder.

Irgendein Meteorologe verspricht besseres Wetter. „Leben ist schön“. Er friert gerade. Seine Seele wirkt wie der Klischee behaftete Schweizer Käse. Löchrig. Und Stimmen, die vom Wind getragen werden,  erzeugen, durch diese Löcher fliegend, einen anderen Klang als die des Lebens.

„Leben ist schön“. Seine Fragen erzeugen irgendwo in ihm Träume. Und er hofft, der nächsten Enttäuschung davonlaufen zu können.

Auf dem Friedhof der Gefallenen schauen die für ewig Verstummten von unten auf das Leben. Ihnen eine Hand entgegenzustrecken, dafür ist es zu spät.

„Leben ist schön“. Das dachte so manch einer. Er denkt zu viel nach. Nein, die Gedanken überwältigen ihn. „Leben ist schön“. „Du hast etwas vergessen: Und verdammt hässlich.“

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 TassoTuwas (02.06.14)
Das Leben wird bestimmt durch "Slogans" wie "Das Leben ist schön". Slogans müssen wieder und wieder eingehämmert werden.
Schicksal findet nicht statt. Vollkaskomentalität!!
Hartes Brot zum Wochenanfang, wo wir es doch lieber püriert haben, schon wegen der Jacketkronen.
Bärenstarker Text.
Liebe Grüße TT

 Fuchsiberlin meinte dazu am 02.06.14:
Hey Tasso,

ja viele Slogans propagieren, wie Leben ist oder sein soll. Die Schönheit wird dabei als noch schöner zelebriert. Schattenseiten "verkaufen" sich nicht so gut.

Ich bin ein Brotliebhaber, und manchmal muß auch hartes Brot serviert werden.

Ich danke Dir.

Liebe Grüße
Jörg
Raven (42) antwortete darauf am 02.06.14:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Regina (02.06.14)
Ich denke, Leben ist beides. Heute darfst du es vielleicht genießen, aber dieser Zustand ist flüchtig. Morgen sieht es ganz düster aus. Beides anzunehmen ist die Kunst, die noch keiner kann.

 Ganna (03.06.14)
Vielleicht sitzen wir alle einem Irrtum auf, wer hat eigentlich damit angefangen und uns gesagt, dass wir im Leben Schönes erwarten können?

LG Ganna

 Fuchsiberlin schrieb daraufhin am 05.06.14:
Ganna, Deinen Gedanken finde ich sehr interessant und nachdenkenswert. Ich glaube, bewußt und unbewußt wird dies uns propagiert.

Ich danke Dir.

Liebe Grüße
Jörg
Pocahontas (54)
(03.06.14)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Fuchsiberlin äußerte darauf am 05.06.14:
Liebe Sigrun,

ja, und dies kann doch kein "Schicksal" bedeuten. Das hieße ja im Umkehrschluß, dass dieses sog. Schicksal keine Fairneß und keine Gerechtigkeit kennt.

Ich danke Dir.

Liebe Grüße
Jörg
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram